Noch vor zwölf Jahren schwärmte Wladimir Putin von einer Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok. Die Vision eines wirtschaftlich eng verflochtenen Kontinents ist nach wie vor plausibel. Verbunden durch Straßen, Eisenbahnen, Pipelines und Stromnetze würden die europäischen Staaten einschließlich Russland, Belarus und die Ukraine ein gewaltiges Schwergewicht darstellen, das mit den USA in nahezu jeder Hinsicht konkurrieren könnte. Mit gut funktionierenden Handelswegen nach China ließe sich ein solches Gebilde kaum mehr überbieten. Nun ist der Traum von der kontinentalen Wirtschaftsmacht Europa geplatzt. Was erwartet uns jetzt?
Vergleichbar mit dem Eisernen Vorhang wird eine unpassierbare militarisierte Grenze unseren Subkontinent teilen. Nachdem auch Finnland und Schweden ihre Neutralität aufgegeben haben, stehen sich gemäß der NATO-Strategie von Murmansk bis Rumänien feindliche Truppen gegenüber. Waren- und Personenverkehr werden auf ein Minimum reduziert. Nicht nur Pipelines, auch Flugverbindungen, Eisenbahnlinien, wissenschaftlicher und kultureller Austausch kommen zum Stillstand.
Westeuropa verabschiedet sich vom eurasischen Kontinent und wird – wie Großbritannien – zu einer nordatlantischen Insel. Der Seeweg wird zur entscheidenden Lebensader. Per Schiff erfolgt die Versorgung mit Öl, Gas, Kohle und allen anderen Rohstoffen. Genauso werden alle anderen Handelswaren importiert und in alle Welt exportiert. Neue Abhängigkeiten entstehen, Konflikte um Transportwege sind voraussehbar.
Das ist kein Weltuntergang, aber das Ende eines Projekts, das ich mir um einer friedlichen Zukunft Willen gewünscht hatte.