Taufe als Protest gegen Ungerechtigkeit

Forum ''Rio de la Plata'': Westfalen und Argentinien im Austausch

BIELEFELD/WESTFALEN - Das Baby hat hohes Fieber, die Mutter ist verzweifelt. Sie wohnt abgelegen, ist allein mit ihrem Kind. Es ist Nacht, die Lehmstraßen sind vom Regen aufgeweicht. Da fasst sie einen Entschluss: Sie tauft ihr Kind. Pfarrer Arturo Blatezky erzählt diese Geschichte aus Argentinien, um deutlich zu machen: Die Armen haben nichts, worauf sie sich wirklich verlassen können – außer der Zusage Gottes, die in der Taufe zum Ausdruck kommt.

Die Taufe war das Thema des Forums „Rio de la Plata“, zu dem die Evangelische Kirche von Westfalen gemeinsam mit der Evangelischen Kirche am La Plata am Freitag und Samstag (1./2.7.) nach Bielefeld eingeladen hatte.

Für Dr. Arturo Blatezky (Buenos Aires) hat die Taufe eine revolutionäre Bedeutung: „Gott steht auf der Seite der Kleinsten und Schwächsten. In der Taufe geht es nicht um Dogmen und Theorie, sondern um die Absage an das Böse – um die Absage an ein System, das die Armen ausschließt.“ Deshalb, so folgert Blatezky, müsse die Kirche Widerstand gegen die Ungerechtigkeit leisten. „Das protestantische Prinzip ist: Gott protestiert gegen eine Welt, in der die Mächtigen den Machtlosen ihre Würde rauben.“

Der Theologe leitet die Menschenrechtsbewegung MEDH (Movimiento Ecumenico por los Derechos Humanos), die er unter der Militärdiktatur in Argentinien gegründet hat. Getaufte Kinder, betonte er, stünden stellvertretend für ungetaufte Arme, denen Gott besonders nahe ist. Blatezky: „Wenn ich ein Kind taufe, trete ich für die Würde aller Kinder ein.“ Und die junge Mutter, die ihr Kind selbst getauft hatte? Sie berichtete dem Pfarrer anschließend davon und fragte ihn unsicher, ob das denn auch in Ordnung sei. Es fiel ihm nicht schwer, diese Frage zu bejahen.

Dr. Reinhard Hempelmann, Leiter der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) in Berlin, hob die konfessionsverbindende Bedeutung der Taufe hervor: „Sie ist das Band der Einheit unter den christlichen Kirchen.“ Die Einmaligkeit der Taufe und ihre lebenslange Bedeutung gehörten zusammen.

2011 ist in den evangelischen Kirchen Nordrhein-Westfalens das Jahr der Taufe: Unter dem Motto „Gottesgeschenk“ steht die Taufe ein Jahr lang besonders im Mittelpunkt, zum Beispiel durch Tauffeste, die derzeit überall stattfinden.

Etwa 60 Teilnehmer, darunter zehn Gäste aus der Evangelischen Kirche am La Plata, tauschten sich über die Partnerschaft zwischen Westfalen und Südamerika aus. Dazu gehörten auch Gespräche mit jungen Erwachsenen aus Argentinien und Deutschland, die im Austausch als Freiwillige in kirchlichen Einrichtungen soziale Arbeit tun.

Seit 1965 sind die beiden Kirchen partnerschaftlich verbunden. Die Evangelischen Kirche am La Plata wurde 1899 von deutschsprachigen Einwanderern gegründet. Sie vereinigt 42 Gemeinden im Dreiländereck Argentinien, Paraguay und Uruguay.


Pressemeldung der EKvW, 4. Juli 2011