Etwas zum Mitnehmen
Neue Predigten von Sylvia Bukowski und Peter Bukowski
„Zum Mitnehmen“ – mal eben so, nebenbei, unbedacht aus dem Regal gegriffen und in den Einkaufswagen gesteckt; „etwas“, klingt wie „irgendetwas“, nichts Bestimmtes, Konkretes, und ob’s wohl relevant sein mag? Gar für mich persönlich?
Falsche Fährte. Hinter der unscheinbaren Verpackung kein „spirituelles Sahnehäubchen“, stattdessen: Trost, gar der einzige im Leben und im Sterben.
Von A wie Altwerden und B wie Beten über D wie Danken, F wie Freiheit und G wie Gericht hin zu Rachepsalmen und Todsünden wie Völlerei und Wollust: Themen des Glaubens, des Lebens in Predigten, Andachten, Vorträgen von Sylvia und Peter Bukowski. Nach „Ein Buch voller Leben“ (1992) und „Was ist der Mensch, daß du seiner gedenkst?“ (1998) der dritte Band „Reden von Gott in der Welt“.
Was macht’s, dass die Worte der Wuppertaler Gemeindepfarrerin und des Direktors des Seminars für pastorale Aus- und Fortbildung aufhorchen lassen und auch Lesende mit sich ziehen? Das, was mir persönlich auffällt, sei hier genannt, andere werden Weiteres ergänzen.
- Da ist die in den Menschenworten zu spürende Liebe zur Bibel, die „aus dem Leben ins Leben“ spricht, anstatt „zeitlos richtige Formeln“ parat zu halten.
- Da ist die Sprache der Texte. Sie schmiegt sich angenehm ins Ohr und nimmt dann, wenn’s sein muss, kein Blatt vor den Mund: „Zachäus ist ein brutales, abgezocktes Schwein“, so der Moderator des Reformierten Bundes.
- Da ist die Aktualität. Die zeitgenössische Zeugenschaft greift auf, was in Theologie und Kirche diskutiert wird, z.B. die „Bibel in gerechter Sprache“. Auch im Blick auf das politische Weltgeschehen erklingt das „heute“ der biblischen Texte, folgt die Stellungnahme, z.B. zur Verfolgung von Christinnen und Christen im Irak oder zum Anti-Mammon-Programm des Reformierten Bundes.
- Da ist die Auslegung im Dialog mit psychologischen Erkenntnissen: eine Predigtreihe zu den sieben Todsünden inspiriert von einem Buch des Herausgebers von „Psychologie heute“, Heiko Ernst; das Gotteslob in Psalm 103,2, erschlossen über den „Umweg“ der japanischen Naikan-Therapie. Diese beginnt mit einer mehrtägigen Meditation über die drei Fragen: Was hat meine Mutter Gutes für mich getan? Was habe ich ihr Gutes zurückgegeben? Welche Schwierigkeiten habe ich ihr bereitet?
- Da ist Klarheit der Rede gepaart mit nachdenklichem Abwägen und dem Verweis auf die Vielfalt der Deutungsmöglichkeiten biblischer Worte. Die „Tür“ aus Kolosser 4,3 als „Tür, die herausführt aus realer Bedrängnis“, als „Himmelstür“, als „Tür zum Verstehen der Wahrheit“, und als „Tür zu den Herzen derer, die wir erreichen möchten“. Ein möglicher Weg der Predigt, Hörenden und Lesenden eine Tür zu öffnen zum eigenen Weiterdenken.
Und … eigentlich vor all’ diesem, dem bis hierher Gesagten vorangehend: Das gesprochene Wort Sylvia und Peter Bukowskis gründet in einer – biblischen – Theologie, die die Liebe Gottes nicht trennt von seiner Gerechtigkeit und auch vor dem Richterstuhl Gottes (2. Korinther 5,10!) nicht die Augen verschließt. Der Gott des Alten und Neuen Testaments ist nicht der schmusige Kuschelgott, der hilflos wäre, dem Bösen entgegen zu treten: „Was könnten wir von einem Gott erwarten, der so lieb ist, dass er niemandem mehr etwas antut?“
Im direkten Dialog begegnen sich und uns die Worte der Predigerin und des Predigers im „Hoch auf Lust und Liebe“ vom Kirchentag 2007 in Köln. Aber auch wenn formal kein Zwiegespräch vorliegt, scheinen die Worte des Ehepaars miteinander zu korrespondieren: „Nur betend, also Gott anerkennend (wörtlich: Gott segnend!), dürfen wir seine Gaben als die unsrigen betrachten und in Gebrauch nehmen. Das Gebet hilft uns, in, mit und unter der Nahrung die Freundlichkeit Gottes zu schmecken.“, so Peter Bukowski zu Psalm 34,9 und Sylvia Bukowski zum Thema Wollust und Völlerei: „So besteht der erste Schritt, von der eigenen Unersättlichkeit loszukommen (…) darin, zuzugeben, wie machtlos wir unserer Sucht gegenüber sind und wie wenig unsere eigenen Kontrollversuche ausrichten, wenn wir unseren Willen und unser Leben nicht Gott anvertrauen und ihm gegenüber aufrichtig Rechenschaft ablegen (…). Für unsereinen reicht es wahrscheinlich, uns bei jedem Genuss bewusst zu machen, wie dankbar wir Gott dafür sein können, dass es uns so gut geht. Beim Essen halten Tischgebete dieses Bewusstsein wach“.
Im Blick auf die einzelnen Formen der Rede scheinen die Grenzen manchmal fließend, wenn Teil einer Andacht das Ergebnis einer Predigtanalyse Manfred Josuttis zusammenfasst, und ein Vortrag mündet in den Aufruf „Lasst uns nicht aufhören, auch und gerade die Mächtigen kräftig ins Gebet zu nehmen …“.
Not tut es nicht zur Freude an den Texten, aber wer nach dem Lesen noch etwas Abstand nehmen möchte, mag sich fragen: Wo lassen sich die Predigten verorten in der gegenwärtigen homiletischen Diskussion? Kurz angedeutet sei die Nähe zu einem Entwurf, der in der Frage nach der „Aufgabe der Predigt heute“ „eine stärkere Konzentration auf die Was-Frage für unausweichlich“ hält „angesichts des gegenwärtigen Booms von Predigtlehren mit der Konzentration auf das ‚Wie’“ – so Andrea Bieler und Hans-Martin Gutmann in ihrem Buch „Rechtfertigung der ‚Überflüssigen’“ (2008). „Verheißung der Rechtfertigung“ soll den „überflüssig gemachten Menschen“ zugesagt werden, den Armen, den Erwerbslosen (S. 65) – „wie wenig paradiesisch eine Leben völlig ohne Arbeit ist, können inzwischen die vielen Arbeitslosen bestätigen“ (Sylvia Bukowski). Die Bibel als Basis der Predigt gibt die „Orientierung am Leben der Armen“ vor, so die „Predigtlehre“. – „Jesus sieht das Leben der Armen ganz sicher realistischer [als Weltreisende, die von der Lebensfreude der Slumbewohner schwärmen], weil er es ja selber mit ihnen teilt, er sieht ihre verborgenen Tränen (…), ihr kaputtes Selbstwertgefühl (…)“.
Die Verheißung des Evangeliums mache die Kirche zur Kirche, diese sei nicht gebunden an das Gelingen der alltäglichen Lebensvollzüge und nicht orientiert an der Frage der Wirtschaftlichkeit auf dem Markt von Angebot und Nachfrage, erinnern Bieler und Gutmann an die „alte“, grundlegende reformatorische Erkenntnis. – Zur Bestimmung der Kirche gehöre es, so Peter Bukowski, „solidarische Kirche“ zu sein: eine Kirche, die für die Not leidenden Geschwister betet, sich für sie einsetzt, nach Kräften tut, was sie tun kann, und Gott das Wunder zutraut, die Seinen in die Freiheit zu führen.“
„Wie kann ich zu einem ‚Ich’ werden, die als Predigerin des Evangeliums für die Gnade Gottes durchlässig werden kann?“ fragen Bieler und Gutmann und betonen in ihrer Antwort, Predigerinnen und Prediger müssten ihr theologisches Wissen auch in einer „Haltung von Präsenz und Kontakt“ vermitteln. Dies zu lernen verlange eine „spirituelle Übungspraxis“, „vor allem eine Haltung des Gebets, die in einem verbindlichen Rhythmus geübt wird“ – Sylvia Bukowski vor der Hauptversammlung des Reformierten Bundes 2004 in Wuppertal: „Beten wir genug? Oder hat das Gebet lediglich in unserer Theologie eine Schlüsselstellung, während wir ihm de facto doch viel weniger zutrauen als unserem eigenen Tun und Reden? (…) Ich bin inzwischen überzeugt, dass es entlastend und hilfreich ist, die Gewohnheit des Betens wieder zu entdecken und sich nicht ständig mit der Forderung nach Authentizität und Spontaneität unter Druck zu setzen.“
Zu dem „Überflüssigen“ gehört auch diese Rezension. Die vielen, die schon einmal einen Text von Sylvia oder Peter Bukowski genossen haben, werden den neuen Band sowieso baldigst erwerben und selbst lesen, wie die beiden Bukowskis „der Sache“ des Evangeliums und ihrer eigenen Weise der Verkündigung treu geblieben sind. Speise und Trank von dem, was ewig währt, jenseits der neuen und neuesten Trends – und mit dem Ruf zum Beten doch auch im heutigen Strom der evangelischen „Schwarzbrot-Spiritualität“.
Barbara Schenck
Sylvia Bukowski/ Peter Bukowski
Etwas zum Mitnehmen
Reden von Gott in der Welt
Paperback - 184 Seiten
ISBN: 978-3-7975-0216-2
Preis: 12,90 €[D]
(13,30 €[A] - 23,70 CHF)
Peter Bukowski, ehemaliger Moderator des Reformierten Bundes, wir am 9. Juni 70 Jahre alt. Der Reformierte Bund sendet Glückwünsche an einen Theologen, der den reformierten Diskurs mit viel Engagement vorangetrieben und mitgeprägt hat.
Nach oben - E-Mail - Impressum - Datenschutz