'Ein Verstoß gegen das Gebot der Nächstenliebe'

Nach Brand in Moria (Lesbos): Moderatorin des Reformierten Bundes schließt sich Appell Evangelischer BischöfInnen an


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Nach dem Brand in Moria haben sich mit einem Appell Leitende Geistliche der Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an die Öffentlichkeit gewandt. Auch Kathrin Oxen sprach sich für Unterstützung und Soforthilfe für die Betroffenen aus.

„Wir sind erschüttert über das Leid, das erneut über die schutzsuchenden Menschen gekommen ist, und entsetzt, dass es der Europäischen Union trotz vielfacher Warnungen nicht gelungen ist, diese Eskalation der menschenunwürdigen Situation in dem Lager zu verhindern.“ So heißt es in der an die deutsche Ratspräsidentschaft und den Bundesinnenminister gerichteten Erklärung der Bischöfinnen und Bischöfe.

Gleichzeitig ruft das Schreiben zum Handeln und einer europäischen Lösung auf: „Wir erwarten vom Bundesminister des Innern, sich den Angeboten von Bundesländern und Kommunen, Geflüchtete aus den griechischen Lagern aufzunehmen, nicht länger zu widersetzen. Unsere Unterstützung sagen wir zu.“

Die Moderatorin des Reformierten Bundes, Pfarrerin Kathrin Oxen, schließt sich im Namen aller Mitglieder des Reformierten Bundes dem Appell der leitenden Geistlichen ausdrücklich an. „In der reformierten Theologie und Kirchengeschichte hat die Fürsorge für Flüchtlinge, ihre Unterstützung und die freundliche Aufnahme eine große Tradition. Viele unserer Gemeinden können ihren Ursprung auf Flüchtlinge zurückführen, die seinerzeit darauf angewiesen waren, in anderen Ländern eine Zuflucht zu finden“, sagte sie.

Unabhängig von der komplexen Aufgabe, die europäische Flüchtlingspolitik insgesamt neu zu ordnen, sei nach dem verheerenden Brand im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos Soforthilfe für die betroffenen Einwohner des Lagers nötig. Die Bereitschaft, diese Hilfe zu leisten, haben viele Kommunen in Deutschland bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht. Die evangelische Kirche als Institution und vor allem auch die Engagierten in den Kirchengemeinden sind an vielen Orten bereit, praktische Unterstützung zu geben. Der menschenunwürdige Umgang mit den Geflüchteten in Moria verstoße gegen das Gebot der Nächstenliebe.

Auch Martin Heimbucher, Kirchenpräsident der Evangelisch-reformierten Kirche reagierte in einer ersten Stellungnahme mit mit deutlichen Worten: „Europa hat hier versagt. Wir müssen uns für unsere Hartherzigkeit schämen.“ Heimbucher betonte außerdem die besondere Verantwortung Deutschlands: „Mit unserem Verhalten gegenüber den Schwächsten steht und fällt die Glaubwürdigkeit der europäischen Länder. Dazu darf die Kirche nicht schweigen.“

Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland und Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der (EKD) erinnert in seiner Morgenandacht an Jesus Christus, dessen wegweisende Worte in der Bibel überliefert sind: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ In diesem Sinne müsse jetzt endlich gehandelt werden, sagt Rekowski und macht deutlich, dass es hier nicht darum gehe, als Kirche Politik zu machen, sondern in Gottes Sinne und Auftrag für Menschen in Not einzutreten: „Wir sind Lobbyisten der Menschlichkeit. Eine Menschheitsfamilie.“

„Dieses Ereignis ist der traurige Höhepunkt einer jahrelangen inakzeptablen, menschenrechtswidrigen Unterbringungspraxis von Geflüchteten in Griechenland mit Zustimmung der Europäischen Union“, sagten Pfarrer Helge Hohmann (Evangelische Kirche in Westfalen) und Pfarrer Dieter Bökemeier (Lippische Landeskirche), in einer gemeinsamen Stellungnahme. „Wenn Europa jetzt seiner Verantwortung nicht endlich gerecht wird, ist seine Glaubwürdigkeit beim Eintreten für Menschenrechte und humanitäre Werte endgültig zerstört.“

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch sind weite Teile des Flüchtlingslagers Moria niedergebrannt. Unter den im Lager lebenden Flüchtlingen und Migranten waren 35 Corona-Infektionen gemeldet worden, das Lager war deshalb unter Quarantäne gestellt worden. Innenminister Horst Seehofer (CSU) sagte inzwischen Hilfe zu und kündigte an gemeinsam mit Frankreich und weitere EU-Staaten insgesamt 400 unbegleitete Minderjährige aufzunehmen. Im Lager lebten 12.600 Menschen (Kapazität: 2800 Personen). Bislang gab es keine Berichte über Todesfälle oder Verletzungen. Das Lager wurde evakuiert, die Menschen in Sicherheit gebracht. Die meisten von ihnen sind jetzt allerdings obdachlos.


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