Nicht genug Impfstoff

Mit Abstand - eine Kolumnenreihe von Georg Rieger


© Georg Rieger 2021

Beim aktuellen Aufreger über das Versagen der Regierung und der Europäischen Union bei der Impfstoff-Beschaffung lohnt sich ein Blick zurück.

Beim aktuellen Aufreger über das Versagen der Regierung und der Europäischen Union bei der Impfstoff-Beschaffung lohnt sich ein Blick zurück. Mit noch etwas Abstand zur Entwicklung und Zulassung der Vakzine im letzten Sommer überwiegten die Stimmen, die vor einem Verteilungskampf warnten. Impfen müsse ein internationales Thema sein. Die reichen Länder dürften sich nicht vordrängeln und Impfstoffe müssten auch für arme Länder erschwinglich sein und patentfrei bleiben. Nur eine globale Impfstrategie könne eine globale Pandemie in den Griff bekommen.

Dass die USA – noch unter Donald Trump – für so eine verantwortliche und umsichtige Position nur ein müdes Lächeln übrig haben würden, war auch bald klar. Ebenso, dass Boris Johnson den ersten und vorerst einzigen Erfolg des Brexit würde verbuchen wollen.

Doch nun ist auch in unserem Land der hemmungslose Impf-Egoismus salonfähig geworden. Vom „totalen Versagen“ ist in Talkshows die Rede und davon, dass „alles schlecht gelaufen“ sei. Und stets bleiben solche martialischen Statements unwidersprochen. Als hätte eine frühere oder höhere Bestellung die auf dem Weltmarkt verfügbare Menge drastisch erhöht. Als könnte Deutschland (83 Mio) oder gar Europa (750 Mio) unter anderen Umständen bezüglich der Impfstrategie so weit sein wie Israel (8,9 Mio). Und als sei alles gut, wenn alle Deutschen ein Impfangebot bekommen hätten.

Impfstoff ist ein knappes Gut. Und so nachvollziehbar der Wunsch nach einer baldigen Impfung ist, macht er offensichtlich auch blind für einfache Zusammenhänge und für eine globale Verantwortung.

Was wir uns mit etwas Abstand für das Impfen vorgenommen hatten, stimmt aber immer noch: Die gerechte Verteilung ist das Gebot der Stunde. Germany first ist nicht unser Ding. Die Staaten, die von Egomanen regiert werden, brauchen uns kein Beispiel sein. Wir bringen die Geduld auf und sind dankbar, dass uns überhaupt so schnell und sicher geholfen werden kann.


Georg Rieger