Kirche nimmt Trauung, Flüchtlinge und Missbrauch in Blick

Hessen-Nassau: Herbstsynode 2018


© Esther Stosch

Die Synode stellte in diesem Herbst die Trauung gleichgeschlechtlicher Paare gleich, forderte eine besssere Flüchtlingspolitik und beschloss den Haushalt für das kommende Jahr. Zudem eröffneten die Delegierten eine friedensethische Grundsatzdebatte. Aber eine Frage bewegte diesmal alle ganz besonders.

Seit Mittwoch hatten die 140 Delegierten unter dem Vorsitz von Präses Ulrich Oelschläger über mehr als 30 Tageordnungspunkte beraten. Das mit einem Parlament vergleichbare Gremium stellte dabei die Trauung gleichgeschlechtlicher Paare endgültig gleich, forderte eine stärker an den Hilfesuchenden orientierte Flüchtlingspolitik und beschloss den Haushalt für das kommende Jahr über 700 Millionen Euro. Zudem eröffnete die Synode eine Grundsatzdebatte über das Thema Frieden und blickte auf den bevorstehenden Ökumenischen Kirchentag 2021. Beim aktuell aufgenommenen Thema Missbrauch zeigten sich die Delegierten tief betroffen.

Trauung: Gleicher Segen für alle beschlossen

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau hat der „Trauung für alle“ ihren Segen gegeben. Die in Hessen-Nassau bereits seit 16 Jahren möglichen Segnungen von gleichgeschlechtlichen Paaren heißen ab 1. Januar 2019 damit auch offiziell Trauungen. Gleichzeitig wurde auf der jüngsten Synodentagung der bisherige Vorbehalt bei Trauungen gleichgeschlechtlicher Paare für einzelne Kirchenvorstände oder Pfarrerinnen und Pfarrer abgeschafft. Stattdessen gilt hier nun die allgemeine Praxis wie bei allen Amtshandlungen. Sie sieht vor, dass Pfarrerinnen und Pfarrer aus seelsorglichen Erwägungen oder Glaubensüberzeugungen, die nach eigener Ansicht gegen Schrift und Bekenntnis verstoßen, eine Amtshandlung im Einzelfall ablehnen können.

Die Synode hat auf der Herbsttagung auch ihre Position für eine menschlichere Flüchtlingspolitik bekräftigt. Einstimmig verabschiedeten die Delegierten ein Positionspapier, das unter anderem die bisherige Verhinderung der Familienzusammenführung scharf kritisiert. So müsse das „verbriefte Recht“ für den Nachzug von Familienangehörigen für alle international Schutzberechtigten gelten, heißt es in dem Synodenwort. Kritisch sieht die Synode auch den zunehmenden Druck auf Geflüchtete, bereits während laufender Asylverfahren in das Herkunftsland zurückzugehen. Stattdessen sollten Integrationsprojekte besser gefördert werden. Darüber hinaus fordert die Synode, dass angesichts der „katastrophalen Lage“ in Afghanistan keine Menschen mehr in das Land abgeschoben werden. Die hessen-nassauische Kirche hat seit 2014 über 20 Millionen Euro für die eigene Flüchtlingshilfe bereitgestellt.

Finanzen: Haushalt über 700 Millionen Euro gebilligt

Die EKHN hat auf der Synodentagung in Frankfurt auch den Haushalt für 2019 beschlossen. Der gesamtkirchliche Etat sieht für das kommende Jahr Aufwendungen in Höhe von rund 700 Millionen Euro vor. Für die Arbeit auf Gemeinde- und Dekanatsebene sind im neuen Haushalt insgesamt 340 Millionen Euro eingeplant. Rund 47 Millionen Euro an Eigenmitteln sind daneben unter anderem für die Arbeit in Kindertagesstätten vorgesehen. Für das Handlungsfeld Bildung sind 40 Millionen Euro veranschlagt. Für den Erhalt der Gebäude sind fast 38 Millionen Euro Zuweisungen eingeplant. Der Personalplan sieht unter anderem vor, mehr Fachpersonal für Baufragen einzustellen und die Nachwuchssuche in allen kirchlichen Berufen zu verstärken.

Genau 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und in Zeiten von zunehmenden kriegerischen Auseinandersetzungen in vielen Teilen der Erde, hat die Herbstsynode dem Thema Frieden einen wichtigen Stellenwert eingeräumt. Bis zum Frühjahr 2019 möchte sie nicht nur eine Stellungnahme zum Thema Frieden auf den Weg bringen, sondern auch Anstöße geben, wie in allen kirchlichen Feldern das friedensfördernde Handeln gestärkt werden kann. Eckpfeiler dafür sollen einem Entwurf zufolge unter anderem das stärkere Eintreten für zivile Konfliktlösungen, der entschiedene Widerspruch gegen Rüstungsexporte in Krisenregionen, ein höheres Engagement bei der Ächtung von autonomen Waffensystemen und eine Auseinandersetzung mit dem Thema Cyber-Krieg sein.

Tiefe Betroffenheit unter den Delegierten hat die Beschäftigung mit dem Thema sexualisierte Gewalt ausgelöst. Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung bezeichnete es vor der Synode als „unabweisbare Verpflichtung“, sich dem „Schmerz und dem Leid der Menschen zu stellen, die in der Kirche unter sexualisierter Gewalt gelitten haben und immer noch leiden“. Er sagte zu, dass die hessen-nassauische Kirche auch weiterhin alles tun werde, um das geschehene Unrecht anzuerkennen, Aufarbeitung noch grundlegender als bisher zu ermöglichen und Leid zu lindern. Jung schlug vor, das Thema im nächsten Jahr zu einem Schwerpunkt einer Synodaltagung zu machen. Seinen Angaben zufolge hat es nach derzeitigem Kenntnisstand seit Gründung der hessen-nassauischen Kirche im Jahr 1947 bis heute 50 Fälle eines Verdachts auf Missbrauch gegeben. Darunter seien 16 Pfarrer. Die Zahlen schlössen nach derzeitigem Wissen auch die evangelischen Heime im Kirchengebiet mit ein, auf die ein Großteil der aktuell bekannten Anschuldigungen entfällt.

Erstmals hat die hessen-nassauische Kirchensynode einen Bericht zum aktuellen Stand der Vorbereitungen auf den Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt am Main entgegengenommen. Zu dem Großereignis werden vom 12. bis 16. Mai 2021 rund 130.000 Teilnehmende erwartet. Demnach werden sich nun neben Hessen-Nassau und dem Bistum Limburg auch die Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, die Bistümer Mainz und Fulda sowie die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Hessen-Rheinhessen an den Vorbereitungen für das Großereignis beteiligten. Eine gemeinsame Steuerungsgruppe habe inzwischen die Arbeit aufgenommen. Erste gemeinsame Projekte seien etwa die Internetseite www.oekt-frankfurt.de, ein Präsentationsvideo zur Einladung in die Stadt und ein groß dimensioniertes Werbebanner, das ab kommendem Frühjahr den Turm der Dreikönigskirche am Mainufer in Frankfurt zieren soll. Ökumenische Kirchentage gab es zuletzt 2003 in Berlin und 2010 in München.

Die Kirchensynode hat auf der zurückliegenden Tagung die Debatte über die Mitfinanzierung des Bibelhaus-Erlebnismuseums in Frankfurt am Main eröffnet. Der jetzt vorgelegte fast 90 Seiten umfassende Entwurf sieht insgesamt fünf verschiedene Zukunftsszenarien zur Mitfinanzierung des Bibelhauses vor. Sie reichen von einem reduzierten Zuschuss von jährlich 505.000 Euro, der eine eingeschränkte Öffnung zu Folge hat über einen Ausbau auf aktuelle Museumsstandards für rund 5,5 Millionen Euro bis hin zu einem kompletten Neubau des Museums in Frankfurts Altstadt für über 22 Millionen Euro. Eine Entscheidung über die Zuschüsse für das Haus in Trägerschaft der Frankfurter Bibelgesellschaft ist für das kommende Jahr vorgesehen.

Den Präsident des Landesgerichts Darmstadt, Ralf Köbler (58), ist einstimmig in das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht (KVVG) der hessen-nassauischen Kirche gewählt worden. Der promovierte Jurist engagiert sich seit über 35 Jahren an der Darmstädter Stadtkirche als Chorsänger und Kirchenvorsteher. In Darmstadt ist er auch als Autor von Kriminalgeschichten bekannt, deren Erlös er seiner Gemeinde spendet.

Die in Frankfurt tagende Kirchensynode hat schließlich auch für Gemeinden und Dekanate wichtige interne Änderungen beschlossen. So kann künftig der Umgang mit Pfarrhäusern vor Ort flexibler gestaltet werden und wird die bisherige Residenzpflicht von Pfarrerinnen und Pfarrern gelockert. Außerdem überarbeitete die Synode die Wahlordnung für Kirchenvorstände. Dies soll Gemeinden die Arbeit mit Ehrenamtlichen erleichtern helfen. Schließlich für Dekanate wichtig: Auch die Posten der stellvertretenden Dekaninnen und Dekane müssen künftig offiziell ausgeschrieben werden und können nicht mehr wie bisher vor Ort einfach als Zusatzauftrag vergeben werden. Die Details zu diesen Entscheidungen erscheinen wie immer im Amtsblatt der EKHN. 


Quelle: EKHN