'Die Reformierten sind die Coolsten'

Interview mit Bernd Becker, Moderator des Reformierten Bundes

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Botschaft statt Form - was die Reformierten für Moderator Bernd Becker ausmacht, so sagt er uns im Gespräch, ist die Art zu glauben: "Es zählt mehr der Inhalt."

reformiert-info: Herr Becker, im April wurden Sie zum Moderator des Reformierten Bundes gewählt. Wie waren Ihre ersten Monate im Amt?

Bernd Becker: Im Sommer standen schon etliche Termine an, darunter ungefähr ein Dutzend Besuche bei Landeskirchen und einzelnen Kirchengemeinden, etwa bei der Evangelisch-Reformierten Kirche in Leer, der Lippischen Landeskirche in Detmold, aber auch in reformierten Gemeinden in Westfalen und Niedersachsen. Mein Ziel ist es, unser Kontaktnetz zu pflegen und viele Kirchengemeinden kennenzulernen, teilweise auch digital. Ich möchte den Menschen vom Reformierten Bund erzählen. Schwerpunktthemen wie Friedensethik, Flucht und Migration oder der christlich-jüdische Dialog stoßen auf großes Interesse. Aber mir ist es umgekehrt auch wichtig, von den Gemeinden zu erfahren, was sie vor Ort in ihrer Arbeit bewegt.

Was für Antworten bekommen Sie da?

Die Gemeinden verändern sich, sie werden zum Teil kleiner und finanzschwächer. Immer mehr reformierte Gemeinden streben deshalb Kooperationen oder Fusionen an, teilweise auch mit lutherischen oder unierten Gemeinden in der Nachbarschaft. Da stellt sich die Frage: Wie gehen wir damit um, wenn zum Beispiel „reformiert“ aus dem Namen der Gemeinde verschwindet? Und – aus meiner Sicht ist das die Kernfrage: Wie können wir reformierte Anliegen trotzdem weiter hochhalten? Und welche Anliegen sind das eigentlich genau? Was bedeutet reformierte Identität für unsere Gemeinde?

Was sagen Sie dazu? Was ist reformierte Identität aus Ihrer Sicht?

Das lässt sich eben nicht allgemein beantworten, von Gemeinde zu Gemeinde unterscheiden sich die Schwerpunkte. Für die einen sind theologische Themen besonders wichtig. Andere interessieren sich eher für gottesdienstliche Fragen oder sie engagieren sich politisch-diakonisch. Wo der Schwerpunkt liegt, muss jede Gemeinde für sich selbst herausfinden. Eine Arbeitshilfe dazu erarbeitet gerade das Moderamen des Reformierten Bundes. Diese wollen wir bis zum Sommer 2023 fertig stellen.

Woher kam bei Ihnen das Interesse an der reformierten Theologie, was hat Sie zu Ihrer beruflichen Laufbahn bewegt?

Aufgewachsen bin ich im reformierten Siegerland, in meiner Herkunftsfamilie ging es jedoch nicht besonders religiös zu. Die Jugendarbeit wurde mir ein zweites Zuhause, wofür ich immer noch dankbar bin. Und im Religionsunterricht auf dem Gymnasium wurde mein Interesse an der Theologie geweckt. Karl Barth, Rudolf Bultmann und Willi Marxsen - so einige der Namen, die damals eine große Rolle spielten. Im Studium habe ich mich dann intensiver mit reformierter Theologie und besonders mit dem Kirchenkampf befasst. An der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 etwa lassen sich meines Erachtens viele systematisch-theologischen Fragen durchbuchstabieren. Die Beschäftigung damit hat mich sehr geprägt.

Den ersten Kontakt zum Reformierten Bund gab es bei Ihnen über Peter Bukowski, den damaligen Moderator des Reformierten Bundes und damit Ihren Vorgänger. Wie kam das?

Reformiert geprägte Vikarinnen und Vikare aus Westfalen haben das Predigerseminar in Wuppertal besucht, damals noch in der Mainzer Straße. Dort war Peter Bukowski Dozent und später Direktor. Zudem gab es viele Kontakte zu Reformierten aus anderen Landeskirchen und zu der Zeit auch aus Ungarn. Ich fand das spannend und habe schließlich ein Sondervikariat beim Reformierten Bund absolviert. Unter anderem war ich für die Reformierte Kirchenzeitung (RKZ) zuständig, die damals noch von Jörg Schmidt herausgegeben wurde. Schon damals habe ich es so empfunden: Die Reformierten sind die Coolsten!

Warum?

Die Art, wie reformierte Christen ihren Glauben leben, finde ich oftmals überzeugend. Und für mich persönlich passt die Ausrichtung am auch besten, weil sie so ungezwungen ist. Das beziehe ich zum Beispiel den Gottesdienst mit seinem Schwerpunkt auf der Verkündigung und einem entspannten Abendmahlsverständnis. Wichtig ist mir aber auch die enge Verbindung zu Israel und dem Judentum sowie das gesellschaftspolitische Engagement, das sich aus der Theologie ableitet. Vielleicht kurz gesagt: Es zählt weniger die Form, mehr der Inhalt.

...die auch in Ihrer Arbeit als Journalist eine Rolle spielen. Heute sind Sie unter anderem Direktor des Evangelischen Presseverbandes für Westfalen und Lippe in Bielefeld.

Tatsächlich konzentriert man sich auch in der Medienarbeit stark auf die Botschaft. Die Publizistik bietet viele Möglichkeiten, christliche Inhalte zu transportieren. Und durch unterschiedliche Medien können wir auch über die Kerngemeinde hinaus viele Zielgruppen ansprechen.

Stichwort Botschaft: Welche Inhalte sind aktuell für den Reformierten Bund die wichtigsten?

Das Thema „Krieg und Frieden“ hatte immer eine große Bedeutung. Meilensteine waren sicherlich die Friedenserklärungen von 1982 und 2017. Leider, muss man sagen, wird uns dieses drängende Thema noch weiter beschäftigen. Zum manchen Fragen des Ukrainekriegs haben wir noch kein abschließendes Statement gefunden: Wie lassen sich pazifistische Überzeugungen und die Unterstützung eines bekämpften Landes unter einen Hut bekommen? Auch der jüdisch-christliche Dialog, so haben wir bei der letzten Hauptversammlung festgestellt, braucht neue Impulse. Der Klimawandel wird uns als Querschnittsthema weiter beschäftigen, ebenso wie die bereits angesprochene Frage nach der reformierten Identität. Der Reformierte Bund, der sich auch als „Agentur für reformierte Theologie“ versteht, hat hier die Aufgabe, Kirchengemeinden in ihren Veränderungsprozessen zu unterstützen. Und zuletzt spielt die weltweite Ökumene bei uns immer eine große Rolle, der gegenseitige Austausch über Kontinente hinweg. Meine Teilnahme an der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirche im September war deshalb auch ganz klar ein Highlight meiner bisherigen Zeit als Moderator.