Provokation
Herausforderung
»Der deutsche Nationalsozialismus bedeutet die auf die bewußte Lüge und auf die blinde Gewalt gestützte Diktatur eines antichristlichen Mythus mit der notwendigen Konsequenz der grundsätzlichen Inhumanität, Unfreiheit und Rechtlosigkeit im Bereich des ganzen staatlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. Das europäische Vordringen dieses Systems bildet nicht nur ein politisches, nicht nur ein moralisches, sondern auch ein theologisches Problem. Im Bereich dieses Systems kann es grundsätzlich keine Verkündigung des Evangeliums, keine Kirche mehr geben. Dieses System kann die Kirche – es kann aber auch die Kirche dieses System nur verneinen.« (Karl Barth, an die Studenten der reformierten Theologie in Budapest (1938), in: Offene Briefe 1935-1942 (GA V.36), 154)
»Noch seine Sklaven, treten sie ihm jetzt als Roboter gegenüber, die er – nicht ohne ihre mögliche Tücke fürchten zu müssen – seinerseits zu bedienen hat. Und indem sie seine früheren Bedürfnisse befriedigen und erfüllen, erregen sie ihn mit neuen, zuvor gar nicht empfundenen, die er nun doch angesichts der lockenden Möglichkeit, sie zu befriedigen, auch nicht verleugnen und unterdrücken kann. Indem sie sein Leben vereinfachen und erleichtern, komplizieren und erschweren sie es auch und erst recht. Kleine Sorgen nehmen sie ihm ab, aber nur um ihm andere, größere zu bereiten (…), [ihn] ihrerseits zu binden, zu verpflichten, zu tyrannisieren, ihn zu führen, wohin er nicht will, ihn unter dem Vorwand und Schein von allerhand Befreiungen erst recht unfrei zu machen.« (Karl Barth, in: Das christliche Leben 1959-1961 (GA II.7), 390)
»Wenn wir die Menschheit ansehen könnten mit den Augen Gottes, dann würden wir sehen, wie die als die Großen, als die Helden dastehen: die einsamen Ausgelachten, Angefochtenen, Zurückgewiesenen, die stillen Beter, Kämpfer, Liebhaber, Hoffer, da ein paar, dort ein paar zerstreut über die weite Erde, übersehen von den Gelehrten und Fürsten und Diplomaten und Feldherren, die scheinbar die Geschichte machen, übertönt vom Knittern der Banknoten und vom Donnern der Kanonen, auf die scheinbar Alles ankommt - sie sind's, die in Wirklichkeit der Weltgeschichte den Sinn und die Richtung geben.« (Karl Barth, Predigt zu Mt 10,21-22, in: Predigten 1916 (GA I.29), 142).
»Der Rechtsstaat braucht keine Liebe, sondern nüchterne Taten einer entschlossenen Verantwortlichkeit.« (Karl Barth, Rechtfertigung und Recht (1938), in: Eine Schweizer Stimme: 1938-1945, 52).
»Mag sein, daß die Schöpfung besudelt, gefährdet, bedroht wird, mag sein, daß es in der Schöpfung Seufzen, sehr, sehr viel Seufzen gibt, mag sein, daß die menschliche Kreatur sündigen kann und tatsächlich sündigt und daß sie als Sünder verdammt und gehaßt sein kann! Aber die Schöpfung und das Geschöpf als solches kann nicht zerstört und vernichtet werden. Die schrecklichsten Dinge mögen geschehen und geschehen auch, aber das nicht: keine Zerstörung, keine Auflösung, keine Verneinung. Gott ist und bleibt seinem Werk treu. Und selbst da, wo es so aussieht, daß nur noch der Zorn Gottes über seinem Geschöpf hängen kann, da bleibt das Geschöpf doch in den Händen seines Schöpfers.« (Karl Barth, Fragebeantwortung (1960), in: Gespräche 1959-1962 (GA 25), 109)
"Maybe that creation is soiled, is endangered, is threatened; maybe in creation there is suffering, a great deal of suffering; maybe the human creature can and does sin and can as sinner be damned and loathsome. But creation and creature as such cannot be destroyed, annihilated. The most terrible things may happen, and they do happen, but not destruction, not dissolution, not negation. God is and remains faithful to his work, and even where it seems that only the wrath of God can hang over the creature, the creature remains in the hands of his Creator. The creature, as such, cannot fall into oblivion." (Karl Barth, Fragebeantwortung bei der Konferenz der World Student Christian Federation, in: Gespräche 1959-1962 (GA IV.25), 429).
»Sollte es sich als wahr erweisen, (...) dass auch der Staatssozialismus das Heilmittel der sozialen Krankheit nicht ist, als das man ihn einst ausgegeben hat und als das er jetzt im Osten so laut gepriesen wird, dann würde das schließlich nur bedeuten: (...) die Wurzel des Übels sitzt tiefer, in einer menschlichen Verfehlung, aus der die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen in immer neuen Formen notwendig hervorgeht – so notwendig, dass sie auch durch die bestgemeinten und schärfsten Gegenbewegungen wohl aufgehalten, in ihrer Form verändert, aber eben nicht aus der Welt geschafft werden kann.« (Karl Barth, § 55 Freiheit zum Leben (1951), in: KD III/4, 625)
»Der Hass ist die Rache des Schwachen.« (Karl Barth, Gespräch mit Kunstgewerbeschülern (1.2.1966), in: Gespräche 1964-1968 (GA IV.28), 208)
»Wir können nicht teilnahmslos zusehen, wie der Zeiger der Uhr und der Kalender ihr allmähliches, aber unaufhaltsames Vorbeigehen ankündigt, sondern Möglichkeiten, Gelegenheiten, Hoffnungen enthalten sie, und beunruhigen muß uns der Gedanke, sie könnten unbenutzt verstreichen. Nicht Schlafenszeit, nicht Träumerzeit sind diese jetzigen Minuten, Stunden und Tage, sondern Zeit des Erwachens, des Aufstehens, des Zugreifens, des Schaffens.« (Karl Barth, Predigt zu 2. Kor 6,1-2, in: Predigten 1920 (GA I.42), 268)
»Wieder in einem anderen Land, da sind lauter Ritterschlösser, auf hohen, hohen Bergen, die über tiefe, tiefe Täler feindselig zueinander hinüberblicken. Und da wohnen auch wirklich stolze Ritter wie im Mittelalter, stolz auf ihren Charakter, stolz auf ihr Geld, stolz auf ihre Verwandten, stolz auf ihre Meinungen, stolz auf ihr Vaterland. Und einer trotzt gegen den anderen, wer's am besten könne, und weil es alle am besten können, kann da nie Ruhe sein, sondern da weht immer ein Kriegsfähnlein, da blinken drohend Kanonenrohre zu den Fenstern hinaus, da ertönen zornige Trompeten: wag's und komm! Und da muß es dann natürlich von Zeit zu Zeit losgehen, manchmal im Kleinen zwischen Ritter Fritz und Ritter Hans oder auch zwischen ihren stolzen Rittersfrauen, manchmal im Großen: da kommen die Völker aus lauter Stolz hintereinander, und aus dem Völkerstolz wird der Völkerkrieg. Diese Gegend kennen wir jetzt ziemlich gut.« (Karl Barth, Predigt zu Apg. 2,5-11, in: Predigten 1915 (GA I.27), 219)
»Die Not um uns her stört uns doch, und aus der Tiefe unseres Wesens bricht immer wieder wie eine verschüttete Quelle das Bedürfnis hervor: ich möchte etwas tun, wenn ich kann, für die Brüder, die böser dran sind als ich, (...) und so wird offen und in der Stille viel getan. Und doch ist etwas Unheimliches an dieser Liebe, und nur kurzsichtige Menschen können sich mit alledem, und wenn noch zehnmal mehr geschähe, zufrieden geben. Denn wo geht eigentlich unsere Liebe auf den Grund? Wo ist die Liebe, die einmal nicht nur Wunden verbinden, sondern verhindern will, dass Wunden geschlagen werden? Wir unterstützen vielleicht gerne die oder jene ärmere Familie, aber wir haben uns noch nie die Mühe genommen, einmal auch nur gründlich nachzudenken darüber, woher eigentlich die kuriosen Gegensätze von Reichtum und Armut kommen. (...) Wir zahlen gerne unsere Beiträge an die verschiedenen Anstalten, besonders gerne darum, weil wir dann denken, die Pflicht loszusein, uns zu überlegen, warum es überhaupt solche Anstalten geben muss und ob sie nicht viel eher eine Schande als eine Ehre für ein Volk sind, so nützlich und notwendig sie sein mögen. Warum kommt unsere Liebe und Liebestätigkeit immer zu spät, immer erst dann, wenn eigentlich nicht mehr zu helfen, sondern nur noch zu flicken ist? Spielt nicht alle unsere Liebe, auch die eifrigste, immer nur die traurige Rolle der Sanität im Kriege?! Setzen wir nicht am Ende das wunderbare Wort: die Liebe höret nimmer auf! [1. Kor. 13, 8] darum auf die Grabsteine der Toten, weil unsere Liebe im Leben immer gerade da aufhört, wo sie anfangen sollte?« (Karl Barth, Predigt zu 1 Joh 3,15-18, in: Predigten 1916 (GA I.29), 304f)