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Von vorne
Nes Ammim - aus dem Alltag in einem nicht-alltäglichen Dorf in Israel. 61. Kapitel
Tobias Kriener erzählt:
13.9.2017
So richtig viel los ist ja nicht - jedenfalls kommt es mir so vor: Es geht eben alles wieder von vorne los mit den neuen Freiwilligen: Führung durch Nes Ammim, Einführung in Schabbat, Führung durch Regba mit Tanja Ronen (bei der Gelegenheit entstand in diesem Jahr das Bild vom Friedhof des zerstörten arabischen Dorfes Samaria und von dem großen Bild von den Anfangszeiten von Regba auf einer der Fabrikhallen der Küchenfabrik).
Die neuen Volos sind wieder sehr OK. Nur große Zocker scheint auch dieser Jahrgang nicht in seinen Reihen zu haben - bisher kam nur eine Partie Agricola zustande. Vielleicht habe ich sie damit ja auch völllig überfordert - und nun trauen sie sich gar nicht mehr zum Boardgame Evening. Was die Musik angeht hoffen wir noch auf eine angekündigte Trompete und einen talentierten Pianisten.
Eine große Neuigkeit gab es aber doch nach meiner Rückkehr: Die Moshavniks und Kibbuzniks haben das Verkehrsministerium weichgeklopft gekriegt. Sie hatten wohl die Faxen dicke, ständig auf dem Zulassungsamt die Fahrerlaubnisse für ihre ausländischen Arbeiter beantragen zu müssen. Diese ganze Bürokratie ist jetzt ersatzlos gestrichen worden - wovon auch wir profitieren: Sobald mein Pass zurück ist vom Außenministerium mit dem verlängerten Visum, gehe ich hin und lasse mir einen Schein ausstellen, mit dem ich dann solange in Israel rumfahren darf, wie meine Aufenthaltserlaubnis gültig ist. Es ist fast schon ein bisschen schade, dass ich mich jetzt nicht in einer israelischen Fahrprüfung beweisen durfte - ich fand, ich hatte in meinen Fahrstunden schon ganz gute Fortschritte gemacht. Vor allem aber entgeht natürlich jetzt den Fahrlehrern im Land ein einträgliches Geschäft.
Das ganze ist jetzt nur noch eine Sache von wenigen Minuten - ich habe Tabea schon mal begeleitet, als sie sich ihren Schein abgeholt hat. Es war gespenstisch: Eine halbe Stunde nach Öffnung des Amtes herrschte gähnende Lehre vor den Schaltern, weil die wenigen Kunden bereits abgefertigt waren. Man kommt gar nicht dazu, zwischendurch eine Zigarette draußen zu rauchen - so schnell kommt man dran. Ich hoffe ja nur, bis ich dort vorspreche, haben sie nicht das Personal, das sich jetzt langweilt, schon abgezogen, so dass man dann nur noch an einem Schalter bedient wird - und sich dann natürlich wieder Warteschlangen bilden werden; so paradiesisch kann es ja auf die Dauer nicht bleiben.
Und mein Arabischkurs ist zu Ende gegangen - ein bisschen abrupt und eine Woche früher als ursprünglich vorgesehen. Eigentlich hätte gestern die letzte Stunde sein sollen - aber weil die Kolleg_innen Nava und Shimon nicht konnten, haben wir den Abschied kurzerhand um eine Woche vorverlegt mit einer kleinen Runde in einer Burgerbude im "Kanyon" gegenüber, wo wir Schüler den Lehrer und der Lehrer uns Schüler noch mal über den grünen Klee gelobt und uns gegenseitig unserer Hochachtung versichert haben - ziemlich orientalisch das ...
Ich kann nun nicht Arabisch sprechen. Ziel insofern also klar verfehlt. Und das liegt nicht nur daran, dass ich aufgrund meines Urlaubs die Hälfte des zweiten Kurses verpasst habe. Der eigentliche Grund ist, dass ich einfach im täglichen Leben zu wenig dazu komme, Arabisch zu sprechen, deshalb die Worte nicht hängen bleiben, was es wiederum noch schwerer macht, überhaupt ein Gespräch auf arabisch anzufangen - und so bin ich Kreislauf raus aus Arabisch.
Gleichwohl habe ich viel davon gehabt: Ich habe eine Menge davon verstanden, wie Arabisch funktioniert; mein Ivrit hat zweifellos davon profitiert, Arabisch auf Hebräisch zu lernen; und ich habe ein paar sehr nette Menschen kennengelernt: Nava, Shimon und Jisrael zusammen mit unserem Lehrer Achmad - das war immer äußerst vergnüglich - ich glaube, auf dem Bild kommt das auch rüber, was für humorvolle Typen das sind. Schade, das es jetzt vorbei ist. Ich könnte mir schon vorstellen, dass ich einfach noch mal alles von vorne mache - so eine Klassenwiederholung würde womöglich ganz effektiv sein. Aber abgesehen davon, dass es schweineteuer ist, müsste ich eben konsequent Zeit dafür einsetzen - die dann für die Arbeit hier fehlt.
Also: So ganz zufrieden bin ich natürlich nicht. Aber so ist es eben im Leben: Das meiste bleibt Stückwerk - insofern ist es gut so, wie es jetzt mit meinem Einblick in Arabisch war ...
Und zum Schluss noch mal was Bekanntes: wieder einmal Jerusalem. Ich hatte die Ehre, den Gottesdienst in der Erlöserkirche zu halten. Wir sind wieder am Samstag zuvor bei gemäßigtem Verkehr stressfrei gefahren, haben Shmuel und Chaja besucht, die uns auf einen Spaziergang durch Abu Tor mitnahmen, wo wir noch mal neue Perspektiven auf Jerusalem sahen, und danach ein neues nettes Restaurant im Emek Refaim kennengelernt.
Der Gottesdienst dann war wieder sehr schön - so ein begnadeter Organist auf einer richtig schönen Orgel ist schon was Feines ... Für meine Predigt bekam ich vom Leiter des Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung das Lob, sie sei "rundherum politically correct" gewesen - aus dem Munde eines Freien Demokraten eine eher zweifelhaftes Kompliment - er meinte es aber wirklich absolut positiv! (Ich hänge sie an, dann könnt Ihr Euch ja selbst ein Urteil bilden.)
Die Rückfahrt war dann der Alptraum: Wir hatten uns ausgerechnet, wenn wir um 14.30 abfahren, müssten wir es bis 17.30 nach Nes Ammim schaffen - Zeit genug, noch das HOPS für den Gottesdienst herzurichten. Es wurden dann mehr als 4 1/2 Stunden Fahrt, mit Staus auf der ganzen Strecke und kurz vor Jokneam einem schweren Unfall, wegen dem die Autobahn fast eine ganze Stunde völlig gesperrt war und nix mehr ging. Die Volos haben dann den Raum hergerichtet, und wir kamen um 10 nach 7 an.
Tobias Kriener