Neue Worte braucht die Kirche

Mittwochs-Kolumne von Barbara Schenck

Die erste Erfindung Gottes war das Wort. Mit diesem Starterkit erfinden Menschen munter weiter neue Bausteine ihrer Sprachen. Gotteshaus und Glaubensbekenntnis waren Neuschöpfungen des 17. Jahrhunderts. Die Kirche aus dem Griechischen und das lateinische Credo waren dem Dichter Philipp von Zesen nicht deutsch genug. Er erfand die Synonyme Gotteshaus und Glaubensbekenntnis. Reingotten, Weinachten, Ohstern, Pfiffingsten und Sündfunke sind brandaktuelle Erfindungen im Anklang an christlichen Fachjargon, aufgelistet unter den „698 neuen Worten für alle Lebenslagen“ von Sascha Lobo.

„Reingotten“ ist das Synonym für einmischen / beeinflussen: 'Mein Chef kann das Reingotten in meine Arbeit nicht lassen.', schreibt Victoria Krüger.
Der „Sündfunke“ ist „das Fünkchen, das ausreicht, um sich schwer zu versündigen“.  
Zu „Weinachten“ statt „Weihnachten“, heißt es: „Familienfestliche Tage, die höchstwahrscheinlich mit Tränen enden.“ Ähnliche Verwandlungen vollziehen Ostern und Pfingsten zu „Ohstern“ und „Pfiffingsten“. Wie genau diese Tage zu übersetzen sind, müssen die Leserinnen und Leser sich selber denken: Steht das „Oh“ für die Überraschung beim Fund eines kostbaren Eies? Den Pfiff in Pfingsten, den höre ich gern für das gewisse Etwas des Heiligen Geistes.

Der rechte Kairos scheint gekommen, von Seiten der Kirchennahen Worterfindungen beizutragen. Sie mögen das Erfinden nicht? Kein Problem. Im Fundus der Kirchensprache stecken noch Worte, die es selbst von der Lutherbibel nicht bis in den Duden geschafft haben. Das „Nachtgesicht“ ist ein Beispiel. Der Traum des Tags heißt Tagtraum, der Traum des Nachts nur Traum. Wie fade. Dabei kannte schon Hiob das „Nachtgesicht“ (Hiob 33,15).
Die „Zweckgaben“ für Bestechung (Sprüche 15,27) und
das „Bösgeschick“ für Unglück (Psalm 35,26) bietet die Buber-Rosenzweig-Bibel.
Der Braus, einst geschätzt als Wort für Gottes Geist, verdient wahrlich mehr als den Kommentar im online Duden: nur noch in in Saus und Braus (verschwenderisch) leben“.

Neue Erfindungen gibt's aber auch, etwa das von Georg Plasger kreierte „Pistometer“. Es zeigt, was wir gerade nicht tun sollten: Den Glauben messen nach dem menschlichen Maß von groß-klein, viel-wenig.
Mein derzeitiger Favorit unter neuen Kirchenworten ist ein Trendwort gegen das wenig erheiternde „Gottesdienstbesucherschwund“. Heike Blikslager hat es vor rund 15 Jahren als Vikarin in Ostfriesland erfunden:
„Partisanengottesdienst“ = hinter jeder Säule eine Oma.

Was gibt's noch? Lassen Sie es uns wissen (Mail: redaktion@reformiert-info.de). Beginnen wir ein Fachwörterbuch der Neologismen in Kirche und Glaube.

 

Quellen der Neologismen:
Wortschatz - 1001 neue Wörter für alle Lebenslagen
auf Facebook: http://www.facebook.com/neonwortschatz

als Buch: Sascha Lobo: Wortschatz: 698 neue Worte für alle Lebenslagen, Rowohlt Berlin 2011

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Barbara Schenck, 17. April 2013