Ich war von der Kinokritik meines Haussenders Radio Eins so angetan, dass ich beschloss, mir "Schattenstunde" so bald als möglich anzusehen. Also ging ich in den Winterferien mit meinem Bruder (einem Religionslehrer) ins "Klick" in Charlottenburg. Es wurde ein herausragendes cineastisches Ereignis, allerdings kein angenehmes: Wer schaut schon gern Leuten beim Sterben zu?
Der Film beginnt mit einem Gespräch im Reichssicherheitshauptamt: Adolf Eichmann stellt Jochen Klepper vor die Wahl zwischen Beruf und Ehe. Der Ausreiseantrag für seine jüdische Frau und deren Tochter ist abgelehnt, obwohl Schweden die Einreise der Tochter bereits genehmigt hatte.
Der Film basiert auf Tagebucheintragungen des christlichen Autors, dem wir unter anderem das - im Film mehrstimmig vorgetragene - Lied "Die Nacht ist vorgedrungen" verdanken.
Nach Hause gekehrt, teilt Klepper seiner Frau und Stieftochter die nun endgültige Ablehnung mit. Ein Jahr der Ungewissheit, des Hoffens und Bangens, ist damit vorüber, und die Entscheidung zum Freitod lange getroffen: Es ist die einzige Freiheit, die ihnen noch bleibt, und es ist die einzige Möglichkeit, zusammen zu bleiben.
Der Freund von nebenan wird damit konfrontiert - unmittelbar, nachdem jüdische Nachbarsleute abgeholt worden sind. Er kann es nicht fassen und muss es doch akzeptieren, dass die Familie sich der Willkür und Gewalt der Nazis durch Selbsttötung entziehen will; ihm werden die Tagebücher und andere wichtige Dokumente anvertraut.
Die stärkste Konfrontation aber ist die Kleppers mit der Stimme des eigenen Gewissens, das sich immer wieder - filmisch sehr gekonnt inszeniert - zu Wort meldet und den tiefgläubigen Christenmenschen (dessen Frau und Tochter seinen Glauben übrigens teilen) bis zum Zerreißen attackiert.
Schon das ist - bei aller Spannung - schwer auszuhalten. Wenn dann aber Schritt für Schritt (während das Zimmer zu einer winzigen Zelle schrumpft) der Selbsttötungsplan in die Tat umgesetzt wird, dann wurde es mir nahezu unerträglich, dabei zu bleiben. Doch es gab kein Entrinnen aus der Szenerie - seit "Schindlers Liste" habe ich nicht mehr so schwere Kinokost verabreicht bekommen.
Wer sich jetzt traut, den Film dennoch anzuschauen, darf etwas tief Bewegendes erwarten.