'Keine Angst vor Auseinandersetzungen'

90. Geburtstag Alt-Präses Otto Rudolf Kissel


Otto Rudolf Kissel, Alt-Präses der EKHN © EKHN

Heftige Debatten um die Zukunft der hessen-nassauischen Kirche waren fast zwei Jahrzehnte lang sein Metier: Von 1969 an stand der frühere Bundesarbeitsgerichts-Präsident Otto Rudolf Kissel an der Spitze der EKHN-Synode. Am 8. Januar feierte er seinen 90. Geburtstag.

Der amtierende Präses der Kirchensynode, Ulrich Oelschläger, bezeichnete den promovierten Juristen als Christen, der „sich über viele Jahrzehnte stark für die evangelische Kirche engagiert hat“. Zu Beginn seiner Amtszeit als Präses habe sich Kissel der wichtigen Aufgabe einer weiteren „Demokratisierung der Kirche“ verschrieben und maßgebliche Gesetzesänderungen vorangetrieben. So sei es unter anderem seiner Initiative zu verdanken, dass das Amt der Kirchenpräsidenten von der Aufgabe des Leiters der Kirchenverwaltung getrennt worden sei. Kissel habe sich dabei „immer für rechtsstaatliche Grundsätze und Verfahrensweisen eingesetzt“. Dabei habe er auch „Diskussionen und Auseinandersetzungen nicht gescheut“, so Oelschläger.

Hessen-Nassaus Kirchenpräsident Volker Jung bezeichnete Kissel als „Jurist mit klarer Linie und tiefem Glauben“. Er erinnerte daran, dass Kissel die Synode in einer Zeit „sehr kontroverser Diskussionen“ sicher geleitet habe. Dass bei allen Meinungsunterschieden dennoch „Geschwisterlichkeit und der Respekt vor abweichenden Auffassungen“ ein wichtiger Stellenwert in der evangelischen Kirche bleiben muss – darauf  habe Kissel immer wieder bestanden, so Jung.

Otto Rudolf Kissel wurde am 8. Januar 1929 in Frankfurt geboren. Dort bestand er 1948 das Abitur und studierte Jura. 1952 legte er das Erste Staatsexamen ab, 1954 promovierte er, 1956 folgte das Zweite Staatsexamen. Dann wurde Kissel Richter am Amtsgericht Frankfurt, 1959 wechselte er als Justiziar und Pressereferent in das Justizministerium. 1963 übernahm er die Leitung der Hessischen Landesvertretung in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn. Bereits 1964 wurde Kissel Abteilungsleiter im Ministerium. 1970 kehrte er als Präsident an das Oberlandesgericht nach Frankfurt zurück. 1981 wurde Kissel Präsident des Bundesarbeitsgerichts, dessen Sitz 1989 von Frankfurt nach Erfurt verlegt wurde. Kissel verfasste zahlreiche juristische Fachpublikationen, war Honorarprofessor in Gießen und hatte etliche Ehrenämter zum Beispiel im Verwaltungsrat des Hessischen Rundfunks und in der Gesellschafterversammlung der FAZ inne. Dafür wurde ihm das Bundesverdienstkreuz erster Klasse verliehen. 2012 erhielt er auch die Niemöller-Medaille; die höchste Auszeichnung der EKHN.

Besonders umfangreich war Kissels kirchliches Engagement. Er gehörte drei Jahrzehnte lang dem Kirchenvorstand der Christophorus-Gemeinde in Frankfurt und der Dekanatssynode Frankfurt-Höchst an. 1962 berief ihn die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) in ihre Disziplinarkammer. 1968 wurde er Mitglied der Kirchensynode der EKHN und arbeitete dort im Rechtsausschuss und im Verwaltungsausschuss mit. 1969 wählte ihn die EKHN-Synode als ihren Präses. Kissel übernahm die ehrenamtliche Aufgabe von Hans Wilhelmi und hatte sie bis Januar 1986 inne. Zwei Mal wurde er im Amt wieder gewählt. Von 1969 bis 1976 gehörte er zudem der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland an.


Quelle: EKHN