Predigt zur Königin Esther

Predigt zum Buch Ester 7,1-10


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Die Esther-Erzählung ist eine Bewahrungsgeschichte. Gott liebt sein Volk. Er gibt es nicht auf. Und nur weil Gott seinem Volk Israel treu bleibt, können auch wir Christen auf seine Treue zählen.

1 Der König und Haman kamen zu dem Mahl, das die Königin Ester gab, 2 und der König sagte auch am zweiten Tag zu Ester, als sie beim Wein saßen: Was hast du für eine Bitte, Königin Ester? Sie wird dir erfüllt. Was hast du für einen Wunsch? Selbst wenn es die Hälfte des Reiches wäre - man wird es dir geben.

3 Die Königin Ester antwortete: Wenn ich beim König Wohlwollen gefunden habe und wenn es ihm gefällt, dann möge mir und meinem Volk das Leben geschenkt werden. Das ist meine Bitte und mein Wunsch. 4 Man hat mich und mein Volk verkauft, um uns zu erschlagen, zu ermorden und auszurotten. Wenn man uns als Sklaven und Sklavinnen verkaufen würde, hätte ich nichts gesagt; denn dann gäbe es keinen Feind, der es wert wäre, dass man seinetwegen den König belästigt.

5 Da sagte der König Artaxerxes zu Königin Ester: Wer ist der Mann? Wo ist der Mensch, der es wagt, so etwas zu tun? 6 Ester antwortete: Dieser gefährliche Feind ist der verbrecherische Haman hier. Da erschrak Haman vor dem König und der Königin. 7 Der König aber stand auf, verließ voll Zorn das Trinkgelage und ging in den Garten des Palastes. Haman trat zu Ester und flehte sie um sein Leben an; denn er sah, dass sein Untergang beim König besiegelt war.

8 Als der König aus dem Garten wieder in den Raum zurückkam, in dem das Trinkgelage stattfand, hatte sich Haman über das Polster geworfen, auf dem Ester lag. Der König sagte: Tut man jetzt sogar hier in meiner Gegenwart der Königin Gewalt an? Kaum hatte der König das gesagt, da verhüllte man schon das Gesicht Hamans. 9 Harbona, einer der Hofbeamten, sagte zum König: Vor dem Haus Hamans steht schon ein fünfzig Ellen hoher Galgen; ihn hat Haman für Mordechai aufgestellt, der dem König durch seine Anzeige einen guten Dienst erwiesen hat. Der König befahl: Hängt ihn daran auf! 10 Da hängten sie Haman an den Galgen, den er für Mordechai errichtet hatte, und der Zorn des Königs legte sich.
Esther 7,1-10

Liebe Gemeinde,

in dieser Woche feiert die Judenheit das Purim-Fest. Es ist eine ausgelassene Feier, die äußerlich an Karneval erinnert. Die Kinder verkleiden sich und machen Lärm. Es gibt ganz bestimmtes Gebäck zum Purim Fest. Im Gottesdienst wird die Esther-Rolle gelesen, und jedes Mal, wenn der Name des bösen Haman erwähnt wird, kommentieren die Kinder das mit dem Lärm von Rasseln und Schnarren. Es herrscht eine Stimmung von Ausgelassenheit und Freude. Kein Wunder! Feiert man doch die Rettung des jüdischen Volkes aus höchster Todesgefahr. Das war damals, so erzählt man sich. Es war im 5. Jahrhundert vor der christlichen Zeitrechnung, dass die Juden in der persischen Stadt Susa lebten im heutigen Iran. Eine Minderheit im Exil.

Genauer lässt sich die historische Situation, von der diese Geschichte ausgeht, kaum beschreiben. Irgendwo verliert sie sich im Dunkel der Geschichte, auch wenn historische Anknüpfungspunkte durchaus vorhanden sind. Es ist den Juden ja nicht nur einmal so gegangen, dass sie als Minderheit im fremden Land lebten, dass sie angefeindet waren, weil sie sich nicht anpassen wollten und auch nicht anpassen konnten. Es waren ja schließlich die Gesetze Gottes, nach denen sie lebten und nicht irgendwelche beliebigen Vorschriften.

Der Anti-Judaismus ist eine uralte Sache. Immer wieder bricht er aus. Und auch wenn es keinen rechten Grund dafür geben mag., dann erfindet man eben Gründe, dann erklärt man die Juden zu Verschwörern, dann wirft man ihnen vor, Geheimbünde zu gründen, um das Leben der anderen zu beeinträchtigen.  Sind sie reich, dann bezichtigt man sie, den Reichtum ergaunert zu haben, sind sie arm, dann schilt man sie des Schmarotzertums. Der Antijudaismus und der Antisemitismus finden immer Gründe, am eigenen Vorurteil festzuhalten und sich nicht korrigieren zu müssen. Es ist schon ein Grund, zu feiern, wenn diese antijdischen Anschläge einmal nicht zum Ziel geführt haben, wenn Rettung gekommen ist wie durch die Königin Esther.

Die Geschichte beginnt damit, dass der persische König Artaxerxes seine Frau Wasti verstößt. Sie hatte sich geweigert, vor den geladenen Gästen des Königs nur mit dem königlichen Diadem bekleidet, zu erscheinen, und das hatte ihr der König so übel genommen, dass er nichts mehr von ihr wissen will. Auch seine Berater pflichten ihm bei: Wenn das Schule macht, wenn die Königin dem König nicht mehr gehorcht, dann werden auch die Ehefrauen im Land ihren Ehemännern den Gehorsam aufkündigen. Soweit darf es nicht kommen!

ine typische Männergeschichte, möchte man sagen. Der König sucht sich eine neue Königin. Esther kommt ihm sehr gelegen. Sie ist schön. Sie muckt nicht auf. Allerdings braucht es ein Jahr, bis Esther hinreichend vorbereitet ist. Schönheitsbehandlungen werden an ihr vorgenommen, Bäder und Salben – alles, was die kosmetische Industrie zu bieten hat. Dann ist sie für den König präsentabel – nach einem ganzen Jahr. Allerdings verschweigt Esther ihm, dass sie Jüdin ist. Das hatte ihr auch ihr Stiefvater geraten, der kluge Mordechai, ein Jude, der dem König schon einmal eine Palastverschwörung aufgedeckt hatte und der dafür mit dem Posten eines Richters im Tor von Susa bedacht worden ist.

Esther geht es gut am Hof. Sie ist die geachtete Königin, der König liebt sie und alles scheint in bester Ordnung. Wenn da nicht Haman wäre, der Bösewicht, der in jeder derartigen Geschichte eine Rolle spielt. Haman ist Antisemit. Er möchte die Juden aus dem Wege räumen. Die Macht dazu hat er. Er ist der königliche Kanzler am Hof von Susa. So setzt er einen Befehl auf, bestimmt durch das Los ein Datum und verfügt, dass an diesem Tag, dem 13. Adar alle Juden im großen persischen Reich umzubringen sind. Der König unterschreibt als Haman und er gemeinsam trinken. Mehr noch als eine Schnapsidee! Es ist tödlicher Ernst. Also scheint das Schicksal der Juden besiegelt. Ein vom König unterschriebener und gesiegelter Brief gilt. Er kann nicht wieder zurückgerufen werden. Mordechai weiß davon und ist verzweifelt. Er spricht mit der Königin. Aber letztlich glaubt er nicht daran, noch irgendetwas ändern zu können.

Es sieht so aus, als würde Haman triumphieren, der Antisemitismus über das Volk Gottes, die Willkür über das Recht. Aber Esther gibt nicht auf. Sie sagt Morderchai, dass die Juden fasten und beten sollen, sie selbst wolle es auch tun. Aber sie will versuchen, mehr zu erreichen. Sie lässt sich von ihren Dienerinnen ausstaffieren, wie es nur einer Königin zukommt und geht zum König in den Festsaal. Der König von Susa scheint nach dieser Geschichte dauern mit essen oder Trinken beschäftigt zu sein. Jedenfalls ist er hingerissen von ihrer Erscheinung und will ihr jeden Wunsch erfüllen. Esther wünscht sich ein gemeinsamen Festmahl mit ihrem Erzrivalen Haman. Der König stimmt zu. Und Haman ist ganz beglückt, dass er zum König geladen ist. Nur eines trübt seinen Frohsinn noch. Das ist Mordechai der Richter. Haman will ihn aus dem Wege geräumt wissen und lässt einen 50 Ellen hohen Galgen errichten. Daran soll Mordechai der Jude aufgehängt werden.

Beim Festmahl offenbart Esther ihrem König, dass sie Jüdin ist und dass der Kanzler Haman gemeine Anschläge gegen das Volk der Juden ins Werk gesetzt hat. Der König ist betroffen. Das hat er nicht gewusst, dass das Volk seiner Frau auf seinen eigenen Befehl ausgerottet werden sollte. Aber rückgängig machen lässt es sich auch nicht. Erst einmal soll der für Mordechai bestimmte Galgen nun der Hinrichtung des Haman dienen. Aber damit ist das Problem  der Vernichtung des jüdischen Volkes noch nicht gelöst. Die Todesstrafe löst keine Probleme – auch damals nicht! Es bleibt nur ein neuer Erlass, der verfügt, dass die Juden sich zusammenschließen und gegen die Pogrome zur Wehr setzen dürfen. So wird aus den Mordplänen des antisemitischen Kanzlers ein Triumph der Judenheit. Denn natürlich siegen sie und überwältigen ihre Feinde. Und das alles geschah an dem Tag, dem 13. Adar, den der böse Haman als Tag der Vernichtung der Judenheit bestimmt hatte. Man ist fast versucht an das Ende der Josephsgeschichte im ersten Buch der Bibel zu denken, wo es heißt: Ihr gedachtet es böse zu tun, aber Gott hat es gut gemacht.

Eine Geschichte, die historische Erinnerung und dichterische Freiheit miteinander vermischt. Sie wurde erzählt und aufgeschrieben, erst in hebräischer, dann in griechischer Sprache, jedes Mal etwas anders: Teile wurden hinzugefügt, Formulierungen verändert. Es ist eine lebendige Überlieferung, die sich in diesen alten Texten spiegelt. Sie zeigt das Interesse, dass die Schriftgelehrten Israels an der Esther-Geschichte gehabt haben. Natürlich ging es darum, die Geschichte des Purim-Festes zu erzählen, zu begründen, warum man in Israel diesen Tag so ausgelassen feiert und warum die Kinder, immer wenn in der Geschichte der Name des bösen Haman erscheint, Lärm machen dürfen: in der Synagoge, während des Gottesdienstes. Dafür muss es einen guten Grund geben.

Aber es ist auch noch etwas anderes mit dieser Geschichte. Es ist die Erzählung von der Bewahrung Gottes. Lange ist sie vorbereitet, wenn von Esthers Schönheit und Anmut erzählt wird, wie sie dem König Artaxerxes  gefällt und wie er sie nicht nur in seinen Harem einverleibt, sondern sie zu seiner Königin macht mit allem kosmetischen Aufwand, der nur getrieben werden kann. Das jüdische Waisenmädchen wird zur Königin eines heidnischen Königs.

Folgt man den Religionsgelehrten aller Konfessionen, dann ist von solchen Mischehen gründlich abzuraten. Am besten ist es, wenn man auch mit der Eheschließung im Rahmen der eigenen Religion bleibt, wenn man dafür sorgt, dass die Kinder im eigenen Glauben großgezogen werden. Noch vor zwei Generationen war es bei uns ein Problem, wenn ein Evangelischer eine Katholikin heiratete und umgekehrt. Und noch heute muss bei einer solchen Verbindung der katholische Partner oder die katholische Partnerin unterschreiben, dass sie alles dafür tut, dass die Kinder katholisch getauft und erzogen werden. Das war schon schwierig. Noch schwieriger ist es erst, wenn es um eine Heirat über die Grenzen der eigenen Religion hinaus geht: um eine Heirat mit einer Muslimin, oder auch um eine Heirat mit einem Atheisten.

Für die Familie ist das nicht leicht und für den entsprechenden Menschen, der solch eine Verbindung eingeht, auch nicht. Wird es gelingen, den Glauben zu bewahren, werde ich irgendwann den anderen Glauben annehmen, oder wird es mir letztlich völlig gleichgültig sein? Esther jedenfalls scheint sich ihrer Sache sicher, auch wenn sie nicht sofort sagt, dass sie Jüdin ist. Im entscheidenden Moment sagt sie es, und im entscheidenden Moment rettet sie ihr Volk vor dem hirnlosen und verbrecherischen Antisemitismus des Kanzlers Haman. Der Weg Gottes zur Rettung seines Volkes geht auch durch die problematische Mischehe des heidnischen Königs und der jüdischen Königin. Gott kann auch diese ungleiche Beziehung gebrauchen, um seinen Plan ins Werk zu setzen.

Wie in vielen anderen Frauengeschichten der Bibel ist auch hier der männliche Blickwinkel deutlich auszumachen. Der König verstößt seine Königin Wasti, weil sie ihm nicht gehorcht hat und die Minister und Berater bekommen Angst, dass auch ihre Frauen nicht mehr gehorchen, wenn der König der Königin das durchgehen lässt. So ist das gewesen. Und in vielen Teilen der Welt wird man diese Sorge durchaus teilen. Und Esther scheint das genaue Gegenbild der Königin Wasti zu sein: schön und botmäßig, eine Ehefrau, die leicht zu handhaben ist ohne Emanzipationsbestrebungen. Aber Vorsicht! Wer genauer hinsieht, der wird in Esther eine durchaus selbstbewusste Frau entdecken, eine Frau, die weiß, was sie will, und die auch klug genug ist, den rechten Weg und den rechten Zeitpunkt für die Durchsetzung ihres Willens zu finden. Esther ist kein Heimchen am Herd – Esther macht große Politik. Sie dreht am Rad statt dass sie unter die Räder kommt. Eine bemerkenswerte Frau: schön und couragiert, fromm und entschlossen, dem bösen Haman die Stirn zu bieten.

Denn diese Hamans gibt es immer. Menschen, die aus welchem Grund auch immer meinen, dass sie andere hassen müssten, und allen voran die Juden. Für den Antisemitismus gibt es keinen vernünftigen Grund, aber es gibt tausend Vorurteile, die  sich zäh von Geschlecht zu Geschlecht ziehen. Dachten wir, dieses Gedankengut hätte sich mit dem Ende des Krieges erledigt, junge Menschen fangen heute wieder mit diesem verbrecherischen Blödsinn an und versuchen damit, die Vorherrschaft über die Stammtische und über die Straße zu erringen. Es war eindrucksvoll zu sehen, dass die Bürger der Stadt Dresden diese Laute nicht in die Stadt gelassen haben, dass sie eine Menschenkette gebildet haben, durch die sie nicht hindurch konnten. Antisemitismus darf keinen Nährboden finden. Auch nicht wenn es Staaten in der Welt gibt, die heute den Antisemitismus wieder zur Staatsdoktrin erheben wie der Iran, wo einst der König Artaxerxes  und die Königin Esther regierten, wie Syrien und Lybien, wo der Hass auf Israel und die Judenheit den Blick für vernünftige Politik trübt. Aus Hass kann kein Friede kommen, und der Antisemitismus trägt nur faule und ungenießbare Früchte.

Die Esther-Erzählung ist eine Bewahrungsgeschichte. Gott liebt sein Volk. Er gibt es nicht auf. Er widerstreitet denen, die es ans Messer liefern wollen und deren höchstes Ziel es ist, Israel vom Angesicht der Erde auszulöschen. Nur weil Gott seinem Volk Israel treu bleibt, können auch wir Christen auf seine Treue zählen. Und so ist die Geschichte der Esther auch für uns eine sehr ermutigende Geschichte von Gottes Treue und Zuverlässigkeit.
Amen


Pfr. Martin Filitz, Halle
Predigt zu 1.Könige 10,1-13 (Sonntag Estomihi)

Predigt zu einer Erzählung, die uns bereichert, die unseren Horizont weitet für die Freundlichkeit Gottes, die uns aufmerken lässt, was Kultur austragen kann für die Verkündigung des Evangeliums.
Predigt zu Sprüche Salomonis 8, 1-5; 12-33

"Die Weisheit beteiligt sich nicht an Hetzkampagnen, wenn eine Bischöfin eine Straftat begangen hat, aber die Weisheit ist stark genug, den Rücktritt zu raten, wenn Bleiben belastend für alle geworden wäre."