Schneller, höher, weiter? Es kann nicht ewig so weiter gehen

Reimpredigt zu Pfingsten, Genesis 11


Großer Turmbau zu Babel von Pieter Bruegel (1563, Ausschnitt) © Wikimedia

Von Stephan Schaar

Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen! AMEN.

Nach nur zwei Jahren, liebe Gemeinde, ist dieselbe Perikope auszulegen uns empfohlen:
Genesis 11 - wie kann ich nur verhindern, mich jetzt zu wiederholen?
Derselbe Text ist’s zwar, doch heut’ will ich methodisch variieren,
und einmal mehr versuchen, mit Versen meine Predigt zu verzieren -

auf daß die Hörenden Aufmerksamkeit mir schenken
und freudig folgen, wenn wir Gottes Wort bedenken.
Wohlan: Als erstes trag den Text der Heil’gen Schrift ich vor,
bereimt, versteht sich - leiht mir euer Ohr!

Einstmals hatte die ganze Welt dieselbe Sprache - wird uns erzählt.
Da brachen sie auf nach Sinear, zu ‘ner Ebene, die östlich von Israel war.
Dort ließ man sich nieder und baut‘ eine Stadt,
damit man ein neues Zuhause hat.

Sie brannten den Mörtel und formten sich Steine
- alle gemeinsam, nicht einer alleine.
Als fertig gebaut war die prächtige Stadt,
fehlte ein Turm nur, daß ein Zeichen sie hat

der menschlichen Größe, die himmelan strebt.
Und eben dorthin, wo der Höchste wohl lebt,
ließen sie wachsen ihr Phallus-Symbol
und waren sehr stolz und fühlten sich wohl.

So wollten sie ihre Macht demonstrieren
und auch verhindern, daß sie sich verlieren.
Gott sah ihr Bestreben, den Himmel zu stürmen,
den Turm hochzuziehen bis zu den Gestirnen

und gar keine Grenze mehr anzuerkennen.
Da dachte er: “Halt! Dieses Tun muß ich hemmen.”
Und er fuhr zu den Menschenkindern hinunter
und machte das Leben auf Erden noch bunter,

indem er die Vielfalt der Sprachen erfand,
so daß keiner mehr den andern verstand.
Da geriet ihr Projekt schon sehr bald ins Stocken,
voll Ärger und Frust schmissen hin sie die Brocken,

verstreuten sich über die ganze Welt,
weil nichts mehr sie zusammenhält.
Diese Stätte der Wirrung ward “Babel” genannt,
wo die Gemeinschaft der Menschen verschwand.

Achtung - ich ändere nun die Art des Reimens.
Alles soll anfangen mit demselben Buchstaben.
Aber nicht bis zum Ende immerzu nur mit A,
Allerdings alphabetisch sortiert - doch immer nur vier Zeilen lang.

Bedenken wir nun also, was uns erzählt worden ist!
Beim Bauen einer Stadt östlich von Israel bleibt es nicht.
Bedingt durch den Bau-Boom, bilden sie auch einen Turm.
Bleiben wollen sie - in Verbindung miteinander und in Erinnerung für immer.

Chaotisch, das hörten wir, geht die Geschichte aus.
Check der Lage durch Gott höchstpersönlich gibt es zweimal:
Cholerisch reagiert er auf den Affront, ihm im Himmel auf die Pelle rücken zu wollen.
Chancenlos macht er die allzu selbstgerecht Agierenden, indem er ihre Sprache verwirrt.

Das klingt verdächtig nach Märchen und Mythos.
Doch deuten historische Quellen darauf hin, daß an der Geschichte etwas Wahres sein muß:
Der Umstand zum Beispiel, daß Ziegel gebrannt werden mußten;
dieses Verfahren kannte man in Palästina gar nicht.

Erfunden ist auch der Turm keineswegs, sondern Archäologen bekannt:
Etliche kommen mit ihren Hochrechnungen auf 90 Meter an Höhe,
eingerichtet war die oberste Etage als Tempel-Suite,
empfangen sollte dort eine Erwählte den himmlischen Bräutigam.

Faszination klingt an für die Wunderwerke babylonischer Technik.
Fehler im Gottesverhältnis allerdings ziehen spöttische Worte nach sich.
Frei ist die Bibel, das Falsche beim Namen zu nennen,
festigen soll uns das, die Folgen zu bedenken und zu vermeiden.

Gott geriert sich ambivalent zwischen Allmacht und Kleinkram-Kümmerer:
Genau besehen will er, was Menschen tun, und steigt herab vom Himmel.
Gleichwohl: Gesehen hatte er bereits, wie der Turm an den Wolken kratzte.
Gilt nun, was göttlich wirkt? Oder die menschliche Seite?

Halt zu gebieten der Hybris, steigt Gott hinab.
Höher als damals gelangen wir heute ins All hinauf.
Hat’s was verändert, vom Himmel her auf unsere Erde zu schauen?
Hegen wir heute die Schöpfung, die Gott uns anvertraut?

Inzwischen ist uns klargeworden, daß es nicht ewig so weitergehen kann mit dem Höher, dem Schneller und Weiter;
insofern ist mit uns einiges doch schon geschehen.
Immer noch bleibt viel zu tun, um die Schöpfung zu bewahren.
Intensiv werden wir weiterhin ringen um den rechten Weg.

Jeden Tag aufs neue müssen wir uns entscheiden.
Jetzt und in Zukunft gilt es zu tun, wovon wir überzeugt sind.
Jede und jeder von uns sei ein Vorbild für die, die noch zweifeln!
Ja, das ist praktische Mission, Bekenntnis mit Händen und Füßen.

Kommen wir wieder auf den Turmbau zu sprechen,
konkretisiert an den Krisen der Gegenwart:
Kleinlaut klingt manches Reformvorhaben der Energiewirtschaft und im Verkehr,
klimaneutral werden zu wollen bis zum Jahr 2045.

Möglicherweise mangelhaft sind diese Vorstöße,
machen wir uns da nichts vor!
Mir ist es aber lieber, daß wir kleine Schritte gehen.
Mitunter erreicht man so mehr als beim eiligen Laufen.

Nachhaltigkeit lautet heute die Zielvorgabe,
nicht länger, daß wir einander übertrumpfen,
niederreißend, was da wächst und uns nährt,
naturvergessen und ohne an morgen zu denken.

Ob das je gelingt, über den Schatten des Eigensinns zu springen?
Oder scheitern wir wie die Damaligen daran, daß das Hemd uns näher ist als die Hose?
Objektiv wird man das erst beantworten können, wenn wir nicht mehr sind.
Ohne Alternative aber ist es, daß wir umkehren zum Leben, zu Gott.

Pfingsten feiern wir heute - und viele macht das verlegen.
Parties sind nicht so angesagt, wie von anderen Festen wir das kennen.
Pädagogisch klingt manche Predigt und leider häufig auch blutleer -
Phantasievoll sollten jedoch gerade jetzt wir parlieren!

Quatsch rede ich da, will wer meinen?
Quälen will ich euch nicht, dessen seid gewiß!
Quellen des Lebens gilt es zu erschließen.
Quitt mit Gott sind wir noch lange nicht!

Reden wir noch einmal über Sprachverwirrung und Heiligen Geist!
Richten und retten will Gott uns mit dem, was er tut.
Reiten wir uns in die Katastrophe, dann muß er uns in den Arm fallen.
Reichlich zu Redefluß hat er beflügelt die Wochenfestgemeinde.

Sein heiliger Geist läßt uns Gemeinschaft erfahren.
Schöpfungsbewahrung und Frieden könn’n sich entfalten.
Solidarität und Gerechtigkeit - auch das wirkt die Geistkraft in uns.
Sonntagsruhe und Segen richten uns auf.

Traurig, das Schicksal derer, die ganz allein trauen
technischem Können und menschengemachtem Werk!
Titanisch agierten die Leute beim Turmbau zu Babel.
Treu jedoch ist Gott auch dann, wenn er straft.

Unverständlich war nicht allein am Ende die Sprache,
unsinnig übermütig auch das, was sie planten von Anfang an.
Unsere Erkenntnis daraus kann eigentlich nur lauten:
Unten auf Erden ist der Ort unserer Aktivität.

Verantwortlich sind wir für eine bewohnbare Erde.
Verwalter des Schöpfers zu sein, sind berufen wir.
Vater im Himmel, blick gnädig auf uns herab.
Vergib, was wir alles schon haben verdorben!

Wir warten auf einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt.
Weinende werden lachen und getröstet sein in Gottes Reich der Liebe.
Wie die Träumenden werden wir sein, wenn Gottes Geist uns erfüllt.
Wann, wenn nicht jetzt? Wo, wenn nicht hier?

Zungen aus Feuer haben uns heut’ nicht berührt.
Zweifellos haben wir den Geist der Gemeinschaft gespürt.
Zeugen der Wirkungen Gottes dürfen zusammen wir sein.
Zagt nicht und zögert nicht: Wer Christus nachfolgt, geht nicht allein.


Stephan Schaar