'Kirche den Menschen näher bringen'

Laut Studie 'Kirche im Umbruch' gehen Mitgliedszahlen in Evangelischer Kirche stark zurück


Viele Eltern lassen ihre Kinder nicht mehr taufen © Pixabay

Kirchenvertreter fordern gezielte Innovationen, um Kirche für Menschen attraktiver zu machen.

Nach einer Langzeit-Prognose des Forschungszentrums Generationenverträge der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg könnten sich die Mitgliedszahlen in Deutschland bis 2060 annähernd halbieren. Gründe sind laut Freiburger Zentrum Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur: Es sterben mehr Menschen als geboren werden. Es gibt aber auch Faktoren, die die Kirche beeinflussen kann. So lassen zum Beispiel immer weniger evangelische Mütter und Väter ihre Kinder taufen: Derzeit liegt die Quote bei den Taufen im Kindesalter bei 66 Prozent. Besonders hoch sind die Austrittszahlen der 20 bis 35 Jahre alten Mitglieder.

„Die Projektion des Freiburger Forschungszentrums lenkt unseren Blick besonders auf diese von uns zu gestaltenden Faktoren“, sagt Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. „Wir fühlen uns in unseren Bemühungen bestärkt, Kirche verstärkt in neuen Formen näher zu den Menschen zu bringen. Denn Kirche ist Kirche, wenn sie bei den Menschen ist.“ Gleichzeitig bestärke er berufliche und ehrenamtlich Aktive in den Kirchengemeinden, „weiterhin so offen und einfühlsam wie bisher auf die Menschen zuzugehen“.

Laut Kirchenpräsident Volker Jung (Hessen-Nassau) wird es künftig für die Glaubensgemeinschaften noch wichtiger, die „unersetzbare Kommunikation von Mensch zu Mensch mit der medialen und digitalen Kommunikation zu verbinden“. Das bedeutet auch, die Kommunikation innerhalb der Kirche zu intensivieren. „Der Rückzug in eine fromme Innerlichkeit oder ein gemeindliches Vereinsleben ist für mich keine Option.“

Evangelische Kirchen steuern bereits durch gezielte Maßnahmen gegen. Bei der Tagung der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland im Januar 2019 wurde beispielsweise ein Programm für innovative Initiativen aufgelegt. In den kommenden zehn Jahren gibt die rheinische Kirche, die 687 Gemeinden in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland umfasst, dafür sechs Millionen Euro aus und schafft zusätzlich für diesen Zweck fünf neue Pfarrstellen. Das macht insgesamt ein Finanzvolumen von rund zwölf Millionen Euro.

Die Evangelische Kirche von Westfalen betonte u.a. Initiativen von Jugendkirchen: Junge Menschen könnten hier mit ihrer eigenen Kultur Heimat finden: „Sie begegnen in der Sprache, den Formen und Gemeinschaften ihres Lebens der Botschaft des Evangeliums und können so Kirche sein.“ Beispiele für Jugendkirchen in verschiedener Form gebe es in Bielefeld, Hagen, Hamm, Herne, Iserlohn, Lippstadt, Siegen, Soest und Werl.

Die Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, wird sich im Mai 2019 mit der Freiburger Studie intensiv beschäftigen. Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung wird dazu unter anderem in seinem traditionellen Bericht vor den rund 150 Delegierten dazu Stellung nehmen. Er will auch erste Perspektiven für eine intensivere Kommunikation mit Mitgliedern und zu einer Stärkung der Gemeinschaft aufzeigen.

Schrumpfende Mitgliedszahlen bedeutet auch sinkende Kirchensteuereinnahmen. Die Projektion legt so etwa nahe, dass die Evangelische Kirche im Rheinland im Jahr 2060 rund 771 Millionen Euro an Kirchensteuereinnahmen zur Verfügung haben könnte (Ausgangsdaten 2017: 695 Millionen Euro). Dieser derzeit von wirtschaftlichen und demografischen Faktoren begünstigte Zuwachs werde aber durch rapide steigende Ausgaben der Kirche, besonders bei den Personalkosten, mehr als aufgebraucht. So sinke laut Projektion der Kirchensteuerkraftindex von 100 auf dann 57 Prozent.

„Wir warten nicht, bis uns die Entwicklung einholt“, sagt Präses Annette Kurschus: „Um langfristig verantwortlich zu planen, haben wir jetzt eine belastbare Grundlage. Und ein deutliches Signal, wie wichtig es ist, den Weg des Wandels aktiv gestaltend weiterzugehen. Das tun wir im festen Vertrauen darauf, dass Gott selbst seine Kirche erhält. Unser Blick auf die Wirklichkeit ist gerade deshalb nüchtern und realistisch. Viele Menschen an vielen Orten geben unserer Kirche mit beindruckendem Einsatz und erstaunlicher Kreativität ein unverwechselbares Gesicht und eine hoffnungsvolle Ausstrahlung. Darüber staune ich oft, und dafür bin ich dankbar.“


Quelle: EKiR/EKHN/EKvW

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