Gottes Wille ist reine Güte

Predigt über Eph 1,3-14 am Sonntag Trinitatis


© Pixabay

Von Dennis Schönberger

Ich lese den für den heutigen Sonntag vorgeschlagenen Text aus Eph 1,3-14 aus der Übersetzung „Bibel in gerechter Sprache“:

V3 Gesegnet sei Gott, Ursprung Jesu, des Christus, dem wir gehören. Gott hat uns gesegnet mit allen geistgewirkten Segen in den Himmelsräumen bei Christus.

V4 Denn Gott hat uns in ihm erwählt, bevor die Welt geschaffen wurde, damit wir vor Gottes Angesicht heilig und vollkommen seien. In Liebe

V5 hat Gott uns zur treuen Kindschaft vorherbestimmt durch Jesus, den Christus, wie es der Güte des göttlichen Willens entspricht,

V6 damit wir den Glanz der göttlichen Gnade preisen, die uns mit dem Geliebten geschenkt ist.

V7 Mit dem Geliebten haben wir Erlösung, vermittelt durch sein Blut. Erlassen sind uns die Übertretungen nach dem Maß von Gottes reicher Gnade,

V8 die uns überströmend gewährt ist. In aller Weisheit und Einsicht

V9 ließ Gott uns das Geheimnis des göttlichen Wollens erkennen, entsprechend der Güte, zur der sich Gott in ihm entschlossen hatte,

V10 zu einem Plan in der Fülle der Zeiten. Um es zusammenzufassen: „Alles ist in dem Gesalbten, das, was im Himmel, und das, was auf der Erde ist, ist in ihm.“

V11 Mit dem Geliebten wurde auch uns ein Los zugeteilt, die wir schon vorher dazu bestimmt waren, entsprechend der Absicht, die sich in der Erhaltung des Alls nach dem Ratschluss des göttlichen Wollens zeigt,

V12 damit wir ein Lobpreis des göttlichen Glanzes seien, die wir schon vorher auf den Gesalbten hofften.

V13 Mit dem Geliebten wurdet auch ihr versiegelt mit der heiligen Geistkraft der Verheißung, als ihr das Wort der Wahrheit hörtet, die Freudenbotschaft eurer Rettung, auf die ihr nun vertraut.

V14 Die Geistkraft ist Anzahlung auf unser Erbteil, damit wir gemeinsam, zu Gottes Eigentum befreit, den göttlichen Glanz preisen.

 

Liebe Gemeinde,

unser Text ist ein echtes Juwel . Er läutet die lange Trinitatis-Zeit mit einem Paukenschlag ein, denn steht in einem Brief, der insgesamt als „feierliche Predigt“ 1 anzusprechen ist. Das macht mir meine Aufgabe nicht leicht, soll ich doch über eine Predigt predigen . Eph 1,3-14 ist auch, oder besser: als Psalm anzusehen, als feierlicher Lobgesang.

Wir feiern am heutigen Sonntag Gott als den dreieinigen Gott . Wir feiern jeden Gottesdienst, das wisst ihr, im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen. Auf diesen Namen haben wir heute auch getauft. Dieser Name ist etwas Besonderes. Davon wird gleich noch die Rede sein. Aber vorher fragen wir: Was heißt es, an den dreieinigen Gott zu glauben?

 

(1)

Schon immer war die Rede vom dreieinen Gott umstritten, in der Alten Kirche ebenso wie in der Kirche heute. Diese Rede galt als anstößig , konnte sie doch missverstanden werden als ein Anbeten von drei Göttern. Die Kirchenväter meinten es so nicht. Wenn sie von Gott als einem dreieinig zu denkenden Gott sprachen, dann waren Vater, Sohn und Heiliger Geist alle gleich Gott, ohne Unterschied, aber nicht war der Vater der Sohn und umgekehrt, nicht war der Sohn der Heilige Geist oder umgekehrt und nicht war der Heilige Geist der Vater und umgekehrt.

Sie lehrten, dass der eine und einzige Gott ein Gott in drei Seinsweisen, Personen, sei, die sich gegenseitig durchdringen, ja miteinander kommunizierten, sodass der christliche Gott als ein Gott in Beziehung zu sich und anderen zu verstehen sei. Merkwürdig.

Für jüdische und muslimische Ohren ist das Reden von einem dreieinigen Gott sehr anstößig, aber wenn ich mich umschaue, in Kirche und Schule, auch auf der Universität, dann ist diese Rede immer noch anstößig. Statt eines fruchtbaren Streites um die Rede vom dreieinigen Gott erlebe ich große Gleichgültigkeit und Unkenntnis oder Unverständnis. Das hat auch damit zu tun, dass das ein anspruchsvolles Reden ist.

Aber die Kirchenväter waren der Ansicht, dass sie der Botschaft der Bibel nichts Künstliches hinzufügen, wenn sie von Gott als dreieinig lehrten und predigten. Gerade in Texten wie dem soeben Gehörten sahen sie einen starken und deutlichen Ausdruck dafür, wie angemessen von Gott gesprochen werden kann und soll – nämlich lobend, preisend, anbetend. Das heißt: Das, was wir am heutigen Sonntag Trinitatis die Trinität nennen, das ist ein anbetungswürdiges Geheimnis – nicht ein Rätsel, das nicht (auf)lösbar ist. Von diesem Geheimnis erzählt Eph 1, 3-14. Von diesem Geheimnis kann man überhaupt nur erzählen. Es zu lehren mag gehen, aber es zu erzählen, ist besser, denn wer von Gott als einem dreieinigen Gott erzählt, er erzählt ja damit vom Gott der Bibel, vom Gott Israels, von dem, der von sich selbst sagt: „Ich bin, der ich bin.“ (Luther) Also. Nur Gott selbst kann sagen, wer er ist. Und der Epheserbrief bekennt diesen Gott als einen in sich beziehungsreichen Gott, einen Gott, der, bevor er uns ansieht, auf sich selbst schaut, der, ehe er uns die Treue hält, sich selbst treu ist. Das ist kein Widerspruch.

Davon erzählt Eph 1,3-14, um gerade diesen und keinen anderen Gott unseren Herzen und Gedanken fest einzuprägen . Darum steht in V. 13 Siegel : Als dreieiniger Gott will er sich bei dir nachhaltig auswirken, deine Reden und Handeln auf Vordermann (und -frau) bringen, dich inspirieren.

 

(2)

Der Psalm besteht aus einem einzigen langen Satz. So lange Sätze bilden auch manche meiner Schülerinnen und Schüler. Echte Bandwurmsätze! Da kann man als Leser und Hörer ja schon mal die Orientierung verlieren. Versuchen wir also, uns zu konzentrieren.

Der Psalm singt von dem dreieinigen Gott als aktivem Gott . Wenn es um ihn selbst geht, dann kommt er so richtig in Fahrt! Wie das Volk Israel im Alten Testament Gottes Eigentumsvolk genannt wird (so Dtn 7,6-8), so werden im Neuen Testament die zu Israel hinzugekommenen Heiden – das sind wir – als Eigentum Gottes bezeichnet. Gott gehört nicht uns . Wir gehören ihm. Das gut so! Das ist aber auch, gebe ich zu, ein steiler Gedanke. Wenn wir Gott, wie Eph 1,3 sagt, gehören und zu seinem Eigentum befreit sind, dann setzt das voraus, dass das bei uns nicht immer so war, vielleicht auch noch immer nicht ist, also erst noch werden muss. Vielleicht haben wir jemand anderem gehört vor und außer diesem Gott. Vielleicht haben wir aber auch, christlich getauft, erzogen, konfirmiert und getraut bislang von diesem Gott als einem gedacht und gesprochen, den wir haben. Der Eph sagt es genau umkehrt: Er hat uns . D.h.: Er will uns. Ob wir ihn auch wollen? Eigentum verpflichtet. Das sagt unser Grundgesetz zu Eigentum und Erbrecht. Wo es so sein darf, dass wir Gott dahin mitgehen, wo er hingeht, dann ist das keine Einbahnstraße, sondern uns wird durch Gott ein neues Leben geschenkt. Als aktiver Gott, der, wie es in V. 14 heißt, „befreit“, wie er immer schon und immer noch Sklaven aus Sklaverei befreit, stellt er sich uns selbst vor als ein Gott, der uns treu ist, weil er zuerst sich selbst Treu ist. Der „Ich bin, der ich bin“ (Ex 3,14) ist dieser aktive Gott. Aber wie ist er? Was tut er? Davon erzählt Psalm, indem er Gottes Geheimnis preist – den Namen Jesus Christus .

(3)

Unser Psalm ist voll bepackt mit biblischen Grundbegriffen. Ein Wort, ein Name jedoch zieht sich durch: Jesus Christus, der Geliebte und Gesalbte Gottes. Von Gott als „Vater“ spricht der Text erstaunlicherweise nicht. Das hat mich verwundert, denn wenn vom christlichen Gott die Rede ist, dann ist meist vom Vatergott die Rede.

In den letzten Jahren hat sich auch die Rede von Gott als „Mutter“ größeren Raum in und außerhalb der Kirche verschafft und das nicht zu Unrecht. Es geht nicht um das biologische Geschlecht. Wer unter den Worten „Vater“ und „Mutter“ Gott auf ein Rollenbild festlegen will, muss scheitern. Es geht vielmehr um soziale Bindungen. So verstehe ich den Text, wenn er von „Kindschaft“ (V. 5) spricht. Es geht um Familien , in denen Kinder heute groß werden, und die vielleicht, ich habe das in meiner Arbeit teils erlebt, ihre Väter als eher unzugänglich, vielleicht sogar als ungestüm und hart (wenn nicht brutal) erleben. Dagegen erfahren sie ihre Mütter als liebe- und sorgevoll – vielleicht manchmal zu nachgiebig. Es ist möglich, dass es umgekehrt ist oder ein Wechsel aus beiden Erziehungsstilen vorherrscht. Wie auch immer!

Der väterlich-mütterliche Gott Israels wendet sich zuerst seinem Geliebten und Gesalbten zu. Der Psalm spricht ja zuerst von ihm. Fangen wir bei der Beziehung zu Gott an, dann fängt der feierliche Lobpreis mit dem Anfang (V. 3: „Ursprung“) des Geliebten an, und dieser Anfang ist nicht der Anfang im Bauch der Mutter Maria, sondern in Gott , dem wahren Vater Jesu und Mariens. Sie be zeugt den „wahren Gott“, indem sie den „wahren“ Menschen zeugt . Da ist es wieder, das Geheimnis. Wie bezeugt der Psalm es?

Er macht es so: Er segnet den Gott, der den Geliebten zuerst gesegnet hat. Gott tut sich selbst etwas Gutes, er tut Wohltaten als Vater für den Sohn – als Sohn für den Vater. Das bedeutet Segnen . Der Geliebte Gottes steht im Vordergrund. Er ist die „Spitze“ des dreieinigen Gottes. Mit ihm beschenkt dieser Gott sich selbst und so ist sein Name auch „über allen Namen“ (Phil 2,9). Gerade über denen, die die Schlagzeilen machen! Bedenken wir das, wenn wir alsbald wählen gehen und für unsere Demokratie eintreten (Europawahl).

Wir bezeugen Gott, indem wir seinen Namen segnen, ihn also nicht missbrauchen und so ihn machen lassen, was er machen will. Das verbindet Gott, den Vater, mit dem geliebten Sohn, dass sie einander segnen, dass sie sich gegenseitig ein Segen sind. Das verbindet auch uns. Ein hoher Anspruch! Ihr sollt einander zum Segen werden! Ihr dürft euch mit eurem inneren und äußeren „Reichtümern“ beschenken. Euch mit euren unverwechselbaren Gaben und Aufgaben unterstützen, (er)tragen (Segen als Ertrag). So wie Gott zuerst Notleidende trägt, so sollt auch ihr einander tragen, umsorgen – ja, manchmal auch erdulden, tolerieren Können wir etwas damit anfangen?

 

(4)

Aber wieder zurück zum Sohn, zu Jesus Christus, dem Geliebten und Gesalbten Gottes. Gott wird gesegnet 2 und segnet. Er ist in sich selbst reich, füllig, herrlich, strahlend, überströmend, glänzend. Ist uns das etwa verborgen geblieben? Der dreieinige Gott strahlt so sehr über beide Backen, wenn es um Jesus Christus, seinen Geliebten geht, dass er umso aktiver wird, befreit, rettet (vgl. V. 13), indem er erfüllt, was er versprochen hat (vgl. V. 10). Und dafür hat er alle Voraussetzungen geschaffen: In Jesus Christus sind alle Menschen erwählte Menschen; kein Mensch ist ausgeschlossen. Erwählt sind alle Menschen zum Gehorsam gegen Gott, andere, sich selbst. Erwählung ist kein Selbstzweck. Sie läuft voraus auf Gottes Befreiungstaten.

Calvin sagt: Gott rettet gerne. 3 Darum ist die Erlösung, von der im Psalm die Rede ist, auch so überströmend, so ausufernd, nicht zu bremsen, und sie richtet sich gegen unsere „Missetaten“. Was bedeutet das? Vielleicht sind damit gemeint unsre offenen oder geheimen Verbohrtheiten und Hartherzigkeiten, unsere Gleichgültigkeiten und Unzufriedenheiten, unsere Neidereien und Hassereien. Kurz: Unser Gott und Menschen verachtendes Tun und Lassen, dessen wir nur gewahr werden, wenn der dreieinige Gott uns ins Wort fällt. Er tut es hier. Er weiß, dass uns in diesen „Missetaten“ immer wieder der Schuh besonders drückt. Für jeden und jede von uns, wird wohl mehr das eine oder das andere zutreffen, aber Miss-, Übeltaten sind es. Aber: Zum größten Geheimnis des dreieinigen Gottes gehört es, dass alle unsere, deine und meine, vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Übeltaten erlassen sind. Der Geliebte Gottes er-füllt deine und meine Lebenszeit, indem er mit uns abrechnet, uns Nachlass , Skonto gibt, und zwar jeden Tag neu, damit wir endlich erkennen und anbeten, dass Gottes Wille entschlossene und reine Güte ist. Darin besteht der Glaube und die Hoffnung der Christen – „Gott hat uns zuerst geliebt“ (1Joh 4,19). Seine Liebe hat er nicht für sich behalten, sondern ihren Glanz uns mitgeteilt in seinem Evangelium von der Vergebung der Sünden. Gott ist darin der dreieinige, in sich selbst beziehungsreiche Gott, dass er die „Liebe ist“ (1Joh 4,16). Das Geheimnis des dreieinigen Gottes ist des Vaters überströmende Liebesgeschichte in seinem Sohn, an der wir durch seinen Heiligen Geist Anteil haben. Im Bild der „Anzahlung“ wird angedeutet, was das bedeuten könnte, denn o eine Anzahlung, da auch eine Auszahlung. Das Beste kommt noch!

 

Gebet 2

Herr, unser Gott! Wir treten noch einmal vor dich mit der herzlichen Bitte, dich unser anzunehmen, uns also keine Ruhe zu gönnen, bis wir es annehmen, in dir zur Ruhe zu kommen – gegen uns und für uns zu streiten, bis dein Friede in unserem Herzen, in unseren Gedanken und Worten, in unserem Sein und Verkehr untereinander zur Geltung und zu seinem Recht kommt. Ohne dich können wir gar nichts, mit dir und in deinem Dienst werden wir alles können.

Sei du in allen Räumen dieses Hauses gegenwärtig und tätig – so auch in dieser Stadt, unter allen ihren Bewohnern und heute besonders überall da, wo deine Gemeinde sich versammelt. Steh du allen Kranken und Sterbenden bei, allen Armen, Unterdrückten und in die Irre Gehenden – so auch denen, die uns und die anderen, die großen Völker regieren, ihre öffentliche Meinung machen und ihre Machtmittel in den Händen haben. Ach, daß doch von dir her viel Liebe dem vielen Haß, viel Vernunft der vielen Unvernunft, daß nicht nur ein paar Tropfen, sondern ein Strom von Recht dem vielen Unrecht entgegenträte und entgegenwirke! Aber du weißt besser als wir, was mit uns und was in der Welt, letztlich bestimmt zu deiner Ehre, werden und geschehen soll. So befehlen wir alles in deine Hände. So wollen wir, jeder an seinem Ort und in seiner Art zuversichtlich, still und klar auf dich hoffen. Amen.“ 4

---

1 Mit diesen Worten leitet die Einheitsübersetzung den Epheserbrief ein (EÜ 1980). Andere Ausleger sprechen von einem Psalm, einem Lobpreis u.Ä. Dass es sich bei Eph 1,3-14 um eine Bracha handelt, ist ebenso richtig.

2 Vgl. Inken Rühle, Trinitatis: Eph 1,3-4. Gott segnen, das ist unser Amt, in: Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext. Zur Perikopenreihe IV – Plus nun gehe hin und lerne!, hg. v. Studium in Israel e.V., Berlin 2017,238-243.

3 Vgl. Calvins Auslegung der Heiligen Schrift, Bd. 13: Die kleinen Paulinischen Briefe. Galater bis Philemon, Neukirchen-Vluyn 1903, 100f.

4 Karl Barth, Fünfzig Gebete, a.a.O., 42.


Dennis Schönberger