Zurück ins Studio!

Mittwochskolumne von Paul Oppenheim


Welt-Reporter mitten drin im Hochwassersommmer 2017 (Screenshot)

Journalisten privater wie öffentlicher Fernsehkanäle stehen immer häufiger draußen - bei Wind und Wetter, manchmal hautnah bei Lawinen, Erdbeben und Vulkanausbrüchen. Muss das sein? Fragt Paul Oppenheim.

Da steht er im Regen und schaut wenig begeistert. Lustlos wirkt er ja häufiger, aber warum muss er im Regen stehen? Der Leiter des ZDF-Studios in Paris stand schon früher bei Wind und Wetter im Freien, als er noch aus Berlin berichtete. Und da war er nicht alleine. Auch seine Chefin hatte wohl kein trockenes Fleckchen in ihrem Hauptstadtstudio. Immer wieder stand sie im Regen, sogar nachts vor einem dunklen Reichstag, und ich fragte mich warum. 

Bei der ARD ist es nicht viel besser. Da trotzt eine tapfere Auslandskorrespondentin mit Regenschirm und rotem Regenmantel der feindseligen englischen Witterung. Sie berichtet aus London. Man ahnt, dass die schlecht beleuchtete nasse Straße hinter ihr vielleicht Downing Street sein könnte. Eigentlich gibt es da nichts zu sehen und die Arme könnte auch ganz bequem in ihrem Büro sitzen und uns etwas vom Brexit erzählen.

Auch die Journalisten der privaten Fernsehkanäle stehen in Paris auf einer windigen Brücke über der Seine, über den Dächern von Rom in schwüler Sommerluft oder irgendwo in Beirut, Kairo oder Karthum inmitten des abendlichen Berufsverkehrs. Der Hintergrund hat nichts mit dem zu tun, was sie erzählen. Sie könnten genauso gut aus ihrem schönen Studio berichten, so ähnlich wie früher, als Korrespondenten aus aller Welt ihre Kommentare ganz bildlos per Telefon abgaben.

Wie fing das alles an? Hörer und Zuschauer sollten hautnah dabei sein wie bei der Sportberichterstattung. Der Journalist wird Teil des Geschehens. Seine Stimme überschlägt sich. Überschwemmungen, Lawinen, Erdbeben, Vulkanausbrüche eignen sich hervorragend für derlei Reportagen, die an die Kriegsberichterstattung alten Stils erinnern.  Es ist als stünde der Reporter oder die Reporterin unweit der Front, in Hörweite der Kanonen und am besten noch mit einem Helm auf dem Kopf. So berichten sie bis spät in die Abendstunden, bei Wind und Wetter von Koalitionsverhandlungen, Misstrauensvoten, Kampfabstimmungen, Regierungsumbildungen. Sie erwecken den Eindruck des Unmittelbaren, schaffen Betroffenheit.

Das ist wohl Journalismus im Zeitalter des Selfies, aber von mir aus brauchen sie weder frieren, noch schwitzen, noch nass werden. Ich erwarte weder Emotionen noch Sensationen, auch keine Bilder von fremden Städten, sondern Fakten, Zusammenhänge und nüchterne Analysen. Korrespondenten dürften also genauso gut in ihren Studios sitzen, wenn es sowieso nichts zu sehen gibt. Interviews im Studio  wären auch keine schlechte Idee, und sicher informativer als die ganze Pseudo-Inszenierung unter freiem Himmel.


Paul Oppenheim