Reformiertes Nachbarschaftstreffen: glaubensfröhliche Ruhe und Ethik der Mäßigung

220 Reformierte aus Ostwestfalen und Südwestniedersachsen in Bückeburg

Fürstliches Flair im Schloss barg ein Reformiertentreffen königlich-stattlicher Größe in Besinnung auf die Schätze des reformatorischen Erbes.

Unter dem Zeichen Johannes Calvins, seiner Theologie und seinem Wirken in Genf stand das diesjährige Nachbarschaftstreffen evangelisch-reformierter Gemeinden in Ostwestfalen und Südwestniedersachsen am 1. November in Bückeburg.

Ein Gruß von Fürst Alexander, überbracht von Thomas Krage, Pfarrer der gastgebenden Gemeinde Bückeburg/Stadthagen, und die Klänge der 1840 vom Hofkapellmeister erworbenen Geige stimmten das Nachbarschaftstreffen schon zu Beginn des Gottesdienstes in der Schlosskapelle ein auf ehrwürdige Tradition. Die Schätze im Erbe Calvins ließen im Verlauf des Treffens Klaus Bröhenhorst und Wolfram Kötter in Verkündigung und Ansprache leuchten, während das Theater an der Süsterkirche einen kritischen Scheinwerferblick auf das Genf Calvins warf.

Predigt, die meint, was sie sagt
Dem Ruf „Kirche muss Spaß machen“ stimmte Klaus Bröhenhorst in seiner Predigt zwar zu, in dem Sinne, dass „Menschen bei uns etwas finden können müssen“. Der Wahrheit letzter Schluss sei das „Spaß machen“ jedoch nicht. Im Kontrast dazu erinnerte der Präses des Synodalverbandes X der Evangelisch-reformierten Kirche an das „Aufatmen“ der Reformatoren aus dem Erschrecken und an ihr Bekenntnis aus dem Ringen um „Heil oder Unheil“, „Gericht oder Gnade“, „Erwählung oder Verwerfung“. Für sein eigenes Predigen im Sinne der reformatorischen Tradition ließ sich der Hildesheimer Pfarrer vom Petrus des Predigttextes (Mt 14,28-33) helfen. Jener Jünger Jesu, der „so problematisch ist wie du und ich“ und der später seinen Herrn verleugnete, verteidige sich nicht, er flehe: „Herr, hilf mir!“ (Matthäus 14,30). „Sogleich“ streckte Jesus dem Sinkenden die Hand aus. So bleibt nur noch die Frage, ob dieser Ergreifen könne, nachdem er selbst ergriffen worden sei. Anders als im Handbuch „R4 – so helfe ich mir selbst“ gebe es kein Handbuch „Gott – so helfe ich mir selbst“. Nur der Lügenbaron von Münchhausen habe sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen, aber eben in Lügengeschichten. Im Ohr die „glaubensfröhlichen Ruhe“, die daran keinen Zweifel haben dürfe, dass der Gottessohn uns wirklich helfen kann, so Calvin, verließen rund 200 Gottesdienstbesucher die 600 Jahre alte Schlosskirche. Weiter ging’s im Rathausfestsaal der Stadt. Ein „herrliches Ambiente“ empfing auch hier die Teilnehmer aus den Gemeinden Bielefeld, Bückeburg/Stadthagen, Herford, Melle, Minden, Möllenbeck, Rinteln, Soest und Vlotho.

Entdeckungen bei Johannes Calvin
In seiner Einstimmung auf das Stück des THEATERS an der Süsterkirche, Bielefeld „Idelette … kommt nicht vor“, erinnerte Pfarrer Wolfram Kötter an Calvins Lebensweg und gab dabei den Tipp „Wenn Sie Trostbriefe suchen, stöbern sie mal bei Calvin“. Fünf für die Theologie Calvins prägende Punkte nannte Kötter
die 4-Ämter-Lehre;
die Prädestination als feste Zuversicht für alle Verfolgten auf Erden wenigstens im Reich Gottes sicher zu sein;
die Lehre vom Abendmahl, nach der Christus durch die Kraft des Heiligen Geistes präsent ist - wobei Calvin selbst gesagt habe: „ich erfahre es mehr, als dass ich es begreife“. Das Geheimnis des Abendmahls sei ihm zu erhaben gewesen, um mit Worten ausgedrückt zu werden;
das Widerstandsrecht dort, wo die von Gott eingesetzte Herrschaft missbraucht werde - ein Punkt, an dem Calvin und Bonhoeffer sich nahe kämen;
den Einsatz für die Ökumene, da Gott nichts anderes wolle als die Einheit der Kirche.

Als Entdeckungen, die er selbst in diesem Jahr an Johannes Calvin gemacht habe, nannte Kötter insbesondere
den deutlichen Versuch, den Einklang von Glaube und Tat zu verwirklichen;
die Betonung der persönlichen Verantwortung des einzelnen vor Gott, vor sich selbst, vor anderen;
das Ringen um die Einheit unter Christen,
das Fragen nach dem, was dem Gemeinwohl diene;

dass Calvin ohne Ansehen der Person auch den Mächtigen auf die Finger geschaut und den Dialog mit ihnen gesucht habe;
die Seelsorge des Reformators für Verfolgte und Heimatlose.

In der Spannung von Lustprinzip und Mäßigung
Ein Stück, das der Irritation diene, sei das Sprechtheater „Idelette … kommt nicht vor“, betonte Autor und Regisseur Dr. Fritz U. Krause, Bielefeld. Die Aufführung des Stückes, das den Konflikt zwischen den beiden Kontrahenten Calvin und Servet dramatisiert und die Spannung von Lustprinzip und dem Kampf um Mäßigung zu Gunsten des Gemeinwohls in Genf aufbaut, wurde verstärkt von dem Geschehen in Bückeburg. Die Worte auf der Bühne unterlegte beharrlich die Musik des Jahrmarktes vor dem Rathaus der Stadt.

Dank – Abschied – Lebendigkeit
Zum Abschluss des 37. Nachbarschaftstreffens nahm Pastor Bernhard Speller, Minden die Gelegenheit wahr, Wolfram Kötter als Sprecher des reformierten Konventes ein „riesen Dankeschön“ auszusprechen. 18 Jahre lang hat Kötter als Herforder Pfarrer zum Nachbarschaftstreffen eingeladen. „Kötter rückt den Genfern jetzt näher“, sagte Speller. Der Herforder Pfarrer wechselt im Januar 2010 auf eine Pfarrstelle in Schaffhausen, Schweiz.

In seinem Abschiedswort erinnerte Wolfram Kötter an das Treffen vor sieben Jahren. Angesichts der rund 60 Teilnehmer habe man überlegt, die Nachbarschaftstreffen abzuschaffen. Mit den 220 Reformierten beim Bückeburger-Treffen ist im Calvinjahr ein vorläufiger Höhepunkt erreicht. Ein „deutliches Zeichen“ sei dies, so Kötter: „die reformierten Gemeinden in Südwestniedersachsen und Ostwestfalen sind lebendig“.
Das nächste Treffen ist geplant für Herbst 2010 in Minden.

Die Predigt von Pastor Klaus Bröhenhorst auf www.reformiert-info.de >>>

Fotos (von oben nach unten): Das Bückeburger Schloss - Pfr. Thomas Krage, Bückeburg/Stadthagen - Präses Klaus Bröhenhorst im Gespräch mit Pfr. Wolfram Kötter - Auf der Bühne "Idelette ... kommt nicht vor"


Barbara Schenck
Predigt Matthäus 14,28-33

"Petrus steht dazu. Herr, rette mich. Vorbildlich, dass er so ruft. Nicht schwach, sondern stark. Ein Wirklichkeitsgewinn, ein Lebensgewinn, wie ihn dann alle Jünger hochdogmatisch aussprechen, indem sie zu Jesus sagen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!"