»Es heißt, ›du sollst dir / kein Bild machen‹; /
ich male mir aus, / was es heißt«
»Lebendig ist ein Bild /
nur sprechend / oder beredt« (1)
Elazar Benyoëtz
1. Erinnerungsstücke: Bild(er)welten einer Wortbehausten
2. Das malerisch inszenierte Bilderverbot – wenn das Wort ins Bild und das Bild zu(m) Wort kommt
3. »Die drei Marien am Grabe Christi« – Adam Elsheimers Doppelinszenierung der Ostererzählung Mk 16,1-7(8)
3.1 Blickwechsel I: Die drei Marien – menschlich-allzumenschliche Haltungen angesichts des leeren Grabes?
3.2 Blickwechsel II: Der angelus interpres im offenen Grab – nur das Wort als Stütze
3.3 Blickwechsel III: Die drei Marien - leibhaftige Resonanzen auf das Wort der Auferweckungsbotschaft
4. Das Wort Gottes selbst als MalerIn – von der bildproduktiven Kraft des Wortes
5. Wider die Ein-bildung der Auferweckungsbotschaft – oder: das Recht der Bilder im Bilderverbot
Szene 1: Ein Cafe in der Nähe des Essener Hauptbahnhofs. An einem kleinen Bistro-Tisch sitzen ein Mann und eine Frau. Ihr Gespräch ist angeregt, gerät ab und zu gar ein wenig lautstark, so dass Menschen an den Nachbartischen aufhorchen und herüberschauen. Offenbar versucht sie vergeblich, ihn, der noch ziemlich skeptisch dreinschaut, zu überzeugen. Es könnte – von außen betrachtet – eines jener vielen Beziehungsgespräche sein, in denen Mann und Frau sich einfach nicht verstehen ... Wäre da nicht jener große Bildband, der mehr als die Hälfte des Tisches einnimmt und dem die halbvollen Kaffeetassen und Kuchenteller weichen mussten – ein Buch voller historischer Lilien-Zeichnungen: Blüten, Blätter, Stengel, Wurzeln, Samen ... – wie früher auf den Wandkarten im Biologieunterricht ... Es wird geblättert, bei der einen oder anderen Zeichnung verweilt, diskutiert, ein paar Notizen gemacht ... Nein, das hat er in all den Jahren als Graphik-Designer (2) noch selten erlebt, dass eine Autorin (in diesem Fall: sogar nur eine Herausgeberin) so dezidierte Vorschläge für die Covergestaltung hat und keinen Deut davon abweichen will.
Eine theologische Festschrift mit wissenschaftlichen Beiträgen ist doch kein Bilderbuch und verdient einen seriösen Umschlag, am besten puristisch mit dem Wort allein! Aber sie beharrt auf den großen naturweißen Lilienblüten und darauf, dass das Bild den ganzen Umschlag einnimmt und der Titel »Gott wahr nehmen« (3) ihm eingeschrieben wird ... Als sie auseinandergehen, trägt er das Buch unterm Arm und sie hat sein Versprechen, dass er sich um eine Repro-Vorlage und die Bildrechte kümmern will.
Und es war doch ein Beziehungsgespräch (!) – ein Gespräch nämlich über die Beziehung von Bild und Wort, sollte doch das Coverbild das biblische Lebensmotto des Jubilars: »Seht die Lilien auf dem Felde ...« (4) zu Gehör bringen.
Szene 2: Er steht vor einer der bildbehangenen Wände in ihrer Wohnung. Sein Blick fällt auf einen weiblichen Rücken-Akt von Picasso: »Warst du eigentlich mit 14 oder mit 15 zum ersten Mal in einer Picasso-Ausstellung?« Die Frage macht sie ein wenig verlegen. Doch als sie sich erinnert, ist ihr Lächeln eher spitzbübisch (gibt's eigentlich ein gender-Pendant zu spitzbübisch?!): Es war eine groß(artig)e Munch-Ausstellung im Herbst 1980 in der Bielefelder Kunsthalle: »Liebe – Angst – Tod«. Sie war 20, Studentin im 3. Semester an der Kirchlichen Hochschule in Bethel und erstand ihren ersten Ausstellungskatalog.
Ihre Kindheit und Jugend war bildarm gewesen: Dürers betende Hände, der röhrende Hirsch im Wohnzimmer, ein blonder, sanfter Nazarener-Christus als guter Hirte mit Schafherde im elterlichen Schlafzimmer und die Kinderbibel mit den unerträglichen Schwarz-Weiß-Zeichnungen eines Julius Schnorr von Carolsfeld (1794-1872). »Seither habe ich aber kräftig nachgeholt ...« schließt sie schmunzelnd ihre Erinnerung ab. So kräftig, dass einer ihrer Freunde schon wiederholt gemeint hat: »Du bist zwar eine reformierte Theologin, lebst aber in einer katholischen Wohnung.« Nur eine der Dialektiken in ihrem Leben!
Es kamen andere Bilder hinzu: eben Picasso, Egon Schiele, Käthe Kollwitz, Grünewald, Matisse, Botticelli, Fra Angelico, Paul Klee in den Berner Jahren natürlich, Caravaggio, Rembrandt und dann seit 2003: Mark Rothko – der Maler des Bilderverbots (5). Bei Elias Canetti findet sie einen Hinweis, der ihr die Bedeutung der Bilder für die Erschließung eigener Erfahrungen nahebringt:
»Stark fühlt sich, wer die Bilder findet, die seine Erfahrung braucht. Es sind mehrere – allzuviele können es nicht sein, denn ihr Sinn ist es, daß sie die Wirklichkeit gesammelt halten, in ihrer Zerstreuung müßte sie zersprühen und versickern. Aber es soll auch nicht ein einziges sein, das dem Inhaber Gewalt antut, in nie entläßt und ihm Verwandlung verbietet. Es sind mehrere Bilder, die einer für ein eigenes Leben braucht, und wenn er sie früh findet, geht nicht zuviel von ihm verloren.« (6)
So hat es sich er-geben, dass mir für jeden Text, den ich schreibe, mindestens ein Bild handgreiflich vor Augen steht, das sich in und zwischen die Zeilen einnistet.
Szene 3: Nun kommt sie schon zum vierten Mal in diesen Raum, der inzwischen fast besucherInnenleer ist (7). Die Mitarbeiterin des Museums, die Aufsicht führt, ist noch unruhiger als beim zweiten und dritten Mal und lässt sie kaum aus den Augen. Soll sie sie ansprechen? Sie hegt ja mitnichten bilderstürmerische Absichten, sondern ist einfach nur glücklich, endlich in einen Blickwechsel mit dem Original eintreten zu können. Gern würde sie der ängstlich-misstrauisch blickenden Frau erklären, warum sie immer wieder in einem Abstand von nur 45 cm vor dem doch so großformatigen Bild stehen bleibt – und was sie ausgerechnet mit diesem Rothko-Gemälde verbindet: »Untitled, 1949« (8). »Guter Geschmack war schon immer etwas teuer«, schrieb ihr Lektor, als er ihr die Rechnung des Guggenheim-Museums in New York präsentierte.
Aber nein, eine Geschmacksfrage war es nicht gewesen, sondern eine ganz und gar theologische Entscheidung: Dem bildreich zu Wort gebrachten Bilderverbot sollte das beredt ins Bild gesetzte Bilderverbot entsprechen. Schon das Antlitz des Buches sollte »Gott Gewicht geben«.
Auf der Suche nach Bildern, die dem Bilderverbot Tribut zollen, hatten mich die höchst lebendigen, nur vermeintlich abstrakten Farbfelder Mark Rothkos gefunden, die das Unfassbare einfallen lassen und es aufnehmen, ohne es aber begreifen zu wollen. Doch durfte ich dem Bild eines jüdischen Malers einen Buchtitel einschreiben, der in der doppelt-dreifachen Alliteration von »Gott Gewicht geben« und »geschlechtergerechter Gotteslehre« trinitarische Anklänge enthält? Wieder stand das Verhältnis von Wort und Bild, Bild und Wort zur Debatte. Da ahnte ich noch nicht, dass das Titelbild meines nun nächsten Buches (9) eben dieses Verhältnis programmatisch zum Thema haben würde.
Marga Bührig hat sich gern an einen Kurs in Boldern erinnert, der den Titel trug: »Neue Zugänge zu alten Aussagen.« Und wer heute ihre Autobiographie »Spät habe ich gelernt, gerne Frau zu sein« (10) liest, staunt über die Behutsamkeit, mit der sie als Frau Fragen an ihre doch so patriarchale Tradition stellte, und wie sehr sie darum bemüht war, Berührungsängste abzubauen gegenüber feministischen Fragestellungen und – vielleicht mehr noch – gegenüber Erfahrungen von Frauen, die es lernten, öffentlich »ich« zu sagen und der kirchlichen und theologischen Herrschaftssprache und -kultur ihre Zustimmung verweigerten (11).
»Neue Zugänge zu alten Aussagen.« (12) In diesem Titel finde ich manches meiner eigenen Art, um Geschlechtertransparenz bemühte evangelische Theologin zu sein, wieder. Die Liebe zur Tradition, der frau doch nur treu bleiben kann, wenn sie sie immer und immer wieder von neuem ansieht, also re-vidiert, teile ich mit Marga Bührig. Und so arbeite ich mich nach wie vor ab an den alten Texten und Themen und eben auch Bildern, lasse sie nicht los, sie segnen mich denn! (13)
Für heute möchte ich mich mit Ihnen auf einen Blickwechsel mit einem alten Bild einlassen, das mir im vorletzten Jahr zum ersten Mal begegnet ist – in der Kölner Ausstellung »Ansichten Christi. Christusbilder von der Antike bis zum 20. Jahrhundert« (14) und das mich seither begleitet und sich zunehmend als Titelbild meines Christologie-Bandes in den Blick und zu Gehör gebracht hat. Es ist ein Auferstehungsbild ohne anwesenden Auferstandenen, genauer: mit abwesend anwesendem Auferweckten.
Eben als solches wahrt es das Bilderverbot, ja setzt es geradezu ins Bild. Die Rede ist von Adam Elsheimers Kleinod »Die drei Marien am Grabe Christi«, entstanden um 1603 in Rom (15). Nur unter einem Aspekt soll dieses überaus dichte und vielfältig beredte Bild in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit unsere Aufmerksamkeit beanspruchen, nämlich hinsichtlich des hier gleich doppelt inszenierten Verhältnisses von Bild und (Schrift-)Wort.
So wahrscheinlich es ist, dass das Bilderverbot sich historisch ursprünglich im Konnex des Fremdgötterverbotes, also des ersten Gebots, auf die Herstellung dreidimensioaler, geschnitzter, gehauener und gegossener Götterbilder bezog (16), so unübersehbar ist doch der Befund, dass es in seiner Rezeptionsgeschichte allemal reformierter Provenienz zu dem biblischen Kriterium des Redens von Gott avanciert ist (17). Damit aber ist die Frage nach dem Verhältnis von (Schrift-)Wort und Bild aufgeworfen.
Im Dekaloglied »Erheb dein Herz, tu auf dein Ohren« (eg 657) (18) lautet die dritte, das Bilderverbot thematisierende Strophe: »Du sollst mich nicht in Bildern fassen. / Wem sollt ich denn vergleichbar sein? Kannst du dir doch genug sein lassen / an meinem Worte klar und rein.« Der Gegensatz von Wort und Bild ist hier unüberhörbar: Das klare und reine Gotteswort (wird es etwa als identisch mit dem Schriftwort gedacht?) sei hinreichend zur Gotteserkenntnis, zur Einsicht in Gottes Gebote, während der Versuch, Gott ins Bild zu fassen, Gottes Unvergleichbarkeit unterlaufe und – so müssen wir schlussfolgern – Gott verwechselbar mache mit einem Stück Welt. Doch ist damit zwingend ein unversöhnlicher Gegensatz von Wort und Bild gesetzt?
Adam Elsheimer (Frankfurt a.M. 1578 – Rom 1610), der aufs kleinste Detail sorgfältig achtende, eindrucksvolle Erzähler unter den Malern des Frühbarock, hat auf dieser nur 25,8 x 20 cm großen Kupfertafel den ursprünglichen Schluss des Markusevangeliums, Mk 16,1-8 (sichtbar, lesbar aber nur bis V. 7!), ins Bild gesetzt – und zwar gleich doppelt: als ausgemalte Erzählung und als in lateinischer Übersetzung eingraviertes Schriftwort. Und gerade in dieser Doppelung erweist er sich als theologisch kongenialer Exeget des markinischen Evangeliums.
Die Ostererzählungen der Evangelien geben keinen Bericht vom Geschehen der Auferstehung. Sie verkündigen die geschehene Auferweckung Jesu von den Toten und sind darin eine Hommage auf die den Tod überwindende Gottheit Israels. Sie bezeugen zeichen- und gleichnishaft die Wirklichkeit des Ostereignisses, indem sie von seinen Folgen und Wirkungen erzählen. So wahren sie das Geheimnis der Auferweckung als einer (neu)schöpferischen Tat Gottes ohne menschliche Mitwirkung.
Nicht einmal die Passivität oder Rezeptivität einer ZuschauerInnenhaltung ist menschenmöglich, wenn Gott aus dem Tod ins Leben ruft. Wo Auferweckung ins Bild gebracht werden soll, kommt es bestenfalls zur Abbildung von Auferstehung. Das die Auferweckung begründende schöpferische Wirken des göttlichen Geistes entzieht sich der einbildenden Visualisierung. Es hinterlässt darstellbare und lesbare Spuren. Wo es aber selbst zur Darstellung gebracht wird, kommt es zu einer Missachtung des Bilderverbots und zudem entsteht nicht selten religiöser Kitsch.
Während insbesondere Renaissance-Künstler, aber auch manche unter seinen Kollegen der Barockzeit in dynamischen Auferstehungsbildern diese »biblische Überlieferungslücke durch machtvolle Überredungskunst [zu] schließen« (19) versuchen, bleibt Elsheimer der biblischen Überlieferung auf beeindruckende Weise treu: Er verzichtet nicht nur auf eine Darstellung der Auferstehung des Gekreuzigten aus dem Grab, sondern einverleibt den biblischen Text selbst, in diesem Fall mit Mk 16,1-7(8) die älteste Evangelienüberlieferung vom Ostermorgen, dem Bildraum – ein für seine Zeit völlig ungewöhnliches Verfahren. Elsheimer schreibt die Osterperikope dem Bild, das eben diesen Text inszeniert, noch einmal eigens ein. Er hat ein Osterbild gemalt, in dem der Auferweckte als Abwesender gegenwärtig ist – ein Osterbild, das dem Bilderverbot entspricht, indem es die Dialektik von Wort und Bild ausmalt.
Elsheimers »Die drei Marien am Grabe Christi« gibt uns Einblick ins Innere einer Felsengrotte, von deren Wänden Schlingpflanzen und Blattranken herabhängen. Im Vordergrund steht parallel zum unteren Bildrand ein geöffneter Sarkophag. Die Grabplatte verschließt das Grab nicht länger, sondern ist von außen an den Sarkophag angelehnt und ragt schräg nach rechts unten aus dem Bild heraus.
Sie kommt mit dem auf ihr eingravierten Evangeliumstext, Mk 16,1-7, auf die BetrachterInnen des Bildes zu und ist auch nur von ihnen, nicht aber von den drei Frauen am Grab, zu lesen. Genau in der unteren Bildmitte hängt das blutverschmierte Leichentuch über den Sargrand herab. Der Auferweckte hat es am Ort des Todes zurückgelassen. Es fungiert als Zeichen dafür, dass hier ein wirklich Toter und Begrabener leibhaftig auferstanden ist.
Links neben dem Grab kniet mit vorgebeugtem Oberkörper unverkennbar Maria Magdalena, ikonographisch eindeutig identifizierbar vor allem durch das neben ihr auf dem Boden stehende Salbölgefäß, aber auch durch ihre langes, offen getragenes rotblondes Haar ... Maria Magdalenas Blick geht – eher nachdenklich als fassungslos, irgendwie traurig und doch vielleicht das schier Unglaubliche bereits ahnend – ins geöffnete, leere Grab.
Es ist ein Blick, der sich auf der Peripetie von Trauer und Hoffnung, Zweifel und aufkeimendem Verstehen bewegt. Dieser Doppeldeutigkeit, besser: Doppeldeutlichkeit entspricht die auffallend unterschiedliche Haltung ihrer Arme und Hände: Mit der Rechten hält sie, ihr Schultertuch fassend, an sich, scheint sich – angesichts dessen, was sie nicht fassen kann, was (noch) über ihr Verstehen geht – an sich selbst festhalten zu wollen, um sich zu vergewissern, dass sie noch bei sich ist. Ganz anders ihr linker Arm.
Mit ihm ist sie sich gleichsam selbst schon voraus und außer sich: Gerade ausgestreckt, die flache Hand ein wenig erhoben, scheint er das dem Gekreuzigten Widerfahrene gestisch nachzuvollziehen und lässt sich in die Bewegung aus der Dunkelheit des Grabes ins Licht des Ostermorgens mit hineinnehmen (20). Noch kniet die Jüngerin am Ort des Todes, aber mit der Geste ihrer linken Hand streckt sie sich selbst zum Leben, ja zu dem, der aus dem Tod ins Leben gerufen wurde, aus (21).
Die beiden anderen Marien sind keineswegs so eindeutig zu identifizieren wie Maria Magdalena: Wer ist neben Maria Magdalena und Maria, der Mutter des Jakobus und Joses, die dritte Maria der »drei Marien am Grabe Christi«? Hat Elsheimer auch Salome (Mk 16,1) den Allerweltsnamen Maria zugedacht? Ist es Maria, die [Frau?] des Kleopas, aus Joh 19,25 (22)?
Ein Schlüssel zur Identifikation der dritten Maria mögen die jeweils so gänzlich verschiedenen Haltungen dieser drei Frauen sein. Elsheimer macht deutlich, dass das geöffnete und leere Grab selbst bei jenen Frauen, die vom Beginn der öffentlichen Wirksamkeit in Galiläa an zur engsten Nachfolgegemeinschaft des Nazareners gehören und die auch nicht vor der Qual zurückgewichen sind, die Kreuzigung Jesu ohnmächtig mit ansehen zu müssen, sehr unterschiedliche Reaktionen auslösen kann:
Die mittlere, etwas im Hintergrund stehende, in ein altrosafarbenes Gewand gekleidete Maria hat die Augen geschlossen und die Arme mit nach vorn bzw. nach oben geöffneten Händen bis auf Kopfhöhe erhoben. Wenn ein Ausleger beobachtet: » ... bei der mittleren (vielleicht Maria Salome) geht das Erstaunen sogleich ins Gebet über« (23), dann scheint mir hier eine Vereindeutigung ihrer mehrdeutigen Gebärde zur Gebetshaltung vorzuliegen. Zumindest die rechte, zum Grab hin geöffnete Hand kann auch abwehrend gedeutet werden.
Vielleicht inszeniert Elsheimer hier auch eine auf halbem Weg erstarrte Bewegung des fassungslos Die-Hände-über-dem-Kopf-Zusammenschlagens. Und selbst wenn in der nach oben geöffneten linken Hand Gebetssprache sich artikuliert, muss es keine Anbetung Gottes sein, sondern kann auch ein dem Erschrecken korrespondierendes lautloses »O, mein Gott!« sein. Die Lippen der mittleren Maria sind jedenfalls fest verschlossen.
Noch einmal anders die dritte Maria, die am leeren Grab eher wie unter dem Kreuz steht: in sich zusammengesunken, den Kopf nach links geneigt und eingehüllt in einen kobaltblauen Überwurf, mit dem der kräftige Rotton ihres Kleides kontrastiert, mit einem ins Leere über das Grab hinweggehenden starren Blick, die Hände vor ihrem Schoß leicht ineinandergelegt, beinahe wie eine Piéta-Figur ohne toten Sohn im Arm, als wiege sie gedankenversunken ihr verlorenes Kind ...
Vieles spricht dafür, dass Elsheimer in der dritten Maria die Mutter Jesu selbst ans leere Grab ihres hingerichteten Sohnes gestellt hat – ebenso wie sie im Johannesevangelium unter dem Kreuz steht (19,25-27). Diese Maria jedenfalls ist noch ganz gefangen in und benommen von ihrer Trauer und ihrem Schmerz. Ihre Haltung ist rückwärtsgewandt; sie hat noch kein Auge für das Neue, was geschehen ist. Dabei ereignen sich die entscheidenden Fingerzeige unmittelbar vor ihr – im Zusammenspiel ihrer eigenen Hände mit der Rechten des Engels und der Linken Maria Magdalenas.
Das Faktum des geöffneten und leeren Grabes ist an sich so mehrdeutig wie die Haltungen der drei Marien verschieden sind. Zu seiner Vereindeutigung bedarf es der Deutung. Sie wird durch die jünglingshafte Gestalt eines Engels, der auf dem rechten Rand des Sarkophags sitzt, mit den Beinen im Grab und den Frauen zugewandt, vermittelt.
Er verkörpert als himmlischer Bote die Gegenwart Gottes am Ort des Todes und fungiert als angelus interpres, als Deuteengel. Er interpretiert durch Fingerzeig und Wort das offene Grab mittels der Botschaft von der Auferweckung Jesu und macht es so zu einem Zeichen ihrer Wirklichkeit. Wichtiger als das den BetrachterInnen abgewandte, von einem Heiligenschein umgebene Gesicht des geflügelten Jünglings sind seine sprechenden Hände: Mit dem Zeigefinger der rechten Hand, der sich genau auf der Höhe der ineinander gelegten Hände der dritten Maria und unter der Linken Maria Magdalenas befindet (24), weist er ins Grab, deutet er auf die nun leere Stelle hin: »Seht: der Ort, wo sie ihn hingelegt haben!« Sein Fingerzeig geht buchstäblich ins Leere.
Doch der Topos der Grablegung ist nicht länger der Ort des Gekreuzigten. Darum geht diesem Fingerzeig die Auferweckungsbotschaft voraus, die die Augenzeuginnen des leeren Grabes vom Engel zu hören und die BetrachterInnen auf dem Sargdeckel bzw. im Markusevangelium zu lesen bekommen,: »... Jesus sucht ihr, den Nazarener, den Gekreuzigten. Er ist auferweckt worden. Er ist nicht hier!« (Mk 16,6).
Für sich genommen wäre das »Er ist nicht hier!« ebenso mehrdeutig wie das leere Grab. Erst durch die dem Fingerzeig ins Grab zuvorkommende Botschaft wird die Abwesenheit Jesu im Grab zum Hinweis auf seine Auferweckung. Die Auferweckung Jesu von den Toten durch Gott begründet das leere Grab, nicht umgekehrt. Dieses ist nicht mehr (aber auch nicht weniger!) als ein das Wunder der leiblichen Auferweckung und damit die Wirklichkeit der Neuschöpfung bestätigendes Zeichen.
Das strahlend helle Gewand des Engels verweist auf die Gegenwart Gottes, die es im Dunkeln der Höhle, am Ort des Grabes licht werden lässt. Seine Flügel zeichnen ihn als Boten der himmlischen Welt aus. Über dem linken Arm des Gottesboten ist das Gewand aufgebauscht, wie von einem aus dem Grab kommenden Windhauch bewegt.
Hat Elsheimer dem weißen Kleid einen Hinweis auf den Atem, die Geistkraft Gottes, die den Toten auferweckt hat, eingezeichnet? Wie auch immer, entscheidend ist: Mit der linken Hand stützt der Gottesbote sich auf die Grabplatte und weist so mit gespreizten Fingern auf den Text des Markusevangeliums hin: Im Bild wird für den Engel das markinische Schriftwort, das er den Frauen verkündigt, zur Stütze seiner eigenen Worte. Es gibt ihm und seiner Botschaft Halt. Er sagt nicht seine eigenen Worte, sondern spricht den Frauen das ins Bibelwort eingeschriebene Gotteswort zu. Er verkündet, was geschrieben steht. Er hat nur das Wort als Stütze.
Der zweite Blickwechsel mit Elsheimers »Drei Marien am Grabe Christi«, der das Bild von der Gestalt des angelus interpres und seiner Verknüpfung zwischen geöffnetem leerem Grab und Schriftwort aus zu verstehen sucht, wirft auch ein neues Licht auf die Haltungen der Frauen: Jene lassen sich nunmehr als unterschiedliche Reaktionen nicht auf das leere Grab, sondern auf die Botschaft und den Fingerzeig des Engels deuten. Die Frauen sehen ja – nach Auskunft der markinischen Erzählung – nicht, dass das Grab leer ist, bevor sie die jünglingshafte Gestalt im strahlenden Gewand erblicken.
Zuvor haben sie nur wahrgenommen, dass der sehr große Stein vom Eingang des Grabes weggewälzt worden ist. Erst die Worte und die Geste des Engels lassen sie das leere Grab erkennen. Und schon für das Sehen des weggewälzten Steines bedarf es eines Aufschauens: Die Frauen müssen den Blick heben, von ihrer Trauer und ihren Sorgen auf- und absehen, um des offenen Grabes ansichtig zu werden (vgl. V. 3f.).
Die Deutung des leeren Grabes durch die Verkündigung des Engels kommt unterschiedlich bei den Frauen an: Am meisten entspricht ihr Maria Magdalena, die im Bildraum mit der Gestalt des Gottesboten korrespondiert: »Elsheimers Darstellung kulminiert in dem dialogischen Auftritt der beiden Gestalten im Vordergrund.« (25) Maria Magdalena bestimmt die linke wie der Gottesbote die rechte untere Bildhälfte. Damit ist – über Mk 16,8 hinaus – ihre Rolle als erste menschliche Auferweckungszeugin, als Apostelin der Apostel, präludiert.
Was mit dem Engel als himmlischem Zeugen angehoben hat, wird sich in Maria Magdalena als irdischer Zeugin fortsetzen. Das leuchtende Kleid des Engels korrespondiert mit dem hellen, weitärmeligen Obergewand der Jüngerin. Sie hat – ob wissend oder unwissend – mit der Bewegung ihres Körpers bereits Anteil am Auferstehungsleben, während die dritte Maria vielleicht das »Er ist nicht hier!« wahrnimmt, aber noch nicht das »Er ist auferweckt worden!« hören kann. In der unterschiedlichen Handhaltung der mittleren Maria mag sich eben diese Spannung zwischen der Auferweckungsbotschaft und der sichtbaren, mit Händen zu greifenden Abwesenheit des Gekreuzigten aussprechen ...
Für die Augenzeuginnen des leeren Grabes ist die Nachricht von der Auferweckung des Nazareners nicht weniger unfassbar als für die LeserInnen von Mk 16,1-8 in jeder neuen Gegenwart, also auch für uns heute. Sie und wir haben ›nur‹ das Wort des Engels – mündlich jene und schriftlich wir. Dieses Wort gilt es zu wiederholen, zu verstehen und zu bewähren, bis Gott selbst es endgültig bewahrheitet.
Der sichtbaren Leerstelle im Grab entspricht in Elsheimers »Die drei Marien am Grabe Christi« die nachlesbare Textstelle in der Bibel. Das Wort der Bibel steht im Bild. Es ist zu sehen, nicht nur zu hören. Es ist zum Bildwort geworden. Und das Bild ist als Lese- und Hörbild bei uns im Wort – in diesem Fall am Ende des Markusevangeliums. Mehr als diesen Bibeltext hatte der Maler Elsheimer auch nicht, um die Auferstehungsbotschaft ins Bild zu setzen. Das Wort steht wie im Text so im Bild. Gewiss: »Die einzige Sicherung, die der Glaube verträgt, ist das Wort Gottes selbst.« (26) Das aber kann gemalt werden, ja es malt sich uns selbst vor Augen.
Zu Beginn des vierten Jahrhunderts bittet Konstantia, die Schwester Kaiser Konstantins, Eusebius von Cäsarea um ein Christusbild. In einem nur fragmentarisch erhaltenen Brief, der zu den wichtigsten Dokumenten der ikonoklastischen Synode von Hiereia im Jahr 754 gehört, antwortet Eusebius, indem er zunächst die grundsätzliche Unmöglichkeit entfaltet, Gott in einem Bild abzubilden, um dann im letzten Fragment mit einem gewichtigen Zugeständnis zu schließen: »Wenn ihr aber selbst zu allem Überfluss vor der zukünftigen Schau [Gottes] ›von Angesicht zu Angesicht‹ und auch dem Anblick unseres Retters die Bilder hochschätzt, wen hätten wir dann eher als guten Maler als das Wort Gottes selbst?« (27) Wenn aber das Wort Gottes selbst bildproduktiv ist, wie kann es dann per se einen Gegensatz zwischen Wort und Bild geben und warum sollte dies nur ein Malen mit Buchstaben und nicht auch mit Farben sein?!
Werfen wir zur Veranschaulichung der bilderzeugenden Kreativität des Gotteswortes einen kurzen Seitenblick auf eines der bekanntesten Bilder der Reformationszeit, nämlich die von Lucas Cranach d. Ä. gemalte Predella des Reformationsaltars in der evangelischen Stadt- und Pfarrkirche St. Marien in der Lutherstadt Wittenberg (28). Sie zeigt Martin Luther als Prediger im Gegenüber zu seiner Gemeinde:
Luthers linke Hand liegt auf dem aufgeschlagenen Bibeltext, den er auslegt. Die rechte weist mit ausgestrecktem Zeige- und Mittelfinger auf das Bild hin, das das von ihm zu Gehör gebrachte Schriftwort selbst malt: den Gekreuzigten. Luthers Haltung ist ganz und gar Hin-weis auf das, was sich im Hören des Schriftwortes, in das sich das Gotteswort eingeschrieben hat, als Vorstellung einstellt. Das Wort Gottes selbst ist bildschöpferisch. Es drückt dem hörenden Herzen Gedächtnisbilder ein. Eben diese Bilderproduktion des Wortes ist eines der zentralen Argumente Luthers gegen die radikale Abschaffung aller äußeren Bilder:
»So weiß ich auch gewiß, daß Gott will haben, man solle seine Werke hören und lesen, sonderlich das Leiden Christi. Soll ichs aber hören und gedenken, so ist mirs unmöglich, daß ich nicht in meinem Herzen sollte Bilder davon machen. Denn ich wolle oder wolle nicht, wenn ich Christum höre, so entwirft sich in meinem Herzen ein Mannsbild, das am Kreuze hänget [...]. Ists nun nicht Sünde, sondern gut, daß ich Christi Bild im Herzen habe; warum sollts Sünde sein, wenn ichs in Augen habe?« (29)
Es ist deutlich, warum ein so entworfenes (Christus-)Bild nicht im Widerspruch zum Bilderverbot steht: Hier sind nicht die Hörer oder Leserinnen des Schriftwortes die BildermacherInnen. Hier wird kein Gott(essohn) ins Bild gefasst (30) und damit begreifbar gemacht. Vielmehr wirkt die bildproduktive Kraft des Wortes, indem es vernommen wird. Genauer noch: die Bilder entwerfen sich beim Hören oder Lesen des Wortes im Herzen und damit im Personzentrum des Menschen gleichsam selbst. Der hörende oder lesende Mensch kann sich ihnen nicht entziehen.
Was das Wort ins Herz malt, stellt Cranach ins Zentrum des gottesdienstlichen Geschehens – und zwar als ein lebendiges Bild, das sich jeder De-finition und Verfügbarkeit entzieht: Die überdimensional großen Enden des Lendentuches Jesu wehen im weiten Kirchenraum zwischen dem Reformator und seiner Gemeinde, als würden sie vom Geist Gottes, der den Gekreuzigten auferweckt hat, bewegt. Es ist kein totes Bild, das das (ausgelegte) Wort Gottes malt. Und es ist nicht das Bild eines Toten. Das kräftig flatternde Lendentuch wird zum Zeugnis der Auferweckung von den Toten. Die viva vox Evangelii malt ein lebendiges Bild.
Wo der angelus interpres auf Elsheimers Osterbild, der sich mit seiner Linken wie Luther auf das Schriftwort stützt, mit seiner Rechten ins geöffnete leere Grab und damit indirekt auf den entzogenen Auferweckten verweist, zeigt die rechte Hand des Reformators auf das Bild des Gekreuzigten, in das Spuren der Auferweckung eingezeichnet sind. Und auch der Kleider zum Wehen bringende Windhauch des Gottesgeistes verbindet beide Bilder miteinander: Bei Cranach hat er das Lendentuch Christi erfasst, bei Elsheimer die Gewandärmel des Gottesboten und Maria Magdalenas. Beides sind andeutende Hin-weise darauf, dass der Gekreuzigte lebt.
Adam Elsheimer hat sich nicht damit begnügt, die markinische Erzählung von den drei Frauen am Grab zu inszenieren, sondern hat diese Erzählung in der Fassung der Vulgata auch seinem Bild eingeschrieben und damit jede bloße Abbildung der Erzählung, die diese stillstellen würde, aufgebrochen. Das Zitat des biblischen Textes auf der Grabplatte stört die vertraute Chronologie empfindlich, weist es doch auf ein Zuvor des Wortes hin. Die Erzählzeit kommt der erzählten Zeit zuvor. Die Auferweckungsbotschaft war bereits dem Deckel des geschlossenen Sarkophags eingeschrieben. War sie es, die das Grab geöffnet hat?
Mag diese Frage auch zu verwegen sein – das Verhältnis von Wort und Bild hat sich durch die Gravur nicht einfach verdoppelt. Vielmehr öffnet die Eingravierung des biblischen Textes auf die Grabplatte, die ihrerseits aus dem Bild herausragt und so aus ihm hinausweist, diese Inszenierung von Mk 16,1-7(8). Sie verhindert so eine fest-stellende Einbildung und zeitlose Sicherung und damit Verfügbarkeit des Gotteswortes zugunsten einer beziehungsreichen Korrespondenz von (Schrift-)Wort und Bild, die im Bild das Bilderverbot achtet.
»Gerettet wird das Recht des Bildes in der treuen Durchführung seines Verbotes.« heißt es in der »Dialektik der Aufklärung«. Es gibt eine Treue zum Bilderverbot, die sich in Bildern ausspricht – in Bildern, die nichts feststellen, sondern in Bewegung sind, dialektische Bilder, in denen sich die Prozesse, die in ihnen zu einer Momentaufnahme geronnen sind, selbst aussprechen und so neu in Bewegung geraten.
Indem Adam Elsheimer den biblischen Text im doppelten Zitat mit Vers 7, mit der Botschaft des Engels, enden lässt, öffnet er die biblische Erzählung von den Frauen am offenen und leeren Grab des Gekreuzigten. Elsheimer kommt damit so auf die Vergangenheit der drei Frauen zurück, dass ihre Flucht, ihre Angst, ihr Entsetzen und ihr furchtsames Schweigen, wovon der folgende Vers (Mk 16,8) berichtet, noch nicht geschehen sind und darum – wie in der Fortschreibung des ursprünglichen Evangeliumsschlusses (16,9ff.) – nicht das letzte Wort haben können. Der nicht zu Ende zitierte biblische Text baut eine Brücke zwischen Bildinnen- und Bildaußenraum. Die drei Marien können aus dem Bild heraustreten, um je ihren eigenen Weg mit der Botschaft des Engels und mit dem abwesend-gegenwärtigen Auferweckten zu gehen. Elsheimer schreibt keine ihrer drei Haltungen fest. Und die Lesenden können in den Leibraum des Bildes eintreten und mit den Marien am geöffneten Grab für sich die Osterbotschaft des Bildes wahr und in Anspruch nehmen, um ihre eigene Antwort darauf zu finden. Es ist und bleibt aber das Wort (der Schrift), das dieses Bild begehbar und verstehbar, es zugänglich und verlässlich zugleich macht.
Vortrag anlässlich der Verleihung des 8. Förderpreises der Marga Bührig-Stiftung am 19. Oktober 2007 im Stadthaus zu Basel.
(1) Finden macht das Suchen leichter, München/Wien 2004, 13.123.
(2) Hartmut Namislow, Neukirchener Verlagshaus.
(3) MAGDALENE L. FRETTLÖH/HANS PETER LICHTENBERGER (Hg.), Gott wahr nehmen. Festschrift für Christian Link zum 65. Geburtstag, Neukirchen-Vluyn, 2. Aufl. 2002.
(4) Matthäus 6,28.
(5) Vgl. die eindrückliche Biographie: JAMES E.B. BRESLIN, Mark Rothko. Eine Biographie. Aus dem Amerikanischen von Elisabeth Schneider, Klagenfurt 2001.
(6) ELIAS CANETTI, Das autobiographische Werk: Die gerettete Zunge. Geschichte einer Jugend – Die Fackel im Ohr. Lebensgeschichte 1921-1931 – Das Augenspiel. Lebensgeschichte 1931-1937 (Einbändige Lizenzausgabe Zweitausendeins), Frankfurt a.M. 2001, 440f.; vgl. dazu MAGDALENE L. FRETTLÖH, Gott Gewicht geben. Bausteine einer geschlechtergerechten Gotteslehre, Neukirchen-Vluyn 2006, 239-243.
(7) Ausstellung »The Guggenheim Collection« vom 21. Juli 2006 bis 7. Januar 2007 in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn.
(8) Das Coverbild von M.L. FRETTLÖH, Gott Gewicht geben; siehe dazu aaO., 329-336.
(9) Gottes aufgedecktes Antlitz. Entdeckungen in christologischen Bildwelten, Neukirchen-Vluyn 2008.
(10) Eine feministische Autobiographie, Stuttgart 21987.
(11) Vgl. etwa MARGA BÜHRIG, »Ich-Sagen« in der Öffentlichkeit (1976), abgedruckt in: DIES., Spät habe ich gelernt, aaO., 246-248.
(12) Siehe aaO., 255.
(13) Vgl. Genesis 32,27; dazu M.L. FRETTLÖH, Gott Gewicht geben, aaO., 15-53.
(14) Wallraf-Richartz-Museum Köln, 1. Juli bis 2. Oktober 2005.
(15) ROLAND KRISCHEL/GIOVANNI MORELLO/TOBIAS NAGEL (Hg.), Ansichten Christi. Christusbilder von der Antike bis zum 20. Jahrhundert, Köln 2005, 48f. (Bonn, Rheinisches Landesmuseum, Inv.-Nr. G.K. 68). Vgl. auch RÜDIGER KLESSMANN, Im Detail die Welt entdecken. Adam Elsheimer 1578-1610, Frankfurt a.M. 2006, 84f.
(16) Vgl. etwa SILVIA SCHROER, Du sollst dir kein Bildnis machen oder: Welche Bilder verbietet das Bilderverbot?, in: Andreas Hölscher/Rainer Kampling (Hg.), Religiöse Sprache und ihre Bilder: von der Bibel bis zur modernen Lyrik (Schriften aus der Diözesanakademie Berlin, Bd. 14), Berlin 1998, 101-113; ROLF RENDTORFF, Was verbietet das alttestamentliche Bilderverbot?, in: Reinhold Bernhardt/Ulrike Link-Wieczorek (Hg.), Metapher und Wirklichkeit. Die Logik der Bildhaftigkeit im Reden von Gott, Mensch und Natur. Festschrift für Dietrich Ritschl zum 70. Geburtstag, Göttingen 1999, 54-65.
(17) Dazu: CHRISTIAN LINK, Das Bilderverbot als Kriterium theologischen Redens von Gott (1977), in: DERS., Die Spur des Namens. Wege zur Erkenntnis Gottes und der Schöpfung. Theologische Studien, Neukirchen-Vluyn 1997, 3-35; DERS., Gott ist ein Fremdling. Das alttestamentliche Bilderverbot ist ein Garant der Freiheit, in: Zeitzeichen 3/6 (2002), 26-29; MICHAEL WEINRICH, Die Wahrheit des Bilderverbotes. Historische und theologische Aspekte, in: JÖRG SCHMIDT (Hg.), Von den Bildern befreit zum Leben. Wahrheit und Weisheit des Bilderverbotes (Reformierte Akzente 6), Wuppertal 2002, 17-42.
(18) Landeskirchlicher Liederteil der Ausgabe des Evangelischen Gesangbuchs für die Evangelische Kirche im Rheinland, die Evangelische Kirche von Westfalen, die Lippische Landeskirche u.a., Gütersloh/Bielefeld/Neukirchen-Vluyn 1996.
(19) ROLAND KRISCHEL, Ansichten Christi – Aspekte einer Ausstellung, in: R. KRISCHEL/G. MORELLO/T. NAGEL (HG.), Ansichten Christi, aaO., 19-24, 21.
(20) R. KLESSMANN, der gegenwärtig wohl profundeste Elsheimer-Kenner, sieht dagegen eine Maria Magdalena, »die mit anklagender Gebärde Auskunft über das leere Grab verlangt«, die ihr dann prompt auch vom Engel erhält, »der sich zur Erklärung des Geschehens auf die Steinplatte mit dem Markus-Evangelium stützt« (Im Detail die Welt entdecken, aaO., 84). Würde diese Deutung aber nicht voraussetzen, dass sie ihren Blick auf den Engel, von dem sie Antwort erwartet, statt ins leere Grab richtet? Und müsste nicht ihre Hand nach oben geöffnet sein, wenn es sich um eine den Gottesboten direkt adressierende und seine Erklärung provozierende Geste handeln soll?
(21) Wenn HEINRICH WEIZSÄCKER seine Bildbetrachtung mit »Die Trauer der Frauen am Grabe Christi« (Adam Elsheimer – Der Maler von Frankfurt. Zweiter Teil: Beschreibende Verzeichnisse und geschichtliche Quellen, Berlin 1952, 75) überschreibt, dann gilt dieser Titel für Maria Magdalena doch nur bedingt. Allemal ebnet er die sprechenden Differenzen in der Haltung der drei Frauen ein. Auch WILLI DROST spricht von der »Gruppe der drei klagenden Frauen am Grabe Christi« (Adam Elsheimer und sein Kreis, Potsdam 1933, 73).
(22) Dies ist nicht abwegig, weil sich in Elsheimers Bild ein deutlich identifizierbares Zitat aus dem Johannesevangelium findet: In der Mitte des rechten Bildrandes – unmittelbar über der sich zum Grab beugenden Maria Magdalena – hat Elsheimer in den Eingang zur Höhle, der den Blick auf eine hügelige Landschaft und einem vom Morgenlicht erhellten Himmel freigibt, Petrus und den Lieblingsjünger gestellt und damit Joh 20,2ff. zitiert. Dieser Eingang mit den beiden Jüngern liegt genau in der Diagonale, die durch den schrägen Sarkophagdeckel markiert ist. Es zeigen sich also auch hier in Elsheimers Bild Spuren einer kanonischen Exegese. Warum soll dies nicht auch für die drei Marien gelten?
Dass die beiden Jünger im Hintergrund bleiben, zeigt zugleich noch einmal das Gewicht, das Elsheimer (der Tradition von) den Frauen am Grab Christi und ihrer Bedeutung für die Auferweckungsbotschaft beimisst. Während die beiden Jünger in den dunklen Farben der Grotte gemalt sind, leuchten die farbenfrohen Gewänder der Frauen im Bildvordergrund.
(23) R. KRISCHEL, Ansichten Christi, aaO., 49.
(24) Diese eindrückliche Gesten-Komposition unmittelbar oberhalb der ver-rückten Grabplatte und in der leicht nach rechts verschobenen Bildmitte bedürfte – nicht zuletzt, was die Möglichkeit von Bildzitaten betrifft – einer eigenen Interpretation. Zur theologischen und kunstgeschichtlichen Interpretation christlicher Gesten vgl. KLAAS HUIZING, Handfestes Christentum. Eine kleine Kunstgeschichte christlicher Gesten, Gütersloh 2007.
(25) R. KLESSMANN, Im Detail die Welt entdecken, aaO., 84. Während Maria Magdalenas Blick ins leere Grab geht, scheint der Engel sie anzuschauen, richtet also offenbar seine Auferweckungsbotschaft primär an diese Jüngerin.
(26) DIETRICH BONHOEFFER, Vorlesung »Christologie« (Nachschrift), in: DERS., Berlin 1932-1933 (DBW 12), hg. von Carsten Nicolaisen/Ernst-Albert Scharffenorth, Gütersloh 1997, 279-348, 346.
(27) Der lateinische Wortlaut des Textes findet sich etwa bei HERMAN HENNEPHOF (Hg.), Textus Byzantinos ad iconomachiam pertinentes. In usum academicum, Leiden 1969, 42-44.
(28) ALBRECHT STEINWACHS, Evangelische Stadt- und Pfarrkirche St. Marien Lutherstadt Wittenberg. Fotographien von Jürgen M. Pietsch, Spröda 2000, 38f.
(29) MARTIN LUTHER, Wider die himmlischen Propheten, von den Bildern und Sakrament (1524/25), in: DERS., Der Kampf gegen Schwarm- und Rottengeister (Martin Luther Ausgewählte Werke 4), hg. von H.H. Borcherdt/Georg Merz, München 21937, 95-258.372-375., 117f. (Hervorhebung M.L.F.).
(30) Vgl. Eg 657,3.
(31) MAX HORKHEIMER/THEODOR W. ADORNO, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente (1944/1969), in: TH.W. ADORNO, GS 3, Frankfurt a.M. 1997/Darmstadt 1998, 40.
Zitierempfehlung:
Magdalene L. Frettlöh, Das ausgemalte Bilderverbot. Ein geschlechtertransparenter Deutungsversuch mit autobiographischen Pinselstrichen (2007), http://www.reformiert-info.de
Dr. Magdalene Frettlöh ist Rektorin des Kirchlichen Fernunterrichts der Föderation Evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland in Magdeburg und Privatdozentin für Systematische Theologie an der Evang.-theol. Fakultät der Ruhr-Universität Bochum.
2008 erscheint beim Neukirchener Verlag:
Magdalene L. Frettlöh
Gottes aufgedecktes Antlitz.
Entdeckungen in christologischen Bildwelten
Paperback - ca. 350 Seiten
ISBN: 978-3-7887-2289-0
Preis: ca. 29,90 €[D]
Magdalene L. Frettlöh, Das ausgemalte Bilderverbot - als WORD-Datei zum Download