Stell dir vor, dein Land führt Krieg

und es berührt dich nicht

"Du beobachtest die Menschen über Tage, wie sie ins Café gehen, wie sie ihren Kindern beim Fußballspielen zuschauen", und dann kommt der Befehl zu feuern. "Du siehst, wie die Menschen sterben, siehst die Körper, bis sie jemand wegträgt". Für den Piloten am Joystick in Nevada gibt es den Kampf Eye to Eye mit Menschen in Somalia, in Pakistan, in Afghanistan.

Brandon Bryant, ein ehemaliger US-Drohnenpilot spricht darüber. Töten auf Distanz wird der Drohnenkrieg genannt. Die Distanz, ja, die gibt es, aber nicht zwischen dem Soldaten hinter dem Monitor und seinem Feind, sondern zwischen denen, die den Einsatz planen und den Opfern des Angriffs und zwischen den Toten und denen, die sich gar nicht erst interessieren für die Berichte über die Kampfeinsätze. Wie groß meine Distanz zu dieser neuen Art des Krieges ist, merke ich erst, als ich Brandon Bryant in Beckmanns Talkshow höre. Seit Monaten lese ich Meldungen zum Einsatz von Drohnen, über die vielen zivilen Opfern - nur 2% der Getöteten zählen zu den "hochrangigen Terroristen", ich höre die Bedenken kirchlicher Friedensleute: längst habe sich gezeigt, dass die Mehrzahl der bewaffneten Einsätze völkerrechtswidrig und einer Demokratie unwürdig sei, die Drohnen würden zu "entfesselten Exekutionsmaschinen". Und doch: Gefühlte Entfernung meines Schreibtisches vom Einsatzort in Pakistan oder Somalia: mindestens 300.000 km.
Das Gefühl trügt. Die "Krieger" sind uns recht nah. Der als Kampf gegen Terrorismus geführte "geheime Krieg" wird auch von deutschem Boden aus kommandiert: "Der Krieger, der den Kampf führt, der sitzt in Ramstein. Das sind nicht mehr die Piloten in den Kampfflugzeugen wie früher. Die Krieger heute, das sind die Leute, die planen, denken und zuschlagen", so Oberstleutnant a.D. Ulrich Scholz, ehemaliger Abteilungsleiter einer Aufklärungseinheit der NATO im Air Space Operations Center Ramstein. Auf der Airbase in Ramstein ist ein Unterkommando der AFRICOM, dem Regionalkommando der US-Streitkräfte für Kampfeinsätze in Afrika, stationiert. Wer den endgültigen Befehl zur Exekution eines (vermeintlichen) Terroristen in Somalia erteilt, bleibt ein Militärgeheimnis, aber denkbar ist, dass ein Kommandant in Ramstein der Ausführende ist. In Berlin ließ der Bundesnachrichtendienst Asylbewerber über ihre Herkunftsländer ausfragen und versorgte amerikanische und britische Partnerdienste mit Informationen für den Einsatz von Drohnen.* Deutschland ist auch ohne eigene Waffen an unbemannten Luftfahrzeugen am Töten beteiligt, aber bereits im Januar ging die Meldung durch die Presse, die Bundesregierung wolle auch bewaffnete Drohnen anschaffen. Im Koalitionsvertrag steht: "Die Koalition wird eine europäische Entwicklung für unbemannte Luftfahrzeuge voranbringen".
Ein Drohnenpilot markiert mit einem Laser eine Hausecke als Einschlagspunkt für die Rakete. Er feuert ab, sieht eine Bewegung, zoomt das Bild heran. Ein Kind läuft um die Ecke. Die Rakete schlägt ein. Brandon Bryant kündigt seinen Dienst beim US-Militär.
"... und auf Erden Frieden" verkünden die Weihnachtsengel. Gelobt sei jeder Mensch, der sich nicht distanzieren lässt vom Schrecken militärischen Tötens. "Man nimmt Leben nicht, um etwas Gutes für die Menschheit zu tun", sagt Brandon Bryant. Auch denen, die Unrecht tun, gebühre ein faires Gerichtsverfahren. Beschämend, wie wenig mich der "geheime Krieg" berührt.

*Dieses Vorgehen will die  Bundesregierung jetzt unterbinden - auf Grund mangelnder Effizienz.

Quellen:
Christian Fuchs, John Goetz, Geheimer Krieg. Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird, Hamburg 2013; das Zitat von Ulrich Schulz dort auf S. 88.
www.geheimerkrieg.de
Drohnenbericht von Amnesty International:
http://www.amnestyusa.org/sites/default/files/asa330132013en.pdf


Barbara Schenck, Notat to go am 4. Dezember 2013