Matthäus 4, 1-4
1 Da ward Jesus vom Geist in die Wüste geführt, auf daß er von dem Teufel versucht würde. 2 Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. 3 Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, daß diese Steine Brot werden. 4 Und er antwortete und sprach: Es steht geschrieben (5. Mose 8,3): „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes geht.“
Matth. 4,1. „Da ward Jesus vom Geist in die Wüste geführt.“ Aus zwei Gründen zog Christus sich in die Wüste zurück: einmal wollte er aus dem vierzigtägigen Fasten wie ein neuer Mensch, ja, wie ein himmlischer Mensch hervorgehen, um sein Amt auszuführen; zum zweiten konnte er sich nur zu einem so schweren wie auch herrlichen Amt rüsten, wenn er sich in Versuchungen bewährt und gleichsam seine Rekrutenzeit durchstanden hatte. Wir wissen also, daß Christus, vom Geist geführt, die Gemeinschaft der Menschen verlassen hat, um als größter Lehrer der Gemeinde und als Gesandter Gottes wiederzukommen. So war er mehr ein Gesandter aus dem Himmel als einer, der in irgendeiner Stadt und der allgemeinen Menschenmenge aufgewachsen war. So entführte Gott den Mose, als er durch seine Hand das Gesetz verbreitet haben wollte, auf den Berg Sinai und nahm ihn, den Blicken des Volkes entzogen, gewissermaßen in das himmlische Heiligtum hinein (vgl. Exod. 24, 12). Christus sollte dann zum mindesten nicht mit weniger herrlichen Zeichen der göttlichen Gnade und Kraft leuchten als Mose, damit die Majestät des Evangeliums nicht niedriger stehe als die des Gesetzes. Denn wenn der Herr die Lehre, die zum Tod führte, einer solch seltenen Ehre würdigte, wieviel mehr Ehre verdient dann die Verkündigung des Lebens! Und wenn das Schattenbild Gottes nur Licht enthielt, in welch vollem Glanz muß sein Angesicht dann leuchten, wenn es im Evangelium sichtbar wird! Das war auch der Zweck des Fastens. Denn Christus enthielt sich nicht des Essens und Trinkens, um einen Beweis seiner Enthaltsamkeit zu geben, sondern um mehr Vollmacht zu gewinnen, wenn er, dem allgemeinen Menschenlos enthoben, gleichsam wie ein Engel aus dem Himmel und nicht wie ein Mensch von der Erde auftauchte. Denn diesen Sinn hatte die Tugend seiner Enthaltsamkeit, daß er keine Speise kostete, zu deren Aufnahme ihn nicht der Hunger getrieben hätte, wenn er nicht im Fleisch gewesen wäre. Darum war es reine Torheit, ein vierzigtägiges Fasten einzurichten, um darin Christus nachzuahmen. Denn wir haben heute nicht mehr Grund dazu, dem Beispiel Christi zu folgen, als einst die heiligen Propheten und anderen Väter unter dem Gesetz Grund hatten, Mose mit seinem Fasten nachzuahmen. Aber wir wissen, daß so etwas niemandem eingefallen ist. Nur Elia legte Gott aus beinahe dem gleichen Grund ein Fasten im Gebirge auf; er war der Diener dazu, das Gesetz zu erneuern. Die Leute, die heute vierzig Tage lang täglich fasten, stellen sich vor, sie folgten damit Christus nach. Sie stopfen sich den Magen beim Frühstück so voll, daß sie mühelos die übrigen Mahlzeiten ohne Nahrungsaufnahme übergehen können. Worin soll dann ihre Ähnlichkeit mit dem Sohn Gottes bestehen? Die Alten pflegten eine größere Genügsamkeit, aber auch das hatte nichts mit dem Fasten Christi gemein oder nicht mehr, als die Enthaltsamkeit der Menschen der Bedürfnislosigkeit der Engel gleicht. Dazu kommt, daß weder Christus noch Mose einmal im Jahr ein feierliches Fasten durchführten, sondern beide taten es nur einmal in ihrem ganzen Leben. Wenn die Leute mit diesen Albernheiten doch nur spielten, wie es Affen tun, aber sie treiben einen gottlosen, abscheulichen Spott mit Christus, wenn sie versuchen, sich mit ihrem lügnerischen Fasten seiner Regel anzupassen! Am dunkelsten wird der Aberglaube, wenn sie sich einreden, es sei ein verdienstvolles Werk und ein Teil der Frömmigkeit und Gottesverehrung. Diese Schändung Gottes ist in keiner Weise tragbar; sie stellen sein einzigartiges Wunder in den Schaden. Zweitens versündigen sie sich an Christus, indem sie ihm wegnehmen, was ihm in besonderer Weise gehört, und sich seine Ehrenzeichen anstecken. Drittens tun sie dem Evangelium Unrecht, dem man seine ungewöhnliche Glaubwürdigkeit entzieht, wenn man das Fasten Christi nicht als sein Siegel anerkennt. Gott tat ein einzigartiges Wunder, wenn er seinen Sohn der Notwendigkeit des Essens entnahm. Wer das gleiche aus eigener Kraft zu vollbringen sucht, wetteifert der nicht in wahnwitziger Tollkühnheit mit Gott? Christus wurde durch das Fasten mit göttlicher Herrlichkeit ausgezeichnet. Wird er nicht um seine Herrlichkeit betrogen und mit uns auf eine Stufe gestellt, wenn sich alle sterblichen Menschen ihm als Genossen zugesellen? Mit diesem Fasten Christi wollte Gott das Evangelium versiegeln. Wer es einem andern Zweck unterordnet, schmälert der nicht ebenso die Würde des Evangeliums? Darum soll sich dieser falsche Ehrgeiz packen, der sowohl den Plan Gottes als auch die ganze Folge seiner Werke umkehrt! Im übrigen spreche ich nicht über Fasten im allgemeinen, dessen häufigeren Gebrauch bei uns ich wohl wünschte, sofern es rein ist. Hingegen mußte gezeigt werden, was die Absicht von Christi Fasten war. Nun nimmt Satan das Hungern Christi zum Anlaß, ihn zu versuchen, was ein wenig später breiter erzählt wird. Jetzt müssen wir erst ganz allgemein sehen, warum Gott ihn versuchen wollte. Denn sicherlich meinen die Worte des Matthäus und Markus, daß Gott ihn absichtlich in diesen Kampf verwickelte, denn sie sagen, er wäre dazu vom Geist in die Wüste geführt worden. Für mich steht fest, daß Gott in der Person seines Sohnes wie in einem hellen Spiegel zeigen wollte, wie feindlich und mißgünstig der Widersacher Satan dem menschlichen Heil gesinnt ist. Denn woher kommt es, daß er Christus so heftig angreift und in diesem Augenblick all seine Kraft und Leidenschaft gegen ihn entwickelt, wie es die Evangelisten schildern, wenn nicht daher, daß er sieht, wie sich Christus auf Geheiß des Vaters anschickt, die Menschen zu erlösen? Darum griff er damals in der Person Christi unser Heil an, wie er täglich die Diener der gleichen Erlösung feindselig verfolgt, deren Ursprung Christus ist. Weiter ist zu beachten, daß der Sohn Gottes sich den Versuchungen, um die es sich jetzt handelt, aus freien Stücken unterzog und mit dem Teufel gewissermaßen im Nahkampf stritt, damit er durch seinen Sieg uns den Triumph verschaffe. Darum wollen wir, immer wenn uns der Satan angreift, daran denken, daß seine Anläufe nicht anders ausgehalten und abgefangen werden können, als indem wir diesen Schild vorhalten. Denn natürlich erlitt der Sohn Gottes die Versuchung auch deshalb, damit er ins Mittel treten könne, sooft der Satan bei uns irgendeinen Versuchungskampf anregt. Wir lesen nichts von einer Versuchung, als er noch zurückgezogen zu Hause lebte, aber als er sein Erlöseramt antrat, stieg er im Namen seiner gesamten Gemeinde in die Arena hinab. Wenn Christus auf diese Weise auch die Versuchung für alle Gläubigen erlitt, so wissen wir doch, daß die Versuchungen, die uns widerfahren, nicht zufällig oder nach dem Belieben Satans ohne die Zustimmung Gottes entstehen, sondern daß Gottes Geist unsere Kämpfe lenkt, mit denen unser Glaube geschult wird. Daraus dürfen wir die gewisse Hoffnung schöpfen, daß Gott als der höchste Kampfrichter uns nicht vergessen wird und unseren Schwierigkeiten zu Hilfe kommt, wenn er sieht, daß wir ihnen nicht gewachsen sind. Ein wenig anders klingen die Worte des Lukas: Jesus sei voll Heiligen Geistes vom Jordan zurückgekehrt. Das heißt, er wurde dort mit einer reicheren Gabe und Kraft des Geistes ausgerüstet, um für die Kämpfe, die auf ihn warteten, stärker zu sein. Denn der Geist war nicht vergeblich in sichtbarer Gestalt auf ihn herabgefahren. Zuvor wurde gesagt, die Gnade Gottes habe desto heller in ihm geleuchtet, je mehr die Sache unseres Heiles es erforderte. Doch scheint es auf den ersten Blick unsinnig, daß Christus den Versuchungen des Teufels ausgesetzt war, denn sooft die Menschen Versuchung spüren, muß Sünde und Schwachheit mit im Spiel sein. Ich antworte: Erstens nahm Christus unsere Schwachheiten auf sich, doch ohne Sünde. Zweitens schadete es seiner Herrlichkeit nicht mehr, wenn er Versuchungen ausgesetzt war, als wenn er unser Fleisch annahm. Denn er wurde unter der Bedingung Mensch, daß er zusammen mit dem Fleisch auch all unsere Empfindungen und Gefühle auf sich nehme. Die ganze Schwierigkeit liegt jedoch in der ersten Frage: Wieso konnte Christus mit unserer Schwachheit angetan sein, so daß er den Versuchungen Satans zugänglich war, und doch rein und frei von jeglicher Sünde sein? Die Antwort wird nicht schwer sein, wenn wir daran denken, daß, obwohl Adams Natur unbefleckt war, als noch das reine Bild Gottes in ihr strahlte, sie doch Versuchungen unterworfen war. Das wäre an sich nicht sündhaft gewesen, wenn nicht die Verderbnis dazugekommen wäre, auf Grund deren Satan uns niemals angreift, ohne uns irgendeine Wunde zu schlagen oder uns wenigstens mit irgendeinem Stich zu verletzen. In dieser Hinsicht ist Christus durch die Reinheit seiner Natur von uns unterschieden, obgleich man sich in seiner Lage nichts vorstellen kann, was in Adam gewesen wäre, dem doch nur die Möglichkeit, nicht zu sündigen, gegeben war. Doch wissen wir, daß Christus mit solcher Kraft des Geistes ausgerüstet war, daß die Geschosse Satans an ihm abprallen mußten.
Matth. 4, 3. „Und der Versucher trat zu ihm.“ Der Geist gibt Satan absichtlich diesen Namen, damit sich die Gläubigen um so sorgsamer vor ihm hüten. Daraus ersehen wir auch, daß die Versuchungen, die uns zum Bösen aufstacheln, nur von ihm kommen. Denn wenn es anderwärts heißt, Gott versuche, so hat das einen anderen Grund: er will damit den Glauben der Seinen prüfen, die Ungläubigen strafen oder die Heuchelei derer aufdecken, die der Wahrheit nicht von Herzen gehorchen (vgl. Gen. 22, 1; Deut. 13, 4).
„Daß diese Steine Brot werden.“ Hier haben auch die Alten mit wenig gesicherten Kniffen gespielt. Sie sagten, die erste Versuchung sei zur Schlemmerei gewesen, die zweite zum Ehrgeiz und die dritte zur Habsucht. Aber es ist lächerlich, es als Leidenschaft zur Schlemmerei zu deuten, wenn ein Hungriger Speise begehrt, um seiner Natur Genüge zu tun. Was soll es gar heißen, wenn sie aus dem Brot eine Leckerei machen, so daß einer als allzu verwöhnt angesehen werden muß, der mit trockenem Brot zufrieden ist! Aber wir wollen nicht noch mehr müßige Worte verlieren, da die Antwort Christi deutlich zeigt, daß Satan eine andere Absicht gehabt hat. Der Sohn Gottes war gewiß nicht ein Neuling und unerfahren im Kampf, so daß er die Hiebe des Gegners nicht hätte auffangen können und unbedacht die linke Seite mit seinem Schild geschützt hätte, wenn er auf der rechten angegriffen wurde. Wenn der Satan also versucht hätte, ihn zum Genuß der Schlemmerei zu verlocken, hätte Christus schon Zeugnisse der Schrift zur Hand gehabt, um ihn abzuweisen. Aber er hält ihm nichts dieser Art entgegen, sondern nimmt den Satz auf, daß der Mensch nicht vom Brot lebe, sondern von dem geheimnisvollen Segen Gottes. Daraus schließen wir, daß Satan geradewegs Christi Glauben angegriffen hat, um ihn auszulöschen und Christus dann dazu zu drängen, sich auf unerlaubte und verkehrte Art Nahrung zu suchen. Er griff damals nach dem Herzstück des Glaubens, wenn er zu bewirken versucht, daß wir Gott mißtrauen und uns auf andere Weise versorgen, als das Wort Gottes uns erlaubt. Darum bedeuten die Worte: Du siehst doch, daß Gott dich verlassen hat; darum zwingt schon die Notwendigkeit dich dazu, dich selbst zu versorgen. Beschaff dir also selber Nahrung, wenn Gott sie dir nicht gibt. Wenn er auch die göttliche Macht Christi als Vorwand ins Feld führt, die Steine in Brot verwandeln konnte, so ist er doch nur auf das eine aus: er will, daß Christus von Gottes Wort abfällt und dem Geheiß des Unglaubens folgt. Darum antwortet Christus ihm sehr geschickt, der Mensch lebe nicht vom Brot allein. Er hätte auch sagen können: Du heißt mich, irgendein Hilfsmittel zu suchen, um mir gegen die Erlaubnis Gottes zu helfen. Aber das bedeutet Mißtrauen, zu dem kein Grund ist, solange Gott verheißt, daß er midi ernähren will. Du, Satan, siehst seine Gnade mit dem Brot in eins. Er aber bezeugt das Gegenteil, daß, wenn alle Nahrung fehlt, sein Segen allein genügt, um uns zu ernähren. Nun begreifen wir, welcher Art diese Versuchung war; denn täglich greift uns der Satan so an. Der Sohn Gottes wollte keinen ungewöhnlichen Kampf auf sieh nehmen, sondern er wollte gemeinsame Schlachten mit uns schlagen, damit wir mit den gleichen Waffen gerüstet sind und nicht zweifeln, daß die Siegespalme in unserer Hand ist.
Matth. 4, 4. „Es steht geschrieben.“ Es ist erstens bemerkenswert, daß Christus die Schrift wie einen Schild vor sich hält. Denn das ist die richtige Art zu kämpfen, wenn wir einen sicheren Sieg erringen wollen. Denn nicht von ungefähr nennt Paulus das Wort Gottes ein geistliches Schwert und heißt uns, den Schild des Glaubens zu ergreifen (vgl. Eph. 6, 16f). Daraus sehen wir auch, daß die Papisten, als ob sie mit Satan einen Bund geschlossen hätten, die Seelen in grausamer Weise seiner Lust zum Verderben aussetzen, indem sie die Schrift boshaft unterdrücken und dem Volk Gottes seine Waffen rauben, mit denen allein sie ihr Heil schützen können. Wer eine solche Waffenrüstung freiwillig wegwirft und sich nicht fleißig in der Schule Gottes übt, verdient es, jeden Augenblick vom Satan vernichtet zu werden, weil er sich ihm waffenlos ausliefert. Aus dem gleichen Grund auch herrscht Satan in so unverschämter Weise und reißt überall so viele an sich; Gott rächt sich eben für ihre Gleichgültigkeit und die Verachtung seines Wortes. Nun müssen wir das Wort des Mose untersuchen, das Christus aufnimmt. (Deut. 8, 3). Einige beziehen es fälschlich auf das geistliche Leben, als ob es heiße, daß die Seelen nicht von sichtbarem Brot, sondern vom Wort Gottes ernährt werden. Das ist an sich zwar richtig, doch Mose meinte hier etwas anderes. Während kein Brot zur Verfügung stand, erinnert er an das Manna, mit dem das Volk in außergewöhnlicher Weise ernährt wurde. Gott wollte an diesem Beispiel für alle Zeiten zeigen, daß das menschliche Leben nicht im Brot eingeschlossen sei, sondern von der Zustimmung und dein Wohlgefallen Gottes abhänge. So wird Wort hier nicht als Verkündigung verstanden, sondern als der Beschluß, den Gott kundtat, um die Ordnung der Natur und seine Geschöpfe zu erhalten. Denn die Menschen, die er geschaffen hat, wirft er dann nicht wieder beiseite, sondern er hat ihnen das Leben unter der Bedingung eingehaucht, daß er das Leben, das er einmal geschenkt hat, auch weiterhin erhält. So sagt der Apostel (vgl. Hebr.l, 3), alles werde von seinem mächtigen Wort getragen; das heißt, die ganze Welt lebt aus seiner Zustimmung, und all ihre Teile bleiben in ihrer Ordnung auf seinen Beschluß hin, dessen Allmacht überall Höhen und Tiefen durchwaltet. Obgleich wir uns also von Brot ernähren, so dürfen wir doch nicht annehmen, daß sich das Leben aus der Kraft des Brotes herleitet, sondern es kommt aus seiner geheimnisvollen Gnade, die Gott dem Brot einhaucht, damit es uns ernähre. Daraus folgt auch das andere, daß Gott, der jetzt das Brot zu unserer Ernährung benutzt, es auch anders fügen kann, daß wir leben, wenn es ihm gefällt. Dieses Wort des Mose verurteilt den Stumpfsinn der Leute, die Sattheit und Überfluß mit Leben verwechseln. Zweitens weist es das Mißtrauen und die falsche Besorgnis zurecht, die uns dazu treibt, unerlaubte Mittel zu suchen. Dahin richtet sich im eigentlichen auch die Antwort Christi: Wir sollen Gott in bezug auf Ernährung und die übrigen Hilfsmittel unseres irdischen Lebens so vertrauen, daß keiner von uns die Grenzen überschreitet, die er uns gesetzt hat. Wenn Christus es für Frevel hielt, ohne den Auftrag Gottes aus Steinen Brot zu machen, wieviel weniger dürfen dann wir uns an Hand von Betrug, Raub, Gewalttat und Mord Nahrung verschaffen.
Matthäus 4, 5-11
5 Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels 6 und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben (Ps. 91, 11.12): „Er wird seinen Engel über dir Befehl tun, und sie werden dich auf den Händen tragen, auf daß du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“ 7 Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben (5. Mose 6, 16): „ Du sollst Gott, deinen Herrn, nicht versuchen.“ 8 Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit 9 und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, so du niederfällst und mich anbetest. 10 Da sprach Jesus zu ihm: Gehe weg von mir, Satan! denn es steht geschrieben (5. Mose 6,13): „Du sollst anbeten Gott, deinen Herrn, und ihm allein dienen.“ 11 Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten die Engel zu ihm und dienten ihm.
Matth. 4, 5. „Da führte ihn der Teufel.“ Es macht keinen großen Unterschied, daß Lukas als zweite Versuchung wiedergibt, was bei Matthäus an die letzte Stelle gerückt ist. Denn die Evangelisten verfolgten nicht die Absicht, einen fortlaufenden Geschichtsfaden zu spinnen, so daß sie die Zeitfolge immer genau einhielten, sondern sie wollten die Geschehnisse in ihren Hauptsachen zusammenfassen, um uns wie in einem Spiegel oder einem Bild zu zeigen, was das Wichtigste ist, das man von Christus wissen muß. Welches nun der zweite oder der dritte Kampf war, braucht nicht ängstliches Kopfzerbrechen zu bereiten. In der Auslegung folge ich der Anordnung bei Matthäus. Es heißt, Christus sei auf die Zinne des Tempels gestellt worden. Man fragt, ob er wirklich dahinauf entführt worden ist oder ob es nicht vielmehr in einer Vision geschah. Die meisten bleiben hartnäckig dabei, daß er wirklich und leibhaftig entführt wurde, wie sie sich ausdrücken, denn sie halten es für unwürdig, daß Christus dem Blendwerk Satans ausgesetzt gewesen sein soll. Dieser Einwand wird leicht zerstreut. In der Zustimmung Gottes zu dieser Versuchung und der freiwilligen Unterwerfung Christi liegt nichts Widersinniges, solange wir nicht meinen, er sei innerlich, das heißt in seinen Gedanken und seinem Herzen, angetastet worden. Und wenn es später heißt, alle Reiche der Welt seien Christus in einem Augenblick, wie Lukas schreibt, gezeigt worden, so deutet das eher auf eine Vision. Doch ziehe ich es vor, in einer so zweifelhaften Sache, die man ohne Schaden nicht zu wissen braucht, das Urteil in der Schwebe zu lassen, um nicht streitsüchtigen Leuten Anlaß zum Zank zu geben. Es kann auch sein, daß die zweite Versuchung zeitlich nicht sofort der ersten gefolgt ist und die dritte nicht der zweiten, sondern es ist sogar wahrscheinlicher, daß ein gewisser Zwischenraum sie trennte. Allerdings kann man den Worten des Lukas entnehmen, daß nicht viel Zeit dazwischenlag, denn es heißt, er habe Christus eine Zeitlang in Ruhe gelassen. Hingegen trägt es sehr viel aus, zu wissen, was der Teufel mit dieser Art Versuchung vorhatte; es ist aus Christi Antwort zu ersehen, worauf ich gerade schon hinwies. Um der List seines Feindes zu begegnen und seinen Angriff zurückzuschlagen, hält Christus als Schild vor, man dürfe Gott nicht versuchen. Daraus geht hervor, daß der Anschlag Satans sich dahin richtete, daß sich Christus über das rechte Maß hinaus und grundlos gegen Gott erheben sollte. Bei der ersten Versuchung hatte der Satan geplant, Christus zur Verzweiflung zu treiben, weil ihm der Unterhalt und die gewöhnliche Versorgung fehlten. Jetzt stachelt er ihn zu einem leeren, windigen Vertrauen auf. Er soll die Hilfsmittel, die zur Verfügung stehen, verachten und sich, ohne in Not zu sein, in eine offene Gefahr stürzen und dadurch gleichsam über seine Grenzen gehen. Wie wir noch nicht zu verzweifeln brauchen, wenn uns alles mangelt, denn wir leben im Vertrauen zu Gott, so dürfen wir uns auch keine Helmbüsche aufsetzen, um uns höher zu erheben, als Gott es uns erlaubt. Wir begreifen nun die Absicht Satans: Christus sollte einmal einen Versuch über seine Gottheit anstellen und sich in törichter, gottloser Verwegenheit gegen Gott empören.
Matth. 4, 6. „Er wird seinen Engeln über dir Befehl tun, und sie werden dich auf den Händen tragen.“ Diese Bosheit Satans ist bemerkenswert. Denn er mißbraucht das Zeugnis der Schrift, um das, was Leben bedeutet, Christus zum Tod zu gestalten, und das, was Brot heißt, in Gift zu verwandeln. Auch heute gebraucht er noch täglich den gleichen Kniff. Der Sohn Gottes wollte darum diesen Kampf in seiner Person aufnehmen, um allen Gläubigen zusammen ein Vorbild zu sein, damit sie alle lernen, sich eifrig zu hüten, daß sie nicht dem Satan in die Schlingen gehen, wenn er trügerisch die Schrift anführt. Zweifellos hat der Herr unserem Feind solche Freiheit nur zugestanden, damit wir nicht sicher und gleichgültig sind, sondern aufmerksamer und wacher werden. Im übrigen dürfen wir nicht den verkehrten Menschen ähnlich werden, die die Schrift, weil sie der Satan verfälscht, als zweideutig und dunkel abtun. Denn aus dem gleichen Grund dürfte man keine Speisen mehr zu sich nehmen, um die Gefahr der Vergiftung auszuschließen. Der Satan entheiligt das Wort Gottes und sucht es uns zum Verderben zu verdrehen. Da es uns aber von Gott zum Heil verordnet ist und Gottes Absicht unwiderruflich ist, so liegt es allein an unserer Gleichgültigkeit, wenn uns sein heilsamer Nutzen verlorengeht. Doch bedarf diese Angelegenheit keiner langen Erörterung. Wir müssen nur zusehen, wozu Christus uns an Hand seines Beispiels anweist; das müssen wir dann an Stelle einer Regel befolgen. Ist er etwa dem Satan gewichen, der die Schrift frevelhaft verdrehte? Oder ließ er sich die Schrift, mit der er sich zuvor wappnete, entwinden oder entreißen? Nein, er schlägt die gottlose Verleumdung Satans kräftig zurück, indem er ihm seinerseits die Schrift entgegenhält. Immer wenn also der Satan für seine Ränke die Schrift vorschützt und gottlose Menschen uns unter dem gleichen Vorwand angreifen, um unsern Glauben zu umgarnen, so können wir allein aus der Schrift die Waffen entlehnen, die unseren Glauben schützen sollen. Wenn jene Verheißung vom Schutz der Engel sich auch auf alle Gläubigen erstreckt, so gilt sie doch im besonderen Christus, der das Haupt der ganzen Gemeinde ist und nach seinem Recht auch den Engeln vorsteht; ihnen trägt er unseren Schutz auf. Der Satan lügt also noch nicht, wenn er mit diesem Zeugnis erweist, daß die Kugel Christus zu Dienern gegeben sind, um ihn zu beschützen und ihn auf den Händen zu tragen; aber darin lügt er, daß er den Schutz der Engel auf eine verantwortungslose, unbesonnene Haltung bezieht, der den Kindern Gottes doch nur verheißen wird, wenn sie sich innerhalb ihrer Grenzen halten und auf ihren Wegen wandeln. Wenn der Ausdruck „auf allen deinen Wegen“ (Ps. 91, 11) diese Betonung hat, dann verdirbt und verstümmelt Satan die Weissagung des Propheten in boshafter Art, indem er sie unbesehen und verworren auf ausschweifende Irrwege verdreht. Gott heißt uns, auf unseren Wegen zu bleiben, und dann verheißt er uns auch, die Engel würden unsere Hüter sein. Der Satan nimmt den Schutz der Engel zum Vorwand und fordert Christus auf, sich unbesonnen in Gefahr zu begeben. Er hätte auch sagen können: Wenn du dich gegen Gottes Willen in den Tod stürzt, werden die Engel dein Leben schon beschirmen.
Matth. 4, 7. „Wiederum steht auch geschrieben: Du sollst Gott, deinen Herrn, nicht versuchen.“ Christus antwortet sehr sachgemäß, die Gläubigen dürften nur dann auf die Hilfe Gottes hoffen, die er uns verheißt, wenn sie sich besonnen seiner Führung anheimgeben. Denn wir können uns auf die Verheißungen Gottes nur stützen, wenn wir seinen Befehlen gehorchen. Gott wird auf mancherlei Art versuchen; an dieser Stelle bedeutet versuchen, daß wir die Mittel außer acht lassen, die er uns an die Hand gibt. Denn die Leute, die die Mittel übergehen, die Gott uns empfiehlt, und seine Kraft und Stärke erproben wollen, handeln so, als ob man einem Menschen Arme und Hände abschnitte und ihm dann befehlen würde zu arbeiten. Kurz: jeder, der die göttliche Macht erproben möchte, wo es notwendig ist, der versucht Gott, indem er seine Verheißungen einer unbilligen Prüfung unterzieht.
Matth. 4,8. „Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg.“ Wir müssen im Gedächtnis behalten, was ich zuvor schon gesagt habe, daß es nicht auf Grund einer Schwäche der Natur Christi geschah, daß der Satan ihm die Augen band, sondern auf Grund seiner freiwilligen Anordnung und Zustimmung. Wenn also seine Sinne berührt und gelockt wurden, als er die herrlichen Reiche sah, so kam doch innerlich sein Herz keine Begierde an, wie uns die Lüste des Fleisches zu Dingen verlocken, die uns gefallen. Denn Christus hatte wohl die Sinne mit uns gemeinsam, nicht aber den Hang zur Unordnung. Im übrigen war das Besondere dieser Versuchung, daß Christus das Erbe, das Gott seinen Kindern verheißen hat, nicht von Gott erbitten sollte, sondern von einem andern. Der Teufel kann so frevelhaft tollkühn sein, weil er Gott die Herrschaft über die Erde entrissen und sie in seine Hände gebracht hat. Das ist alles mein, sagt er, und nur auf meine Zustimmung hin kann einer etwas davon besitzen. Heute müssen wir mit der gleichen Unverschämtheit kämpfen, denn jeder einzelne Gläubige erfährt es an sich, und es wird noch deutlicher am gesamten Leben der Gottlosen. Denn wenn wir auch all unsere Hilfsmittel, Reichtümer und Bequemlichkeiten vom Segen Gottes abhängig machen, so kitzeln und locken uns doch zuweilen unsere Sinne, daß wir die Hilfe Satans anstreben, als ob Gott allein uns nicht genügte. Ein gut Teil der Welt spricht Gott das Recht und die Herrschaft über die Erde ab und macht Satan zum Geber aller Güter. Denn woher kommt es sonst, daß sich fast alle üblen Künsten, Räuberei und Betrug zuwenden, wenn sie nicht dem Satan übertragen, was Gott eigen ist, nämlich durch seinen Segen reich zu machen, wenn es ihm gefällt? Zwar bitten mit dem Mund alle Gott um das tägliche Brot, aber auch nur mit dem Mund, weil sie Satan den Reichtum der Welt verteilen lassen.
Matth. 4, 10. „Hebe dich weg von mir, Satan!“ Jesus befiehlt ihm einfach, sich zu packen. Er fährt mit der gleichen Art Verteidigung fort, indem er die Schrift nicht wie einen Schild aus Binsen vorhält, sondern wie einen ehernen Schild. Zum Zeugnis führt er aus dem Gesetz an, Gott allein sei anzubeten und zu verehren. Wieder kann man aus der Anwendung und dem Zusammenhang der vorliegenden Stelle leicht ersehen, was Verehrung Gottes bedeutet und wozu sie dient. Wenn die Papisten die alleinige Anbetung Gottes bestreiten, so weichen sie dieser Stelle und ähnlichen andern mit einer spitzfindigen Lüge aus. Sie geben zwar zu, daß Verehrung im Sinn von Anbetung allein Gott zukomme; aber äußere Verehrung übertragen sie auch auf Tote und deren Gebeine und Bilder. Wenn Christus auch die äußere Verehrung für Gott allein fordert, dann wird dadurch ihre fadenscheinige Unterscheidung der Worte zunichte. Damit werden wir ermahnt, mehr auf die Sache als auf den Ausdruck achtzuhaben, wenn es sich um die Verehrung Gottes handelt. Die Schrift befiehlt also, Gott allein anzubeten. Wir müssen sehen, warum. Wenn der Mensch irgend etwas von der Ehre Gottes abzieht und sie Geschöpfen überträgt, so ist das eine frevelhafte Verletzung des Gottesdienstes. Das geschieht mehr als deutlich, wenn wir so tun, als ob wir unsere Güter von Geschöpfen empfangen, wo doch Gott allein als ihr Spender angesehen werden will. Denn obwohl die Religion eigentlich geistlich ist, so erstreckt sie sich in ihrem äußeren Bekenntnis doch auch auf den Leib. Genauso steht nicht nur die innere Art der Verehrung Gott allein zu, sondern auch ihre äußerlich Bekundung.
Matth. 4, 11. „Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten die Engel zu ihm.“ Lukas führt noch mehr an: Da der Teufel alle Versuchung vollendet halte. Er hätte auch sagen können: Christus hatte nicht eher Ruhe oder Waffenstillstand, ehe er sich nicht auch wirklich in jeder Art von Kampf bewährt hatte. Er fügt noch hinzu, er hätte Christus nur für eine Zeitlang verlassen, damit wir wissen, daß sein übriges Leben nicht völlig von Versuchungen verschont war, sondern daß Gott nur die Macht des Satans beschnitten hat, damit sie Christus nicht zu ungelegener Zeit lästig werde. Genauso pflegt Gott mit all den Seinen zu verfahren. Denn wenn er einmal erlaubt hat, daß wir härter geplagt wurden, schenkt er uns hernach auch etwas Ruhe von der unmäßigen Anstrengung, damit wir uns ein wenig erholen und neue Kräfte sammeln können. Doch nicht deswegen verschont er uns, daß wir uns der Trägheit hingeben, sondern nur dazu, daß wir uns auf neue Kampfe rüsten. Wenn dann folgt: „Die Engel dienten ihm“, so beziehe ich das auf den Trost, den Christus spürte; er wußte, daß Gott Vater ihn schützte und daß er durch seinen starken Schutz gegen den Satan gewappnet war. Denn die Wüsteneinsamkeit hätte seine Traurigkeit noch vermehren können; er erfuhr ja nicht die Liebesdienste von Menschen und lebte unter wilden Tieren, wie Markus ausdrücklich bemerkte. Doch dürfen wir nicht meinen, Christus sei jemals von den Engeln verlassen gewesen. Es sollte hier nur Gelegenheit zur Versuchung gegeben werden. Zuweilen war Gottes Gnade, auch wenn sie gegenwärtig war, ihm für die Sinne des Fleisches verborgen.