Streiten ja – aber mit «vorletztem Ernst»

17.02.2019

Karl Barths Hauptwerk heisst Kirchliche Dogmatik. Wohl deshalb stellen sich viele ihn als einen finsteren Dogmatiker vor, der immer Recht haben wollte. Das trifft nicht zu. In einem Radiointerview sagte er kurz vor seinem Tod, er sei so «liberal» gewesen, dass er auch die «alten Orthodoxen» gelesen «und dann auch manch Gutes bei ihnen gefunden habe». Er hatte keine Mühe, ungeniert den «Heiden» Konfuzius, den Juden Buber und den Atheisten Feuerbach mit Zustimmung zu zitieren, weil er auch von diesen Denkern lernte. In einem der letzten von ihm entworfenen Paragraphen seiner Dogmatik nannte er den Heiligen Geist den intimsten «Freund des gesunden Menschenverstandes». Besonders schön ist eine Äusserung aus der Zeit, als der deutsche Kirchenkampf auf dem Höhepunkt stand: «Und darum kann der Streit in der Theologie, auch der gute notwendige Streit, […] doch nur mit vorletztem und ja nicht mit absolutem Ernst und Zorn geführt werden. […] Wenn wir alles gesagt haben, was notwendig gesagt werden muss, wird auch das ‚‹Band des Friedens› (Eph. 4,3) sichtbar werden müssen […].»

Frank Jehle