Im Technikmarkt: Auf der Suche nach einem Geschenk zur Konfirmation schlägt mir meine Jugendzeit entgegen: Radiowecker wie damals. Retro ist in. Wer up to date sein will, schaut zurück. Dem kann ich mich nicht entziehen, denke an Erdbeertee und den handgestrickten Pullunder mit Friedenstaube. Ich weiß sofort, welchen Radiowecker ich möchte. Indes, welcher Wecker wäre ein trendiges Geschenk für einen 14jährigen Konfirmanden?
In der Kirche: Ein alter Schriftzug wirbt für ein nagelneues Buch, die Kopie eines 450 Jahre alten Covers für einen Vortragsabend mit Powerpoint-Präsentation: „Catechismus Oder christlicher Underricht“. Mit Historismus pur kommt das Reformationsjubiläum daher. Alte Texte sind neu aufgelegt, ihre Präsentation mit Hinweisen auf die Entstehungsgeschichte erfolgt mit der Anmerkung, wie zukunftsweisend sie seien. Ist das nicht etwas Altbacken? Der Radiowecker belehrt eines Besseren: Nennt es retro, dann ist es trendy. Wow. Was hat die christliche Tradition nicht alles zu bieten im Retro-Look. Die Jahreslosung 2013 etwa sucht die zukünftige Statt. Diese ist im Bild gesprochen das goldene Jerusalem: eine ganze Stadt im Retro-Design.
Zugegeben, diese Kategorisierung des Religiösen kommt etwas salopp daher. Nostalgisch ist beim Retro-Style erst einmal nur die äußere Form. Das Innere jedoch, etwa der Motor im New Beetle, ist auf dem modernsten Stand der Technik.
Der Katechismus darf also seine alte Wortform bewahren, der Inhalt allerdings verlangt eine neue Auslegung. Das ist manchmal gar nicht so schnell gemacht und zeigt damit einen Pluspunkt des Retro: die Entschleunigung. Ein Beispiel: Das Wort „Trost“ in HK 1 wird zwar auswendig gelernt, muss in seiner Tragweite aber erklärt werden mit Begriffen wie „Lebensgrundlage“, „Vertrauensbasis“ oder „Zuversicht“. Irritiert muss ich feststellen: Innerlich bin ich schon so retro, dass „Trost“ mir mehr zusagt als „Vertrauensbasis“. „Retro ist ein Seelentröster“ schreibt Oliver Herwig in der SZ ☺:-). Für wahr, aber klar ist auch: Trost darf kein Zutexten sein.
Am Retro im Design haftet ein matter Schimmer. Es spiegelt den „Zauber eines längst verblichenen Glanzes“. In der Ästhetik überlebt, was die Politik aufgegeben hat: „die Euphorie eines Aufbruchs, der Glaube an die Möglichkeit eines Wandels, an Zukunft“, so Niklas Maak in der FAZ.
Den Glauben an eine bessere Zukunft, sprich die Vision einer neuen Erde, aufgeben, das will das theologische Retro auf keinen Fall. Doch der Charme des Nostalgischen verbirgt nicht, dass die Euphorie des Aufbruchs in der Kirche abgeflaut ist. Nüchtern tröstlich kommt da eine historische Analyse daher: Die Geschichte der Kirche verlaufe im Wechselspiel von „Retro und Revolte“, meint Stefan Klöckner, Professor für Liturgik: Mal Morgenglanz der Ewigkeit, mal Bildersturm.
Retro plus Revolte, das soll mein Geschenk zur Konfirmation präsentieren: eine iClock im 70er Jahre Retro-Look plus Kartengruß: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“