Die Orientierung am gerechten Frieden verlangt erst recht in Zeiten von Terror und Krieg, rechtsstaatliche Normen einzuhalten und völkerrechtliche Bestimmungen zu beachten.

Leitsatz VIII der Friedenserklärung des Reformierten Bundes

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Der Reformierte Bund hat 2017 einen Zwischenruf zur Friedensverantwortung der Kirche veröffentlicht. Hier finden Sie Leitsatz VIII zusammen mit weiterführende Materialien und Impulsen.

Die Kompetenz zu widerständiger Besonnenheit schließt u.E. einen „Kampf gegen den Terrorismus“ keineswegs aus. Allerdings kann es dabei nicht um einen ‚Krieg gegen den Terrorismus‘ gehen, son­dern um nationale bzw. internationale Verbrechensbekämpfung mit rechtsstaatlichen Mitteln. Dies zu betonen ist uns wichtig, da die Gefahr besteht, den Rechtsstaat (und mit ihm etwa die individuellen Freiheitsrechte) bzw. das Völkerrecht gegen die Terrorabwehr auszuspielen und zugunsten dersel­ben zu opfern.

Was das Völkerrecht betrifft, so gehörte in der Zeit des ‚Kalten Krieges‘ die Blockade im UN­-Si­cherheitsrat durch das Vetorecht der Großmächte mehr oder minder zu den „Existenzbedingungen der UN“ (Wolfgang Lienemann). Die Handlungs­fähigkeit der UN war durch dieses völkerrechtliche Vetorecht jedoch immer wieder eingeschränkt. Nach dem Ende des Systemkonflikts zwischen Ost und West haben sich ähnliche Mechanismen ausgeprägt, die insbesondere die Erteilung von UN-­Mandaten zur Friedenssicherung blockieren. Die weitgehenden rechtlichen Kompetenzen zur Intervention kommen dadurch nicht zum Zuge. Die unmittelbaren Opfer können nicht geschützt werden, wie der Kosovo­ und der Syrien-­Konflikt zeigen. Darum sind alternative Möglichkeiten für Friedenseinsätze wichtig.11

Wir befürworten ausdrücklich die Leitidee eines „gerechten Friedens durch Recht“, wie sie die EKD­-Friedensdenkschrift von 2007 entfaltet hat.12 Die Denkschrift setzt auf eine rechtsverbindliche, internationale Friedensordnung, die dem Vorrang ziviler Konfliktbearbeitung verpflichtet ist. Sie be­tont die Grenzen des rechtserhaltenden Gebrauchs militärischer Gewalt und bindet die Anwendung von Zwangsmitteln an strenge ethische und völkerrecht­liche Kriterien. In dieser Leitidee des „gerechten Friedens durch Recht“ sehen wir eine angemes­sene Wahrnehmung der staatlichen Aufgabe, „in der noch nicht erlösten Welt, in der auch die Kirche steht, nach dem Maße menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen“ (Barmen V).

Im Zusammenhang der völkerrechtlichen Blocka­de ist auch der Umstand zu nennen, dass weder die USA noch Russland als Mitgliederstaaten dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag beigetreten sind und dessen Autorität und Vollmacht somit nicht anerkennen. Russland hat jüngst seine Unterschrift unter dem Statut des ICC zurückgezo­gen. Auch China und Indien lehnen die Idee eines Internationalen Strafgerichts ab, das als überstaat­liche Instanz gegründet wurde, um weltweit Kriegs­verbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verfolgen. Die Durchsetzung des Völkerstrafrechts und eine internationale Straf­justiz sind jedoch unverzichtbar, damit die Verant­wortlichen für Völkermord, Kriegsverbrechen und Angriffskrieg nicht ungestraft davonkommen.

Wenn mit den Mitteln des internationalen Strafrechts ef­fektiv gegen hartnäckige und brutale Menschen­rechtsverletzungen vorgegangen werden soll, dann kann dies nur überzeugend geschehen, wenn alle Staaten diese übergeordnete Justiz zuverlässig an­erkennen. Biblisch­theologisch steht uns die zeitkri­tische Vision des Propheten Jesaja vor Augen, der die Völker zum Zion kommen sieht, um dort recht­liche Weisung (nach Art eines Schiedsgerichts) zu erhalten: „Und Gott wird Recht sprechen zwischen den fremden Völkern und richten zwischen vielen Völkern. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflug­scharen und ihre Lanzen zu Winzermessern um­schmieden. Kein fremdes Volk wird mehr gegen ein anderes sein Schwert erheben, und niemand wird mehr Kriegshandwerk lernen.“ (Jes 2,4)

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11 Alternativen werden gegenwärtig diskutiert unter den Stichworten „Responsibility to Protect“ (R2P) und „Just Policing“. R2P meint: Wenn ein Staat keine Verantwor­tung mehr für den Schutz seiner Bevölkerung überneh­men kann oder will, gilt er in dem R2P-­Konzept als nicht mehr souverän. Bei schweren Menschenrechtsverletzun­gen kommt deshalb der internationalen Staatengemein­schaft eine unterstützende ›Schutzverantwortung‹ zu. Wenn rechte Absicht, ultima ratio, Verhältnismäßigkeit und vernünftige Erfolgsaussichten vorliegen, kann der UN-­Sicherheitsrat über zivile (und zuallerletzt über mili­tärische) Einsätze entscheiden.
Diese umfassen Vorbeu­gung (Prävention), Reaktion und Wiederaufbau. „Just Policing“ meint in zwischenstaatlichen Konflikten, dass militärische Gewalt durch polizeiliche Zwangsmaßnah­men ersetzt wird, d. h. durch das Völkerrecht legitimierte, z. B. den Vereinten Nationen unterstehende internationale Polizeikräfte. Spätestens seit der Berufung Russlands auf R2P bei der Annexion der Krim und in der Ukraine gilt R2P vie­len als gescheitert. Vgl. Hans-­Richard Reuter, Ist das Konzept der Schutzverantwortung gescheitert? In: Zeit­schrift für Evangelische Ethik 60 (2016), 83­87.
Und auch das Just-­Policing-­Konzept weist folgendes Problem auf: „Just Policing ist auf ein funktionierendes Gewaltmono­pol der Vereinten Nationen angewiesen. Auch wenn mit dem UN­-Sicherheitsrat ein Autorisierungsmonopol für die Anwendung von Gewalt vorliegt, fehlt ein rechtsstaatlich eingehegtes Gewaltmonopol. [...] Angesichts einer nur unvollständigen Weltinnenpolitik verbleibt das Konzept Just Policing gezwungenermaßen unterhalb der Schwel­le der militärischen ultima ratio. Damit bleibt die grund­legende friedensethische Frage nach der Legitimation militärischer Gewaltanwendung weiterhin bestehen und internationale Polizeikräfte in der akuten Konfliktphase auf die Kooperation mit dem Militär angewiesen.“ Ines­-Jacqueline Werkner, Just Policing: ein neues Paradigma, in: Dies. / Klaus Ebeling (Hg.), Handbuch Friedensethik, Wiesbaden 2017, 881­889, 888. Vgl. epd­-Dokumentation 22 (30.5.2017) Just Policing. Eine Alternative zur militäri­schen Intervention?
12 Vgl. Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sorgen. Eine Denkschrift des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 22007; Der gerechte Friede. Die deutschen Bischöfe 66, Bonn 2000. Online sind beide Publikationen zugänglich unter: https://www.nachhaltigkeit.info/media/1294153404phpN31LGz.pdf bzw. https://www.ekd.de/download/ekd_friedensdenk­schrift.pdf

 

Hintergründe und Diskussionsimpulse

Leitsatz VIII des „Zwischenrufs“ spricht unter dem Stichwort „gerechter Friede“ eine weltpolitische Frage von enormer Tragweite an. Allein die Definition ist nicht unkompliziert und wird auch von Kirchen stark diskutiert.
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Bilder bieten einen möglichen Einstieg für ein so komplexes Thema wie Frieden und Gerechtigkeit.
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Die Thematik des „just peace“ wird in biblischen Texten nicht unmittelbar thematisiert. Wohl aber gibt es Texte, die zu einer Diskussion der Frage anregen, wie Gerechtigkeit und Friede einander bedingen.
Bausteine für die Gemeindearbeit: Weiterführende Texte

Neben einer biblischen Annäherung an die Thematik gibt es auch Texte oder Textausschnitte aus Reden, die sich für eine Diskussion mit Gemeindegruppen eignen.
Zwischenruf zur Friedensverantwortung der Kirche

Der Reformierte Bund hat 2017 einen Zwischenruf zur Friedensverantwortung der Kirche veröffentlicht. Frieden sehen wir als zentrale Verheißung unserer Kirche. Am Frieden wollen wir kontinuierlich arbeiten.