Was ist der Unterschied zwischen Gott und einem Historiker?

Kurz vor Eröffnung der Ausstellung ''Macht des Glaubens'' ein Blick in die Geschichte der Kurpfalz um 1600. Die Mittwochs-Kolumne von Barbara Schenck.

Einen dicken, nagelneuen Ausstellungskatalog zu 450 Jahren Heidelberger Katechismus halte ich in der Hand und eine Fülle von online Medien steht mir zur freien Verfügung. Dennoch gelingt es nicht, ein stimmiges Bild einzelner calvinistisch gesinnter Fürsten der Pfalz vor meinem inneren Auge zu sehen. Die Auskünfte der zitierten Quellen scheinen sich zu widersprechen und die Urteile der Historiker erst echt.

Nehmen wir als Beispiel Friedrich IV., genannt "der Aufrichtige", Enkel des berühmten pfälzischen Kurfürsten Friedrich III.
Der "erste Friedrich" wurde am 5. März 1574 in Amberg geboren. Sein Vater Ludwig VI. ließ den einzigen Sohn zum lutherischen Glauben erziehen. Als der Kurprinz neun Jahre alt war, verstarb sein Vater und der Onkel Johann Casimir übernahm das Regiment. Nun sollte der Zögling zu einem treuen Anhänger des reformierten Glaubens werden. Sein Vormund schlug einen anderen Erziehungsstil an. Er beklagte die schlechten Tischmanieren des Jungen, vornehmlich seine Fresssucht, die intellektuellen Fähigkeiten seines Neffen schätzte er gering ein. Statt des fürs internationale Politikparkett wichtigen Französisch lernte Friedrich die Kunst des Reitens und der Jagd. Als 1592 Johann Casimir starb, überließ sein jugendlicher Nachfolger das Regieren den Räten und widmete sich ganz der höfischen Repräsentanz. Die enormen Kosten für das höfische Leben überstiegen bald die wirtschaftliche Kraft der Kurpfalz. Das war der Anfang ihres Niedergangs. Beliebt war der Fürst im Volk nicht. Desöfteren erhielt er Todesdrohungen, etwa von empörten Dorfbewohnern in Mannheim, die dem Bau der neuen Festung Friedrichsburg weichen mussten. Friedrich IV. blieb Zeit seines Lebens ein hemmungsloser Säufer; obendrein schlug er auch noch seine Frau.
Einen schwachen Regenten und den "Prototyp eines adligen Komasäufers" nennen Historiker diesen Kurfürsten.

Der andere, viel zu früh verwaiste Friedrich litt in jungen Jahren unter Bulimie, später wurde er alkoholkrank. Eine höhere Bildung wurde dem Jugendlichen verweigert. Aus dem Jungen solle "kein Doctor" werden, befand sein Vormund Johann Casimir. Als dieser starb, war Friedrich erst 18 Jahre alt und nach geltendem Recht noch nicht volljährig. Umgehend sah der lutherische Pfalzgraf Richard, ein dezidierter Gegner des pfälzischen Calvinismus, seine Chance gekommen, die Macht an sich zu reißen und die vormundschaftliche Regierung zu übernehmen. Friedrich IV. wies diesen Anspruch jedoch entschieden zurück und mit viel Geschick gelang es ihm, auch in Zukunft, einen Kreis von Männern um sich zu sammeln, die in seinem Sinne die Regierungsgeschäfte führten und zu einer Erstarkung des Protestantismus beitrugen. 1608 wurde die protestantische Union gegründet als Bollwerk gegen das katholische Habsburg.
Kurfürst Friedrich IV. wird als wohltätiger Landesvater erinnert und als Regent, der dem kurfürstlichen Hof zu neuem Glanz und Ansehen verhalf.

Wie nun soll ich mir Friedrich IV. vorstellen? Das bleibt ein wenig der eigenen Phantasie überlassen, denn auch für HobbyhistorikerInnen gilt der Satz des Satirikers Samuel Butler (1612-1680):
"Der Unterschied zwischen Gott und den Historikern besteht hauptsächlich darin, dass Gott die Vergangenheit nicht mehr ändern kann." Friedrich IV. starb am 1. Juli 1610.

Quellen:
Zitate aus online Quellen sind via Link vermerkt, weitere Zitate stammen aus dem Katalog zur Ausstellung "Macht des Glaubens. 450 Jahre Heidelberger Katechismus", S. 127.

 

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Barbara Schenck, 8. Mai 2013