Diese Engel-Botschaft zeugt seit mehr als 2000 Jahren von dem großen Licht, das Gott für die Dunkelheit der Welt und für alle Dunkelheiten im Leben der Menschen leuchten lässt.
Aber auch 2000 Jahre nach Christi Geburt ersterben Hoffnung und Freude von Menschen an verschuldetem und unverschuldetem Leiden, an Lieblosigkeit, in Ängsten und in gefühlter Gottesferne. Auch Jahrhunderte nach der Ausbreitung des Christentums über die ganze Welt zeigt unsere Welt noch immer - und immer wieder neu – eine blutige Spur von Terror und Krieg, von Egoismus und Selbstherrlichkeit, von Folter, Hunger, Ausbeutung und Tod.
Blicken wir auf unser eigenes Land. Wir nehmen Zeichen einer wachsenden Entsolidarisierung wahr. Menschen und Interessengruppen suchen ihre Vorteile auf Kosten anderer, das gemeinschaftliche Wohl „allen Volkes“ gerät uns aus dem Blick. Nur zu oft nehmen wir die Wunden, die uns in diesem vermeintlich „freien“ Spiel der Kräfte geschlagen wurden, zum Vorwand, um eigene egoistische Verhaltensweisen zu rechtfertigen. Verzichten um anderer Menschen oder um der Bewahrung der Schöpfung willen, nach Gerechtigkeit statt nach Selbstverwirklichung suchen - wie schwer fällt uns das! Blicken wir auf unsere Ängste, Abhängigkeiten und zerplatzten Lebensträume, auf die für „Normalbürger“ nicht zu durchschauende finanzpolitische Lage, auf so viele vergebliche Versuche, Kinderarmut und Flüchtlingselend nachhaltig „in den Griff zu kriegen“, dann drängt sich doch die Frage auf:
Hat der Engel des Herrn mit seiner Freudenbotschaft wirklich uns, unser Volk und unsere Welt gemeint?
Im eigenen Erleben und im Mit-Erleben von Versagen, Unrecht, Gewalt und Naturkatastrophen mag uns die Engel-Botschaft nur zu leicht als ein frommes, aber leider weltfremdes Märchen erscheinen, als eine billige, aber leider wenig hilfreiche Vertröstung.
Doch die Engel-Botschaft verspricht den Menschen und „allem Volk“ kein leidfreies Leben und keine perfekte Welt. Die Weihnachtsfreude der Engel-Botschaft gründet sich in der Gewissheit: Gott lässt Menschen nicht allein in den Dunkelheiten ihres Lebens, auch nicht in der Dunkelheit des Todes. Jesus Christus zeigt uns den Weg, in dieser unheilen Welt von Gott gesegnet zu leben und im Frieden mit Gott zu sterben.
„Euch ist heute der Heiland geboren!“ zaubert uns kein problemloses Leben und keine problemlose Welt herbei.
Aber diese Botschaft schenkt uns inmitten aller Probleme und offenen Fragen - und auch in allem Leiden - Freude, Hoffnung und Zuversicht, so dass wir im Blick auf unseren Heiland immer von neuem Schritte wagen auf Wegen des Friedens und der Gerechtigkeit - zum Heil für alle Welt!
Gesegnete Weihnachten!
Präses Nikolaus Schneider,
Vorsitzender des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland