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Mit Melanchthon für Bildungsgerechtigkeit
EKD-Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider in Magdeburg
Dabei zog Schneider Parallelen von der Zeit der Reformation in die Gegenwart: Melanchthon, so Schneider, habe großen Wert auf die sprachliche Schulung der Schülerinnen und Schüler gelegt, denn er sei der Auffassung gewesen, dass ein nachlässiger oder fehlerhafter Sprachgebrauch auch auf fehlerhaftes Denken hinweise. Es sei bemerkenswert, „dass auch in unserer heutigen Situation die frühe Sprachförderung in der Elementarpädagogik ein wesentliches Konzept“ darstelle, um „Bildungsgerechtigkeit für alle Gruppen der Bevölkerung zu ermöglichen“, besonders bei der wichtigen Aufgabe der Einbeziehung (Inklusion) von Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichen erzieherischen, sprachlichen und kulturellen Voraussetzungen.
Auch der Slogan „Bildung für alle“ sei laut Schneider bei Melanchthon bereits vorgezeichnet: Gegenüber einer Gesellschaft, in der die familiäre Herkunft eines Kindes über den Bildungserfolg entscheidet, würde Melanchthon, „alle rhetorischen Bataillone aufbieten“, um sie „auf den Weg der Bildungsgerechtigkeit zu bringen“. Melanchthon habe mit seinem Bildungsbegriff nicht eine „Wettbewerbsgesellschaft“ vor Augen gehabt, sondern vielmehr „einen Weg zur Gemeinschaft“. Melanchthon gehe es immer „um die Menschwerdung des Menschen, um die Entwicklung eines Vertrauens ins Dasein in einer Landschaft der Entsolidarisierung und der Angst“, so der Ratsvorsitzende weiter.
Betrachte man allerdings die heutige Bildungsdebatte von dieser Leitlinie her, so Schneider, fielen einige Probleme der heutigen Bildungspolitik auf, zum Beispiel diese: „Verengung auf den Wissensaspekt, einseitige Ausrichtung auf die Vernützlichung der Bildung, Standardisierung statt Individualisierung, wenig Schärfung des Gewissens und der Sozialkompetenz.“ Deshalb sei es eine wichtige Aufgabe, in der „heutigen Bildungslandschaft“ darauf hinzuweisen, dass Wissen ein menschliches Maß brauche. Es gäbe, so der Ratsvorsitzende weiter, einen wichtigen „Zusammenhang von Lernen, Wissen, Können, Wertbewusstsein und Handeln im Horizont sinnstiftender Lebensdeutungen“.
Aus diesem Grunde sei die Kirche auch selbst „Bildungsträgerin“, unter anderem durch in Übernahme inhaltlicher Verantwortung für den Religionsunterricht. Somit schaffe die Kirche „zentrale Orte der Selbstvergewisserung junger Menschen und der Besinnung auf die Grundlagen des Glaubens.“ Das kirchliche Bildungsverständnis orientiere sich am Leitbild einer „gottoffenen Humanität.“
Im Zusammenhang mit der inhaltlichen Profilierung der kirchlichen Jugendarbeit und der Konfirmandenarbeit, so Schneider, sei in den vergangenen Jahren zu Recht die große Bedeutung „non-formaler Bildung“ für die Persönlichkeitsentwicklung Jugendlicher hervorgehoben worden. Wenn aber die Schule mit ihren Leistungs- und Zeitanforderungen alle anderen Erfahrungsbereiche minimiere, bleibe zu wenig Muße für ein Engagement in der Jugendarbeit, aber auch für Musik, Sport und Kunst. Studien zur kirchlichen Jugendarbeit hätten gezeigt, dass gerade solche „informellen Lernorte“ sehr effektiv seien, wenn es darum gehe, „Verantwortungsbereitschaft, Engagement für andere, Vertrauen ins Dasein, Kommunikations- und Teamfähigkeit“ zu erlernen und zu erproben. Deshalb sei es wichtig, so Nikolaus Schneider, dass kirchliche Angebote ihre verbindlichen Freiräume behielten.
Hannover, 26. Juni 2010
Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick