Viele Menschen fühlen sich bei der gegenwärtigen Entwicklung an die Konflikte des ‚Kalten Krieges‘ erinnert. Denn spätestens mit der Ukraine-Krise seit 2014 wird eine erneute Ost-West-Polarisierung deutlich: Nach der völkerrechtlich illegalen russischen Annexion der Krim ist es zur Ausweitung von Sanktionen gekommen. Russland und die NATO halten demonstrativ Militär-Manöver ab. Moskau ist aus dem Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) ausgestiegen, und es gibt neue Pläne zur Aufstockung des Atomwaffenarsenals. Zudem wird der Beschluss der NATO vom Juli 2016 zur verstärkten Präsenz an der Ostgrenze auf russischer Seite als starke Provokation gewertet. Somit ist das Verhältnis von Russland und NATO von tiefem Misstrauen geprägt.
Überwunden geglaubte Verhaltensmuster und ein Freund-Feind-Denken werden sichtbar. Die angespannte Situation wurde weiter verschärft durch den Syrienkrieg sowie durch Hackerangriffe auf politische Institutionen in Frankreich und den USA, für die Russland verantwortlich gemacht wird. Auf jeden Fall steht das über Jahrzehnte mühsam erworbene politische und diplomatische Kapital durch die erneute Ost-West-Polarisierung vor einer großen Bewährungsprobe. Zudem bestehen bedenkliche militärische und wirtschaftliche Konfliktkonstellationen, an denen die Großmächte beteiligt sind, insbesondere im Mittleren und Nahen Osten, in mehreren Regionen Afrikas und im ostasiatischen Raum.
Die verschärften Konflikte der aktuellen Entwicklung stehen in scharfem Kontrast zu der in der Versöhnungstat Jesu Christi begründeten neuen Wirklichkeit (vgl. 2 Kor 5,1720; Eph 4, 2224). Gott hat in Jesus Christus Frieden gemacht und allen Menschen zugesagt sowie im Versöhnungsgeschehen die eine Menschheit neu geschaffen. Diese theologische Grundüberzeugung wird durch das neue Freund-Feind-Denken verhöhnt. Wir unterstreichen im Blick auf diese aktuellen Entwicklungen die grundsätzliche Aussage von 1982: „Feindschaft, Bereitschaft zur Vernichtung und Vergeltung, Haß und Menschenfurcht leugnen die Wirklichkeit der Versöhnung der Welt mit Gott, deren Wahrheit Gott in der Auferstehung des Gekreuzigten offenbar gemacht hat [...]. In Christus sind wir alle mit Gott und darum auch miteinander versöhnte Menschen, die sich nicht wie Unversöhnte meiden, bedrohen, abschrecken oder gar vernichten dürfen“ (These II).