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Waldenser
Lange vor der Reformation
Der reiche Kaufmann Petrus Valdes aus Lyon lebte wohl zwischen 1140 und 1217. Die Bergpredigt und Jesu Sendungsreden an die Jünger und das Hören von Mk 10,21 überzeugten ihn, im letzen Viertel des 12. Jahrhunderts in Südfrankreich eine Bewegung von Armutspredigern zu gründen. Ziel war es, apostolisch zu leben, das hieß für diese Menschen, auf ihren Besitz zu verzichten und in der jeweiligen Landessprache predigend durch das Land zu ziehen.
Im November 1184 verbannte das Konzil von Verona die Waldenser aus Kirche und Gesellschaft, weil sie die kirchliche Lehrautorität, Hierarchie und Tradition verwarfen und weil sie "Gottes Wort frei predigten". Die Waldenser hatten nämlich keinen bischöflichen Auftrag für ihre Predigt bekommen und ließen auch Frauen und Leute, die keine theologische Ausbildung hatten, predigen. Sie hielten ihre Gottesdienste überall, wo sie auf ihrer Wanderschaft hinkamen, aber nicht in kirchlichen Räumen; dabei thematisierten sie Worte und Taten Jesu und der Apostel.
Außerdem sprachen sie nicht auf Latein und hielten einige katholische Lehren für unbiblisch: Die Waldenser drohten den Sündern nicht mit dem Fegefeuer, sie verehrten weder Bilder noch Heiligen und Reliquien, und sie lehnten Ablass, Eid, Kriegsdienst und Todesstrafen ab. Außerdem weigerten sie sich meist, von römisch-katholischen Priestern die Sakramente zu empfangen und verstanden das Abendmahl nur als Gedächtnis des Herrenmahls und beteten die Hostie nicht an. Ihr Handeln maßen sie an einer strengen Ethik.
Die Waldenser wurden viele Jahrhunderte lang als Ketzer bezeichnet und deshalb verfolgt. Trotzdem konnten sie sich im Untergrund in Frankreich, Nordspanien, Italien, Schweiz, Österreich, Böhmen, Mähren und Ungarn ausbreiten. Die Begegnungen mit anderen Bewegungen, nämlich den Hussiten und den Böhmischen Brüdern, regte die Theologie der Waldenser neu an, wobei sich zeitweise auch unter den Waldensern Gruppierungen bildeten. Der westliche Teil schloss; sich schließlich bei der Synode von Chanforan 1532 der Schweizer Reformation an: Während die Gemeinde sich in Lehre, Lebensweise, Spiritualität und Art veränderte, sorgte die Bedeutung der Bibel für Kontinuität.
Im Jahr 1561 wurden die Waldenser erstmals in Savojen und Piemont, wo viele Anhänger in den sogenannten Waldensertälern wohnen, anerkannt. Aber etwa 100 Jahre später kam es wieder zu Verfolgungen, Widerstand, Auswanderungen und schließlich zu einer erneuten Anerkennung 1689. Doch die Waldenser blieben durch staatliche Gesetzgebung diskriminiert. Erst 1848 wurden den Waldensern der "Genuss aller bürgerlichen und politischen Rechte" zugestanden; daraufhin wurden sie zu einer Diasporakirche, die sich in ganz Italien verbreitete. Nur in den Waldensertälern sind sie eine Art Volkskirche, wo noch heute jeder zweite italienische Waldenser lebt.
In den wirtschaftlichen Wirren Ende des 19. Jahrhunderts wanderten Waldenser nach Uruguay und Argentinien aus. Durch das Konkordat von 1929 wurde die Waldenserkirche in Italien "zugelassen", durch die Verfassung von 1948 wurde ihnen die Religionsfreiheit gewährt. Seit 1984 gelten sie vor der italienischen Regierung als evangelische Kirche und werden seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil von der katholischen Kirche als "(getrennte) Brüder" beachtet und behandelt.
Heute gibt es in Italien in 100 Gemeinden fast 30.000 Mitglieder, mehr als das doppelte unterstützen die Waldenser mit ihrer italienischen Kultursteuer. Mit dieser wird allein das soziale Netz der Waldenser finanziert, wohingegen die Pfarrerschaft mit Spendengeldern bezahlt wird. In Lateinamerika leben heute in 31 Gemeinden über 13.500 Waldenser. Die Waldenserkirchen haben eine presbyteriale Verfassung: Ihre Ortsgemeinde sind autonom, die Pfarrerschaft wird an der Fakultät in Rom ausgebildet; die Synode bestimmt die Linie der Kirche, für die Exekutivaufgaben wählt sie die Tavola Valdese.
Mit den methodistischen Gemeinden Italiens haben die Waldenser 1979 eine Union geschlossen und die Chiesa Evangelica Valdese gebildet. Seit 1990 gilt gegenüber den italienischen Baptisten eine gegenseitige Anerkennung. In der Öffentlichkeits-, Jugend und Sozialarbeit wirken die Kirchen zunehmend zusammen. Die Waldenser sind Mitglied der Konföderation der Evangelischen Kirchen Italiens, des Ökumenischen Rates der Kirchen, des Reformierten Weltbundes und der Konferenz Europäischer Kirchen.
Die evangelische Kirche Italiens, die Waldenserkirche, unterhält mehrere Gästehäuser in Italien für preisgünstige Ferienaufenthalte in wohltuendem Ambiente.
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