Gottesdienst im Rahmen der Reformierten Predigtreihe zum Thema Weisheit
in der Antoniterkirche, Köln, am Sonntag, 11.3.12
Pfarrerin Claudia Malzahn
7 Geh, iss dein Brot in Freude und trinke frohen Herzens deinen Wein. Denn Gott gefällt seit langem schon, was du tust.
8 Zu jeder Zeit seien deine Kleider weiß, und es fehle nie das Öl auf deinem Haupt.
9 Genieße das Leben mit dem Menschen, den du liebst, an allen Tagen deines vergehenden Lebens, das Gott dir unter der Sonne gewährt, an allen Tagen deines Dahinschwindens. Das ist dein Anteil in deinem mühevollen Leben unter der Sonne.
10 Alles, was deine Hände zu tun finden, das tu nach Kräften. Denn im Totenreich, in das du gehst, gibt es weder Werke och Einsicht, weder Erkenntnis noch Weisheit.
Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache
Predigt
Liebe Gottesdienstgemeinde,
Jahrtausende alt ist die Frage: Wie kann mein Leben erfüllt sein mit aller Mühe und Anstrengung und mit allem Schönen und Glück, das dazu gehört? Wir hörten eben eine Antwort aus den weisheitlichen Schriften des ersten Testaments, die ursprünglich in Hebräisch aufgeschrieben und eingeflossen ist in die Heiligen Schriften der Juden und Christen.
Der Prediger, ein Sammler von Weisheitssprüchen, dessen Name unbekannt bleibt, ist Realist – kein Träumer. Das Leben ist kurz, das Ende des Lebens kann jederzeit hereinbrechen. In alttestamentlichen Zeiten galten 40 Jahre als eine Generation. Das heißt: wenn es gut war, war man damals im Alter von 40 Jahren ein Greis bzw. eine Alte, ein Mensch, der dankbar auf ein langes Leben zurückblicken konnte. Was das Lebensalter angeht sind heute andere Zeiten: die durchschnittliche Lebenserwartung von Frauen und Männern in Westeuropa ist so deutlich länger, dass die aktive Arbeitszeit in Deutschland auf 67 Jahre erhöht wurde. In der Diskussion, wie ein gutes Ende eines Lebens zu gestalten ist, steht heute jede und jeder im Rahmen einer Vielfalt von Möglichkeiten in Medizin und Technik vor Entscheidungen, wenn es um Patientenverfügung oder Organspende geht.
Das Leben damals war erfüllt von Mühe und Arbeit: man lebte in direkter Abhängigkeit von Saat und Ernte, ohne Netz und doppelten Boden. Brot und Wein waren Symbole des Lebens und der Fülle: Brot steht für die Grundnahrungsmittel und Wein einerseits für Genuss und andererseits für Desinfektion bei nicht immer sauberem Wasser. Der Prediger spricht vom Öl, das auf dem Haupt nicht fehlen soll und von weißen Kleidern, einer Besonderheit damals, ein Festtagzeichen. Arbeit soll immer wieder durch Festzeit unterbrochen sein. Das, was die Menschen tun, ist schon gesegnet, ihr Alltag also, genauso auch die Festzeiten. „Geh, iss dein Brot mit Freude und trinke frohen Herzens deinen Wein!“
Im Gespräch mit diesem Prediger frage ich mich heute:
Wie achten wir gut auf uns?
Der Prediger zeigt uns den Horizont auf: Zeit ist endlich! Einer der bekanntesten Abschnitte des Buches Prediger handelt auch von der Zeit: "Für alles gibt es ein Zeit ... Zeit zu gebären und Zeit zu sterben. Zeit zu pflanzen und Zeit auszureißen." (Koh. 3)
Und so verwundert es nicht, dass auch in diesem Text die Endlichkeit menschlichen Lebens allgegenwärtig ist. „Im Totenreich, in das du gehst, gibt es weder Werke noch Einsicht, weder Erkenntnis noch Weisheit.“ (Koh. 9,10)
Diese Begrenzung von Lebens-Zeit hat verschiedene Folgen: Eine Folge, die besonders bei der Lektüre in unseren Gefängnisgottesdiensten anregte, war: auch harte Zeit dauert nicht ewig! Und ich bin überzeugt, dass wir hier in der Freiheit genauso gut daran tun, wenn wir unsere schweren Zeiten als begrenzt und nicht endlos einordnen können.
Eine andere Folge ist: das Aufschieben von Leben ist eine gefährliche Angelegenheit! Mein Leben beginnt erst dann, wenn ... die Ausbildung beendet, das Kind geboren, die Rente erreicht ist ... das kann schief gehen. Wir sind im einjährigen Erinnern an Fukushima, wir wissen von der Klimakatastrophe und persönlichen Schicksalsschlägen. Und unsere Zeit, über die wir verfügen, ist: JETZT.
Zeit ist endlich lehrt uns der Prediger. Und als Weiteres: Mühe und Arbeit gehört zum Leben dazu. Vielleicht ist dies eine Selbstverständlichkeit, auch wenn die Fernsehwelten und Werbestrategien uns das oft nicht sehen lassen. Vielleicht gehört es aber auch zu den unmodernen Erkenntnissen, die, wenn sie einmal akzeptiert sind, das Leben letztendlich einfacher machen.
„Geh, iss dein Brot mit Freude und trink deinen Wein mit gutem Herzen. Denn: Gott gefällt seit langem schon, was du tust.“
Hier ist Begrenzung von Mühe und Arbeit angesagt. Das Tun, die Mühe und Arbeit, sind selbstverständlich und nötig. Gott sieht das. Und er fordert seine Menschen auf, das Alltägliche und das Festliche zu genießen. In unserer Zeit, in der Arbeiten ohne Ende unterschiedlichste neue Krankheiten hervorruft, ist mir dieser Aufruf zur Freude am Alltag wesentlich. Lebensfreude an den einfachen Dingen gilt es gerade in der Kirche zu predigen, einer evangelischen Kirche, zu der auch ein Zweig gehört, der den Segen Gottes ablas am materiellen Reichtum, den sich ein Mensch erwirtschaftet.
Wer nicht vor sich selber wegläuft, trifft einen Menschen, den er sein Leben lang kennt und mit dem er oder sie es aushalten muss: sich selbst. Also gehen wir pfleglich um mit uns selber, sind wir liebevoll mit unseren eigenen Stärken und Schwächen, achten wir auf Lebensfreude und gute Erinnerungen, die uns stärken.
Wer sich Zeit nimmt, kann in Kontakt mit sich selbst und mit hilfreichen Gedanken kommen. Unsere Predigtreihe zur Weisheit öffnet uns die Augen für biblische Lebenshilfe. In unserer ersten Schriftlesung haben wir eine Kostprobe von Weisheitszahlensprüchen gehört. (Sprüche 30, 24-33) Witzig und lebensnah werden uns Tiere als Vorbilder gezeigt. Wortspiele machen das Schwere leichter verstehbar. Solche Zahlensprüche, Poesie und Wortspiele finden wir auch beim Buch Kohelet, dem Prediger. Immer geht es dabei auch um das, was wir aus den Texten von damals für unsere aktuelle Situation heraus hören und umsetzen können.
Was macht das Leben erfüllt?
Beim Prediger haben wir gelesen, dass neben der Nahrung auch frische Kleidung und Öl das Wohlergehen stärken. Also ist Wellness gar keine Erfindung der Neuzeit, sondern hat uralte Wurzeln! Die einen verzichten in der Fastenzeit für eine bestimmte Zeit auf das ein oder andere Gut. Und umso deutlicher wird danach wieder erlebt: Wie gut haben wir es. Wir haben zu essen und zu trinken, wir können uns pflegen und anziehen, und es gibt Menschen im Leben, die wir mögen und Menschen, die wir lieben.
„Brot und Wein – das kennen wir doch hier in der Kirche: das ist doch Abendmahl!“ Diese Erkenntnis kam einem Jungen im Schulgottesdienst, in dem ich unseren Predigttext mit Kindern besprach. Sein Ausspruch rundet es ab, dass Weisheit meist einfach, offensichtlich und alltäglich ist. Also:
Kohelet (Prediger) 9, 7-10
AMEN.