'Eine epochale Leistung'

Lippe: Günther Beckstein spricht in Bad Salzuflen zum Jubiläum des Grundgesetzes


Die Menschenwürde zu achten und zu schützen sei eine Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Dr. Günther Beckstein, 15 Jahre lang bayerischer Innenminister und von 2007 bis 2008 Bayerns erster evangelischer Ministerpräsident, sprach in der Auferstehungskirche in Bad Salzuflen zum Jubiläum der deutschen Verfassung.

Eingeladen hatte ihn Superintendent Dr. Andreas Lange. Er hat mit dem „politischen Urgestein“, wie er in seiner Begrüßung sagte, einige Jahre im Präsidium der Synode, dem „Parlament“ der Evangelischen Kirche in Deutschland, zusammengearbeitet.

Das Grundgesetz ist für den Juristen Beckstein „eine epochale Leistung“, die sich als zuverlässige Grundlage für den Wiederaufstieg Deutschlands nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs erwies. „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ So lautet Artikel 1,1 – für die Christen, die damals mitarbeiteten, sei dies die unmittelbare Auswirkung der Überzeugung gewesen, dass jeder Mensch Gottes Ebenbild ist und damit eine unveräußerliche Würde hat, erklärte Beckstein. Und betonte: „Dies ist nicht nur unverbindlicher Programmsatz, sondern auch die grundlegende Rechtsnorm als übergeordneter Gedanke.“ Die Menschenwürde steht demnach jedem zu, „selbst dem Ausländer, der keine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland hat“. Auch in der Zukunft werde das Grundgesetz ein hervorragendes Fundament sein, „wenn wir in Verantwortung vor Gott und den Menschen handeln“, sagte Beckstein. „Und als Christ füge ich hinzu: Der wichtigste Dienst für uns Christen ist es, für den Segen Gottes zu beten.“

Demokratie, so Beckstein, sei „eine komplizierte Staatsform“: Um die zweckmäßigste Lösung müsse im demokratischen Prozess gerungen und auch gestritten werden – aber immer unter der Voraussetzung, dass Respekt vor dem anderen und der anderen Meinung vorhanden ist: „Toleranz ist notwendige Grundlage der Demokratie.“ Was er damit meinte, erläuterte Beckstein mit einer kleinen Geschichte: Er war einst mit der Grünen-Politikerin Claudia Roth in einer Talkshow, wo es um Fragen des Asyls ging. „Mich ärgerte die Argumentation von Frau Roth so sehr, dass ich im Zorn ausrief: Claudia, du redest ja nur Scheiß!“ Zum Erstaunen des Moderators stellte sich heraus, dass die beiden so verschiedenen Politiker befreundet sind. Beckstein: „Sie ist der Prüfstein meiner Toleranz.“ Roth antwortete: „Günther, das hast du aber schön gesagt, das hätte ich nicht besser sagen können.“

Wer allerdings die Freiheit der Meinungsäußerung und seine sonstigen Grundrechte zum Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung missbrauche, verwirke seine Grundrechte.

Das Grundgesetz biete auch Raum für neue Entwicklungen, sagte der Referent. Als Beispiel nannte er das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2021 über das damalige Klimaschutzgesetz: Es wurde für nichtig erklärt, weil es die Freiheitsrechte zukünftiger Generationen zu wenig berücksichtige.


Quelle: Lippe