Die unerträgliche Langsamkeit

Mittwochskolumne von Paul Oppenheim


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Einerseits sehnen sich Menschen nach Entschleunigung. Andrerseits ärgern sie sich darüber, dass Dinge nicht vorankommen. Haben wir in Deutschland ein Geschwindigkeitsproblem?

Heute las ich in der Zeitung, dass der Wohnungsbau in den Großstädten nicht schnell genug vorankommt. Dabei sieht man allenthalben im Stadtbild Kräne stehen. Während der Pandemie haben die Baustellen nicht still gestanden, aber die Baudauer zieht sich in die Länge. Derweil steigen die Miet- und Kaufpreise munter weiter.

Öffentliche Bauvorhaben, deren Bauzeit sich ins Unermessliche hinzieht, während deren Kosten in schwindelerregende Höhen klettern, sind in Deutschland zur Regel geworden. Nimmer endende Autobahnbaustellen, die jahrelang vor sich hin dümpeln und täglich für kilometerlange Staus sorgen, verursachen Kosten in Milliardenhöhe und ungezählte Nervenzusammenbrüche.

Die Verspätungen im Bahnverkehr sind ja hinlänglich bekannt und schon ein Markenzeichen der Deutschen Bahn. Während in anderen Ländern die Züge immer schneller werden und dank neuer Bahntrassen der Frachtverkehr von der Straße auf die Schiene verlegt wird, werden ICE-Züge hierzulande langsamer und Bahnprojekte zwischen Bürokratie und Bürgerinitiativen zermalmt.

Wartezeiten in den Ämtern vieler Städte erreichen in Nach-Corona-Zeiten mehrere Wochen oder gar Monate. Solange dauert es, bis man Online einen Termin erhält. Entsprechend lange dauert es, ein Auto anzumelden, einen Pass zu beantragen oder eine Baugenehmigung zu erhalten.
Reformstau, Investitionsstau, Modernisierungsstau kennzeichnen den Mangel an Dynamik, der vielerorts zu beobachten ist. Eine unerträgliche Langsamkeit hat unser Land erfasst. Daran ist nicht die Pandemie schuld, aber wie bei vielen anderen Dingen gilt auch hier die Feststellung, dass Corona etwas sichtbar gemacht hat, was schon seit längerem problematisch war.


Paul Oppenheim