Wichtige Marksteine
Reformierte im Spiegel der Zeit
Geschichte des Reformierten Bunds
Geschichte der Gemeinden
Geschichte der Regionen
Geschichte der Kirchen
Biografien A bis Z
(um 1520-1556/57)
Valérand Poullain wird um 1520 in Frankreich, möglicherweise Burgund, geboren. 1527 kauft sein Vater für sich und seine Familie das Bürgerrecht in Lille. Poullain gibt als Heimat später Lille an. Er studiert bei dem Humanisten Mathurin Cordier und empfängt von ihm grundlegende Prägungen. Wahrscheinlich kommt er auch hier schon mit dem evangelischen Glauben in Berührung. Danach studiert Poullain an der Universität Löwen, die von Auseinandersetzungen zwischen Vertretern der via antiqua und der via moderna geprägt ist. Der Humanismus ist an dieser Universität nur von untergeordneter Bedeutung.
Nach seinem Studium wird Poullain im Jahr 1540 zum Priester geweiht und erhält im selben Jahr auf Empfehlung Karls V. eine Pfründe. Über seine nächsten drei Lebensjahre ist nichts bekannt. 1543 hält er sich in Straßburg im Hause Martin Bucers auf und schreibt von dort aus einen Brief an Guillaume Farel. Möglicherweise hat er Farel und Johannes Calvin kennen gelernt, als die beiden Genfer Reformatoren Straßburg im Sommer 1543 besuchen. Vermutlich ist er auch in Straßburg zum evangelischen Glauben übergetreten. Sicher ist, dass er sich der dortigen französischsprachigen Flüchtlingsgemeinde anschließt. Poullain arbeitet zunächst als Erzieher beim Grafen von Nieder-Isenburg, dessen Söhne er in den Sprachen unterrichtet. Seine Bemühungen, die jungen Grafen zum evangelischen Glauben zu erziehen, scheitern. Die Grafen bleiben katholisch.
Im Herbst 1544 wird Poullain als Vertreter des Pfarrers der Straßburger Fremdengemeinde, Pierre Brully, nach Straßburg gerufen. Poullain bemüht sich um Liturgie und Lehre der Gemeinde, insbesondere um eine ordentliche Durchführung der Kirchenzucht. Zu diesem Zweck sucht er die Unterstützung Calvins ebenso wie des Straßburger Rats. Doch in der Gemeinde herrscht Streit, auch um die Pfarrer. 1545 wird Jean Garnier gewählt, und Poullain verlässt Straßburg. Er reist in verschiedene Gemeinden am Niederrhein und in den Niederlanden, wird wohl auch von Calvin und Bucer als Vertrauensperson benutzt. Besonderen Anteil nimmt er an den Geschicken der Gemeinde von Metz und an der Kölner Reformation. Zur Vermittlung zwischen den Evangelischen reist er nach Wesel. Neben seiner Reisetätigkeit schreibt Poullain sein erstes theologisches Werk, den "Traicté tres vtile du S. Sacrement de la Cene". Hier vertritt er eine Abendmahlslehre, die der Bucers stark ähnelt.
Im Frühjahr 1547 kommt es zu einer Entfremdung von Calvin, als Poullain sich mit Isabelle de Haméricourt, dame de Willercies, verlobt. Calvin hatte sich ebenfalls nach einer Braut für Poullain umgesehen und eine Frau namens Merne ins Auge gefasst, während Willercies eigentlich durch Jacob von Burgund, Herr von Falais, einem anderen hatte vermittelt werden sollen. Da ein Eheversprechen dem Eheschluss gleichgesetzt wird, hält Calvin Poullain für einen Bigamisten. Es kommt zu einem Prozess in Basel, in dessen Folge Willercies einen französischen Adeligen heiratet und Poullain eine Schwägerin Franciscus Dryanders – nicht seine ursprüngliche Verlobte Merne. Zwei Jahre später unterwirft Poullain sich der Genfer Kirchenzucht.
Infolge des Interims zieht Poullain gemeinsam mit Bucer und Fagius nach England, wo er zunächst Erzieher des Sohnes des Grafen von Derby in London wird. Dort nimmt er auch am Leben der neugegründeten Londoner Fremdengemeinde unter Johannes a Lasco teil. Er veröffentlicht den "Temporiseur", eine kommentierte Übersetzung von Wolfgang Musculus' "Proskairos", und die "Liturgia sacra" der Straßburger Fremdengemeinde, die den englischen Gemeinden bei ihrer Reformation als Vorbild dienen soll.
Nach Gründung einer kleinen Fremdengemeinde von wallonischen Webern in Glastonbury in Somerset 1550 wird Poullain als Prediger in die Gemeinde gerufen und 1552 von König Edward VI. als deren Superintendent bestätigt. Für diese Gemeinde übersetzt er die "Liturgia sacra" ins Französische und veröffentlicht sie in leicht veränderter Fassung gemeinsam mit dem Bekenntnis der Gemeinde, der "Confession de foy", unter dem Titel "L'ordre des prieres et ministere ecclesiastique". Die "Confession de foy" muss von jedem Gemeindeglied bei der Aufnahme auswendig aufgesagt werden.
Nach dem Tod Edwards VI. und der Thronbesteigung seiner katholischen Halbschwester Mary Tudor müssen die evangelischen Flüchtlinge das Land verlassen. Poullain nimmt noch an einem Gespräch über die Abendmahlslehre teil, zu dem Mary für Oktober 1553 geladen hat, sammelt und veröffentlicht die Akten. Gegen Ende des Jahres verlässt er mit den Resten seiner Gemeinde England.
Sie ziehen zunächst nach Antwerpen, können dort jedoch aufgrund ihrer Abendmahlslehre nicht bleiben, und reisen weiter nach Wesel. Auch in Wesel herrscht Streit zwischen den Evangelischen. Poullain versucht zu vermitteln. Am 15. März reicht er beim Stadtrat von Frankfurt die Petition ein, ihn und seine Weber sowie nachkommende ausländische Flüchtlinge aufzunehmen und ihnen die Gottesdienstausübung zu gestatten. Am 18. März gibt der Rat der Bitte statt. Einen Monat später erlaubt er den Flüchtligen die Benutzung der Weißfrauenkirche, und Poullain hält den ersten Gottesdienst. Doch schon bald kommt es zu Auseinandersetzungen mit den lutherischen Stadtpredigern. Den Fremden wird vorgeworfen, eine falsche Abendmahlslehre und täuferische Ansichten zu vertreten.
Poullain reicht Kirchenordnung und Bekenntnis der Gemeinde beim Rat ein und lässt sie im Herbst drucken, um sich und die Gemeinde von den Vorwürfen zu reinigen. Die Ordnung erscheint auf Latein unter dem Titel "Liturgia sacra" und "Professio fidei catholicae". Der Rat verfügt, dass auch die Engländer, die inzwischen in Frankfurt angekommen sind und eine Gemeinde gründen wollen, sich an Zeremonien und Bekenntnis der französischen Fremdengemeinde halten. Im Druck von 1554 sind Ordnung und Bekenntnis von französischen wie englischen Pfarrern und Ältesten unterschrieben.
Schon bald kommt es zu ersten Streitfällen innerhalb der Fremdengemeinde: Nachkommende Flüchtlinge monieren, wie Poullain die Gemeinde leitet und dass der Kirchenrat von den Flüchtlingen aus Glastonbury dominiert wird. Sie werfen Poullain vor, er sei in Frankfurt nicht rechtmäßig gewählt, und fordern Neuwahlen. Im März 1555 kommt Richard Vauville nach Frankfurt und wird zum zweiten Prediger gewählt. Ihm gelingt es, die Gemüter zu beruhigen. Doch er stirbt nach wenigen Monaten an der Pest. Im Sommer 1555 wird der Streit vor den Stadtrat getragen. Der Rat setzt Johann von Glauburg, der seit Beginn Ansprechpartner für die reformierten Flüchtlinge war, als Schiedsrichter ein. Glauburg gibt im Frühjahr 1556 seinen Schiedsspruch bekannt, doch der fruchtet nicht. Poullain und die Ältesten exkommunizieren ihre Gegner. Calvin schlägt erstmals, wenn auch indirekt, Poullains Rücktritt vor. Drei der Exkommunizierten reichen Beschwerde beim Rat ein. Im Sommer wird nach längerer Vakanz die zweite Pfarrstelle mit Guillaume Houbraque wiederbesetzt.
Schließlich setzt der Rat ein Schiedsgericht ein. Calvin, der sich zur Messe und um die Streitigkeiten zu schlichten in Frankfurt aufhält, präsidiert, neben ihm sitzen Johannes a Lasco, Robert Horne, der Pfarrer der englischen Flüchtlingsgemeinde, und fünf weitere Prediger und angesehene Männer. Der Schiedsspruch gibt Poullains Anklägern in sieben von 24 Klagepunkten recht. Poullain reicht seinen Rücktritt ein.
Am 20. Oktober 1556 bittet er auch beim Rat um seine Entlassung, verlässt Frankfurt jedoch nicht und stirbt dort im Herbst oder Winter. Das genaue Todesdatum ist nicht bekannt. In einem Brief vom April 1557 wird er als verstorben bezeichnet.
Poullains Bedeutung liegt in der Organisation der Kirche, dem Aufbau der Fremdengemeinden in Glastonbury und Frankfurt. Die "Professio fidei catholicae" ist heute noch Bekenntnis der reformierten Gemeinde Frankfurts. Die erste Veröffentlichung der "Liturgia sacra" von 1551 ist ein wichtiges kirchenhistorisches Zeugnis für Liturgie und Ordnung der Straßburger Fremdengemeinde und somit auch für Calvins Theologie.
John Knox
(1514-1572)
John Knox ist der Organisator der calvinistischen schottischen Reformation. Er wird um 1514 in Giffordgate geboren, einer Vorstadt von Haddington (Schottland). Er stirbt am 24. November 1572 in Edinburgh.
Nach dem Besuch der Lateinschule in Haddington studiert Knox an der Universität Glasgow Theologie und Jura. 1536 wird er als Priester ordiniert. 1540 wirkt er als Notar in Haddington, später auch als Hauslehrer bei mehreren Grafen. Knox wendet sich der Reformation durch Einflüsse der Prediger Thomas Gwilliam und George Wishart zu. Mit Wishart pflegt er bis zu dessen Märtyrertod am 1. März 1546 Umgang. Als es bald nach Wisharts Verbrennung in St. Andrews zu einem Aufstand kommt, dem Kardinal Beaton zum Opfer fällt, berufen die Protestanten der Stadt John Knox zum Prediger.
Im Juli 1547 wird der Aufstand mit französischer Hilfe niedergeschlagen. Dadurch gerät auch Knox bis Februar 1549 in Gefangenschaft auf einer französischen Galeere. Danach erhält er durch die englische Regierung unter Edward VI. (1547-1553) Predigerstellen in Berwick am Tweed, nahe der schottischen Grenze, und 1551 in Newcastle. Das Amt eines Bischofs von Rochester lehnt er ab, wie er sich überhaupt gegen die episkopale Verfassung und den katholischen Kultus der anglikanischen Kirche einsetzt.
1552 arbeitet Knox an der zweiten Ausgabe des "Book of Common Prayer", einem anglikanischen Glaubensbekenntnis, mit. Er setzt als Kompromiss die Einfügung der "schwarzen Rubrik" durch. Sie verdeutlicht, dass durch den Empfang des Abendmahls im Knien nicht die reale Gegenwart Christi in den Elementen ausgedrückt wird, da Christus im Himmel zur Rechten Gottes sitzt.
Als die katholische Maria Tudor (1553-1558) den englischen Thron besteigt, flieht John Knox im Januar 1554 nach Genf, wo er ein Schüler Calvins wird. Von November 1554 bis März 1555 weilt er als Pastor in Frankfurt am Main, wohin er von einer reformierten Gemeinde aus englischen und französischen Flüchtlingen berufen wird. Hier hat Knox zwischen zwei Parteien zu vermitteln, die die anglikanischen Riten gemäß dem "Book of Common Prayer" beibehalten bzw. abschaffen wollen. Knox hält diese Riten zwar für unbiblisch, aber an sich nicht widergöttlich. Er wird vom Frankfurter Magistrat der Stadt verwiesen, da er Kaiser Karl V. und seinen Sohn Philipp öffentlich angreift.
Im Herbst 1555 kehrt er vorübergehend nach Schottland zurück, wo noch Maria Stuarts Mutter Maria von Guise anstelle ihrer unmündigen Tochter regiert. Da die Durchführung der Reformation in Schottland auch jetzt noch aussichtslos ist, wirkt Knox vom Spätsommer 1556 bis Frühjahr 1559 nochmals in Genf, jetzt als Pfarrer der englischen Flüchtlingsgemeinde und als Mitarbeiter an einer englischen Bibelübersetzung, der "Geneva Bible". Den schottischen Adel fordert er von Genf aus auf, die Reformation voranzutreiben. Die protestantischen Adligen schließen am 3. Dezember 1557 einen Bund (congregation) zur Verteidigung der evangelischen Kirche.
Nach seiner Rückkehr nach Schottland tritt John Knox im Bündnis mit dem auch politisch motivierten Adel eminent für die Reformation ein, die er als Abschaffung des Götzendienstes proklamiert. Klöster werden geplündert und Heiligenbilder zerstört. Knox betätigt sich als Unterhändler für ein Bündnis zwischen dem schottischen Adel und der neuen Königin Elisabeth I. von England gegen den gemeinsamen Gegner Frankreich unter Franz II. mit seiner Frau Maria Stuart (1542-1567). Maria von Guise wird abgesetzt, nachdem die französischen Truppen in Schottland besiegt sind.
Im August 1560 wird vom Parlament ein Glaubensbekenntnis - die Confessio Scotica - angenommen, an dem Knox maßgeblich mitgewirkt. Die päpstliche Jurisdiktion wird abgeschafft und der katholische Kultus verboten. Knox wird Prediger in Edinburgh und fordert fortan die konsequente Durchsetzung des Verbots der Messe auch am Hofe der Königin Maria Stuart. Sie hat die protestantische Reformation nie förmlich bestätigt und wird die härteste Widersacherin von John Knox. Von Edinburgh aus forciert Knox nun den Aufbau der presbyterianischen Kirche in Schottland. Nach der Ermordung des italienischen Sekretärs der Maria Stuart verlässt Knox Edinburgh, um sich in Sicherheit zu bringen. Erst nach der Inhaftierung der Königin 1567 kehrt er zurück und fordert ihre Hinrichtung wegen Gattenmordes und Ehebruchs.
Erst jetzt werden die Parlamentsbeschlüsse von 1560 unter der Regentschaft des Grafen Murray bestätigt. 1570 muss Knox die Stadt nochmals verlassen, da er sich mit seinen Predigten gegen die Partei der Königin in Gefahr bringt. Einige Monate vor seinem Tod kehrt er zurück.
John Knox fällt als Prediger durch seine Kompromisslosigkeit auf, mit der er sich viele Feinde macht. Andererseits zeugen viele seiner Briefe von seinen Fähigkeiten als Seelsorger. Trotz seiner Mitwirkung an Bekenntnissen und Kirchenordnungen ist Knox weniger Theoretiker als praktischer Organisator der schottischen Reformation. Über Jahrzehnte in harte politische Auseinandersetzungen verwickelt, entwirft er eine Theorie des Widerstandsrechtes gegen politische Herrschaften, die den Glauben unterdrücken. Auf seinem Werk basiert der schottische Protestantismus, in dem sich der Calvinismus als Puritanismus anstelle des Anglikanismus durchsetzen kann. Knox wird auch als Kirchengeschichtsschreiber wichtig. Sein Werk über die schottische Reformation ist autobiographisch bedeutsam.
Frauke Brauns