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Die europäische Dimension des Calvinismus - international einmalige Ausstellung im Deutschen Historischen Museum eröffnet
Ministerpräsident Balkenende sprach über die moralische Kraft im Denken Calvins
Den internationalen Charakter der Geschichte des Calvinismus und seine moralische Kraft brachte Jan Peter Balkenende, Ministerpräsident der Niederlande den rund 800 geladenen Gästen nahe. „Ich bin auch ein Niederländer“ habe Calvin an Bullinger geschrieben. Das Zusammengehörigkeitsgefühl über Ländergrenzen hinweg nannte Balkenende als ein Wesensmerkmal des Calvinismus. In die Politik habe der Calvinismus das Recht zum Widerstand gegen eine ungerechte Regierung eingebracht. Darüber hinaus sei in Calvins Denken eine moralische Kraft beschlossen. Im Blick auf die Finanzkrise zeigte Balkenende die Bedeutung dieser Kraft für heutige Politik. Bei allem Vorbehalt, die Missständer in der römisch-katholischen Kirche des 16. Jahrhunderts mit der gegenwärtigen überzogenen Bonuskultur zu vergleichen, führte der Ministerpräsident aus, worin Calvin aktuell ist. Die Gesellschaft brauche einen starken moralischen Anker. Gegen das Streben nach wirtschaftlichem Erfolg, Fleiß, Arbeitseifer und Pflicht habe Calvin nichts einzuwenden gehabt, wohl aber gegen Wucher, Prahlerei und Dekadenz. Die Zeit sei reif dafür, die Finanzaufsicht um eine moralische Komponente zu ergänzen. Damit unterstrich Balkenende seine Übereinstimmung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Forderung nach einer globalen Charta für nachhaltiges Wirtschaften. Die Einladung des Deutschen Historischen Museums zur Eröffnung der Ausstellung zu sprechen, hatte Balkenende, selbst tief im Calvinismus verwurzelt, gerne angenommen und hob mit einem Calvin-Zitat die Bedeutung der Ästhetik im Calvinismus neben der Geschichte und der Moral hervor: Die Erfindung der Künste sei eine löbliche Tugend.
Hans Ottomeyer, Präsident der Stiftung Deutsches Historisches Museum, nannte neben dem Anlass zur Ausstellung, dem 500. Geburtstag Johannes Calvins, den eigentlichen Grund dieser Ausstellung. Der sei, sich Europa zu vergegenwärtigen jenseits der Grenzen der Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts. Die zweite Reformation ist, so Ottomeyer, in historischen Darstellungen untergegangen, weil sie nicht in nationale Mythen aufgenommen ist. Die ausgestellten Kunstwerke überlieferten eine materielle Kultur, die Europa verbindet. Zahlreiche Leihgaben aus ganz Europa, besonders aus Utrecht, Genf und Emden, zeigen die engen Verbindungen, die adelige Dynastien reformierten Glaubens pflegten. Angeregt habe die Ausstellung, die weltweit die einzige große Ausstellung zum Calvinismus im Calvinjahr 2009 ist, die Johannes a Lasco Bibliothek in Emden, namentlich Walter Schulz. Ohne die Bibliothek mit ihren Sammlungen, so Ottomeyer gegenüber der Presse, hätte das Museum die Ausstellung nicht gewagt. Bereits zur Eröffnung deute sich ein großer Erfolg der Ausstellung an. Die Bücher für die Führungen seien bereits gut angefüllt.
Von Seiten der Johannes a Lasco Bibliothek dankte Kirchenpräsident Jann Schmidt dem Museum für die Kooperation. Mehr Differenzierungen täten not, um Leben und Werk Johannes Calvins zu verstehen, denn der Zugang zu ihm sei durch Polemiken verzerrt und verdunkelt. Das Calvinjahr sei eine Chance, die Spur von Calvins Leben und Wirken nochmals aufzunehmen. Der Ausstellung wünschte der Kirchenpräsident der Evangelisch-reformierten Kirche breites öffentliches Interesse und nachhaltige Wirkung.
Bischof Wolfgang Huber nannte in seiner Ansprache Calvin einen „Theologen der Krise“. Wie keine andere christliche Konfession sei die reformierte von Verfolgung und Flucht betroffen – Calvin selbst sei mit 25 Jahren aus seinem Heimatland Franreich vertrieben worden. Dies bestimme das Lebensgefühl vieler Reformierter bis heute. Die Eigenständigkeit der Gemeinde, der ausgeprägte Internationalismus und das Widerstandsrecht hob Huber als bezeichnend für die reformierte Konfession hervor. In Situationen der Bedrängnis sei die Dynamik des Calvinismus entstanden, die nach außen und innen wirke. In einem Reformprozess, so der Ratspräsident der Evangelischen Kirche in Deutschland, sei die evangelische Kirche gut beraten, dieses Erbe zu beherzigen.
Thomas de Maizière, Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben, verwies auf die reformierte Aufteilung der Ämter in der Gemeinde. Diese habe den Gedanken der politischen Gewaltenteilung vorbereitet, die presbyterianische Kirchenleitung sei eine Wurzel der Demokratie. De Mezière, der aus einer Hugenottenfamilie stammt, erinnerte auch an den Nachfolger Calvins in Genf, Theodor Beza. Beza habe erkannt, die Völker seien älter als ihre Magistrate, so sei kein Volk für seinen Magistrat, sondern der Magistrat für sein Volk geschaffen. Diese Erkenntnis sei ein Fundament für die Volkssouveränität.
Von einer besonderen Form calvinistischer Kunst, dem Psalmengesang, waren die Worte der Redner umrahmt. Unter Leitung von Klaus-Martin Bresgott trug das Vocalconsort Berlin Psalm 8, „O nostre Dieu“ von Jan Pieterszoon und Psalm 2, „Worauf ist doch der Heiden Tun gestellt?“ von Felix Mendelssohn Bartholdy vor.
Ansgar Reiß, der zusammen mit Sabine Witt die Ausstellung erstellte, zeigte sich gegenüber der Presse begeistert von dem neuen Blick auf europäische Geschichte durch den Blickwinkel der Konfession. Die reformierte Konfession zeige, auch wenn sie in deutscher nationaler Erinnerung und Kultur verschüttet sei, so Ansgar, die Pluralität der Reformation: „Die Erinnerung an Luther wird sich an der Erinnerung an Calvin messen müssen.“
Weitere Informationen zur Ausstellung. Übersicht im PDF >>>
Nähere Informationen zur Ausstellung >>>
Das Diskussionsprogramm "Was tun, Herr Calvin?" >>>
Fotos (von oben nach unten): Ministerpräsident Dr. Jan Peter Balkenende; Prof. Dr. Hans Ottomeyer, Präsident der Stiftung Deutsches Historisches Museum; Jann Schmidt, Kirchenpräsident der Evangelisch-reformierten Kirche und Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Johannes A Lasco Bibliothek; Bischof Dr. Dr. h.c. Wolfgang Huber, Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland; Dr. Thomas de Maizière, Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben; Dr. Ansgar Reiß und Dr. Sabine Witt, Kuratoren der Ausstellung; ©Heiko Buitkamp.
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Am Dienstag, 31. März 2009 ist im Deutschen Historischen Museum in Berlin die Ausstellung "Calvinismus. Die Reformierten in Deutschland und Europa" eröffnet worden.
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