In Leitsatz VII und seiner Erläuterung begegnet der Ausdruck „widerständige Besonnenheit“:
„Umso wichtiger ist es, der verändernden Kraft des Geistes Gottes zu vertrauen und der Angst vor Terrorismus mit widerständiger Besonnenheit zu begegnen. Diese Haltung blendet die realen Gefahren, Bedrohungen und erfolgten Anschläge nicht aus. Sie setzt aber darauf, eine widerständige Spiritualität der Friedfertigkeit einzuüben, die die Hysterie meidet. Denn sie kennt die Wirkung der Angst vor der Angst und tritt ihr deshalb nicht naiv, sondern aufgeklärt entgegen. […] ‚Damit ihr Frieden habt in mir‘ (Joh 16,33) – dieses Wort Christi zielt auf jene Kompetenz zu widerständiger Besonnenheit, zu der Gottes Geist den Glauben anstiftet.
In der Broschüre „Zehn Regeln für Demokratie-Retter“ (Bonn 2017) rät der Journalist Jürgen Wiebicke zu einer politischen Haltung der „verbindende[n] Gelassenheit mit Leidenschaft“:
„Wie kann ich aufmerksam bleiben für das, was derzeit in der Welt geschieht, ohne an ihr irre zu werden? Wie mich in Bewegung setzen, ohne beim ersten Windhauch gleich wieder aufzugeben? Es ist ja ein Kunststück, nicht in den Strudel der Angst hineinzugeraten, der schon so viele erfasst hat. Wir waren lange vertraut damit, ein Leben in Sicherheit zu führen, da fällt die mentale Umstellung auf Krisenmodus verständlicherweise schwer. Gerade bei politisch denkenden Menschen mehren sich die Momente purer Verzweiflung. [Es geht darum], dass wir lernen müssen, mit Paradoxien umzugehen: den Ernst der Lage begreifen und trotzdem cool bleiben. Wissen, dass man als Einzelner wenig machen kann, aber dennoch vieles probieren. […]
Unser Körper weiß, was zu tun ist, wenn wir uns nicht einschüchtern lassen wollen, und in der Sprache drücken wir es aus: Rückgrat zeigen, den aufrechten Gang üben. Wer dies tut, verlässt seine innere Burg und gibt anderen ein Zeichen. Ich bin bereit, diese Welt nicht nur irgendwie zu ertragen, sondern aktiv mitzugestalten. Wenn wir Haltung annehmen, wenden wir uns zum Du und machen die Dinge nicht mehr alleine mit uns aus. Wer Haltung zeigt, verwandelt Angst in Furcht. Allein diese beiden Gefühlszustände auseinanderzuhalten, könnte schon helfen. Die Angst ist diffus, sie sieht überall Gefahren lauern, weiß aber nicht genau, wo. Angst ist eine Erfahrung von Ohnmacht. Immer ist mit dem Schlimmsten zu rechnen, nirgendwo tut sich ein Ausweg auf. Die Furcht dagegen ist begründet, sie richtet sich auf Gefahren, die konkret benannt werden können. Furcht ist rational: Wer sich fürchtet, kennt das Problem und kann es bearbeiten. Die Angst verleitet uns dagegen, irrational zu handeln. Angst ist deshalb der kostbarste Rohstoff für Demagogen. […] Es wird im Alltag an Gelegenheiten, Haltung zu zeigen, nicht mangeln. […]
Es wird nicht einfach sein, das Spannungsverhältnis zwischen Gelassenheit und Leidenschaft auszubalancieren. Jede Tugend für sich allein hat ihre Tücke, sie hat das Potenzial, in Untugend umzuschlagen. Wer zu gelassen ist, dem fehlt die Bereitschaft, sich zu empören, wenn es darauf ankommt. Der allzu Gelassene wird phlegmatisch, bringt sich in Distanz zur Welt, nimmt nicht mehr teil. Deshalb braucht die Tugend der Gelassenheit die Leidenschaft als Schwester an ihrer Seite. Aber auch die darf nicht für sich allein stehen. Denn Leidenschaften können auch politisch blind machen. Ohne die nötige Leidenschaft würden wir uns nicht in Bewegung setzen, aber nur mit ihr allein verrennen wir uns, sind schon mitten im Kampf, bevor wir den Gegner genauer kennengelernt haben. Tugenden muss man trainieren, das wusste schon Aristoteles. Man hat sie nicht einfach, sondern man muss sie beständig einüben. Unser Demokratie-Muskel ist durch lange Passivität derzeit ziemlich untrainiert. Jetzt zwingen uns die Verhältnisse dazu, endlich wieder in Bewegung zu kommen.“ (109–112)
In der Erläuterung von Leitsatz VII wird zudem der Begriff „Entängstigung“ verwendet:
„Widerständige Besonnenheit ist nicht einfach untätig, sondern in ihrer Untätigkeit vielmehr höchst tätig – und zwar zugunsten einer Entängstigung und Entmythologisierung. Sie entwaffnet den angstbasierten Mythos von der Herrschaft des Terrors, indem sie sich ihm nicht unterwirft.“