'Aus Feinden Gegner machen'

Präses Annette Kurschus spricht in Brüssel über Grundlagen des Vertrauen


© Evangelische Kirche von Westfalen

Ein 'erwachsenes Verhältnis' zwischen Wählern und Politik, zwischen Bürgern und Institutionen ist im Miteinander von Politik und Gesellschaft dringend notwendig, sagte Präses Annette Kurschus am Mittwoch (28.11.) in Brüssel. Die Voraussetzung: 'lesbare' Autoritäten – Persönlichkeiten, die in ihren Möglichkeiten und Grenzen erkennbar sind, auch mit dem, worauf sie vertrauen.

Die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen sprach bei einem gemeinsamen Empfang der Vertreter beider großen Kirchen in Deutschland bei der Europäischen Union. Für Christen sei „das Vertrauen auf Gott und das in Christus Mensch gewordene Vertrauen Gottes in uns“ maßgeblich: „Von Gott her fließen uns Menschen grundlegende Anerkennung und bedingungslose Liebe zu. Das ermöglicht uns, die erfahrene göttliche Liebe zu anderen Menschen weiterfließen zu lassen.“ Solches Empfangen und Weitergeben bestimme auch das soziale Miteinander: „Kein Mensch lebt aus sich selbst. Wir bleiben angewiesen aufeinander. Auch im Gemeinwesen sind wir immer Empfangende und Weitergebende zugleich“, sagte Kurschus, die auch stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist.

Als Grundlage für eine humane Politik hob die Präses die Unterscheidung von Tat und Person hervor, also zwischen dem, was ein Mensch tut und dem, was er ist. Menschen, auch politische Gegner, seien immer mit ihrer „unverlierbaren Anerkennung durch Gott“ wahrzunehmen und ernstzunehmen. Andernfalls werde die „rote Linie“ zivilgesellschaftlichen und politischen Handelns überschritten. Eine der dringlichsten Aufgaben sei es, „aus Feinden Gegner zu machen“, Menschen also, die einander wenigstens soweit vertrauen, dass sie miteinander reden, „statt einander zu bekämpfen, zu beschimpfen oder zu beschweigen“. Solche „entschlossene und besonnene, konsequente und geduldige Entfeindung“ sei in der Lage, grundlegende Unterschiede auszuhalten und strebe gleichzeitig danach, sie zu versachlichen. „Die Demokratie und die demokratischen Institutionen brauchen als Ferment, als Katalysator und als kritisches Gegenüber erwachsene Bürgerinnen und Bürger: Kritisch und selbstkritisch, kundig und mündig, fähig zum Diskurs und zum Konflikt.“

Eingeladen hatten zu dem Empfang der Bevollmächtigte des Rates der EKD und das katholische Kommissariat der Deutschen Bischöfe bei der Europäischen Union in Brüssel.


Quelle: Evangelische Kirche von Westfalen