Gebet anlässlich der Morde von Halle

Klagen und Kraft schöpfen


Der geplante Anschlag auf eine Synagoge und die Morde an zwei Menschen lassen befürchten, dass die Saat der Hassreden aufgeht. Wir brauchen deine Hilfe, Gott!

Unser G-tt
an diesem Tag verstehen wir, warum im Judentum dein Name nicht ausgesprochen und nicht ausgeschrieben wird: aus Ehrfurcht und um die Distanz zu wahren, die nötig ist, um sich bei dir beklagen zu können.

Zwei Morde sind geschehen und viel Schlimmeres war geplant. Den Juden in Deutschland galt dieser Anschlag und dann auch den Geflüchteten in unserem Land. So gewohnt wir den Hass schon sind, erschrecken wir jetzt, da jemand zur Waffe greift und tut, was Andere mehr oder weniger deutlich fordern.

Danke G-tt, dass wir uns bei dir beklagen dürfen. Das ist nötig, damit wir nicht in der Verzweiflung über das Böse in der Welt stecken bleiben. Lass uns aber aus der Klage und dem Gebet die Kraft mitnehmen, die es braucht, um dem Hass Einhalt zu gebieten.

Das schaffen wir nur mit deiner Hilfe, aber wir schaffen es auch nur, wenn wir deine Botschaft an uns ernstnehmen. Die Liebe und Versöhnung, die wir an unseren christlichen Feiertagen feiern und die von den Juden gestern am Jom Kippur gefeiert wurde, soll uns stärken.

Gib uns den Mut, dass wir uns überall gegen den Hass stellen, wo er uns begegnet. Dass wir uns trauen zu widersprechen, wenn Menschenfreundlichkeit verhöhnt und Menschen als minderwertig und nicht zu uns gehörig bezeichnet werden.

Lass uns für die Opfer beten, die wir nicht kannten, für die wir aber mit Verantwortung tragen. Lass uns auch für den Mörder beten und für die, die es vielleicht noch werden könnten. Du kannst ihnen durch deine Liebe das geben, was wir offensichtlich versäumt haben und ihren Hass verwandeln.

„Umkehr, Gebet und Wohltun wenden das böse Verhängnis ab“, heißt es in einem Gebet aus der Liturgie des Jom Kippur. Wir hoffen auf dich, Gott!

G-tt ist eine deutsch-jüdische Schreibweise für den Namen des Allmächtigen. Ohne Vokal wie im Hebräischen JHW

 


Georg Rieger