Zitate des 100jährigen Walter Jens
Nicht die Einheitssprache der Kanzel, dieses befremdliche homiletische Esperanto, das heute die Vertreter aller Schulen vereinigt und, ungeachtet der Kontroversen in exegetischen Fragen, Barthianer wie Orthodoxe und Liberale wie Marburger predigen lässt – das gleiche Pathos und die gleiche Bildlichkeit! –; nicht die sogenannte ‘zeitlose’ Rede (sie ist in Wirklichkeit austauschbar und beliebig), sondern nur die persönliche, zeit- und subjekt-bezogene Predigt: formuliert in der Diktion unserer Zeit und nicht in jener unsäglichen Pontifex-Minimus-Sprache, die evangelische Verkündigung so monoton sein lässt – nur die Betonung der ersten Person: Hier! Ich! In diesem Augenblick!, gibt der Rede in der dritten Person, dem autos epha, ihre Glaubwürdigkeit.
Die christliche Predigt 1976, Reden 19