Lebensfreude und die Suche nach Gerechtigkeit
Zur Generalsynode der URCSA, Südafrika
Aus Deutschland nahmen Repräsentanten der Lippischen Landeskirche und der Evangelisch-reformierten Kirche teil, die seit den 1970er Jahren enge Verbindungen nach Südafrika haben. Für die Evangelisch-reformierte Kirche waren die Vorsitzende des Ausschusses für Partnerschaft und Mission, Verena Hoff-Nordbeck sowie Vizepräsident Helge Johr in Johannesburg.
Ganz spontan beantwortet: Was war für Sie das eindrücklichste Erlebnis während der Synode?
Helge Johr: Eindrücklich war auf jeden Fall die Lebensfreude, mit der christlicher Glaube in Südafrika gelebt wird. Dies zeigt sich im spontanen Singen während der Synode oder auch an den spontanen Zustimmungsbekundungen während der Predigten.
Verena Hoff-Nordbeck: Für mich war es der Bericht von Pastor Betha, Mitglied des Moderamens. Er berichtete über seinen Besuch bei der Synode der Presbyterian Church der USA und konnte beobachten, wie diese nach einem jahrelangen Prozess mit überwältigender Mehrheit beschloss, das Belhar-Bekenntnis als ihres anzunehmen. Man spürte, wie sehr ihn und viele andere Synodale das bewegte. Der Applaus und der jubelnde Gesang waren überwältigend!
Wenn Sie die Synode der URCSA mit unseren Synodentagungen vergleichen: Wo bestehen Unterschiede, wo haben Sie Vertrautes und Bekanntes erlebt?
V.H.-N.: Ich war recht überrascht, dass es im Grunde nicht viel anders läuft als bei unseren Synoden. Es gibt eine Kirchenordnung, an die man sich halten muss, es gibt Tagesordnungen und Redelisten. Es gibt Menschen, die viel reden und andere, die wenig sagen. Über manches wird leidenschaftlich debattiert, anderes zur Kenntnis genommen und "durchgewinkt". Natürlich gibt es trotzdem Unterschiede. Bei unseren Synoden wäre es eher ungewöhnlich, wenn zwischendurch einzelne und ganze Gruppen aufstehen, durch den Raum gehen, singen, tanzen und klatschen. Da könnten wir noch dazulernen.
H.J. Für mich war ungewöhnlich, dass Abstimmungsverfahren viel weniger stark vorbreitet werden, sondern wesentlich stärker auf das göttliche Geleit vertraut wird. So gibt es etwa keine vorher ausgewählten Kandidatinnen und Kandidaten für bestimmte Ämter. Es wird vielmehr darauf vertraut, dass den Mitgliedern der Synode die richtige Entscheidung eingegeben wird. Daraus ergeben sich dann oft zwei oder drei Wahlgänge, an denen immer diejenigen mit den meisten Stimmen teilnehmen. Auch fehlt die Frage, ob die Wahl angenommen wird, da das Amt eine Berufung darstellt und daher eine Ablehnung der Wahl nicht in Frage kommt.
Der wichtigste Tagesordnungspunkt war sicher die Wahl des neuen Moderamens. Lässt sich durch die Wahl die zukünftige Ausrichtung der URCSA erkennen? Welche Schwerpunkte werden gesetzt?
H.J. Natürlich ist es schwer, eine Prognose abzugeben. Nur drei der sieben Mitglieder des Moderamens waren auch Mitglieder des bisherigen Moderamens. Allerdings waren sowohl der neue Moderater Dr. Leepo Modise als auch der stellvertretende Moderator (Assessor) Rev. Motlalentwa Godfrey Betha schon bisher im Moderamen vertreten. Vermutlich werden daher wichtige Themen fortgeführt. Innerkirchlich bleibt das Verhältnis zur Dutch Reformed Church, zur traditionell weißen Kirche, ebenso wichtig wie die Frage des Aufbaues einer verlässlichen gesamtkirchlichen Verwaltungsstruktur. Auch war der Pastorenmangel im Rahmen der Synodentagung immer wieder Thema.
Darüber hinaus wird es vermutlich ein wichtiges Anliegen der URCSA in den kommenden Jahren sein, auf der Grundlage des Bekenntnisses von Belhar die Frage der Gerechtigkeit in einem Land, in dem die gesellschaftlichen Spannungen kaum größer sein könnten, in den Mittelpunkt zu stellen.
Und was sind die „heißen Eisen“ innerhalb der URCSA, theologisch und kirchenpolitisch? Wie geht man damit um?
V.H.-N.: Ein viel diskutiertes Thema auf der Synode war die Stellung der URCSA zur Homosexualität und auch zur möglichen Ordination homosexueller Pastorinnen oder Pastoren.. Die Standpunkte gingen da zum Teil weit auseinander. Es konnte auch kein gemeinsamer Beschluss gefasst werden. Aber man will daran weiter arbeiten und irgendwann zu einer einheitlichen Position kommen.
Außerdem ist das Verhältnis zur weißen Dutch Reformed Church zu nennen. Der Vereinigungsprozess, die Frage der Anerkennung des Belhar-Bekenntnisses durch die DRC sind ins Stocken geraten. Das frustriert viele. Man merkt deutlich, wie tief die Wunden der Apartheid sind. Auf der anderen Seite gibt es auch viele, die trotz allem an der Hoffnung festhalten, dass eine Vereinigung irgendwann passieren wird. Sie sagen: Wir haben keine andere Wahl! Wir wollen und können nur diesen Weg gehen, auch wenn er schwer zu gehen ist.
Wie steht es denn um den Vereinigungsprozess konkret?
V.H.-N.: Ganz aktuell auf dieser Synode wurde eine sogenannte gemeinsame Interimskirchenordnung verabschiedet, die es einzelnen Kirchengemeinden oder Regionalsynoden ermöglicht, zusammenzuarbeiten oder sich sogar zusammen zu schließen. Es gibt einige Regionen in Südafrika, in denen solche Vereinigungen denkbar sind, etwa in der Kapregion. Die Idee zu dieser Interimskirchenordnung kam aus den Niederlanden, wo dieses Modell nach vielen Schwierigkeiten letztendlich auch zum Zusammenschluss in der Protestantse Kerk in Nederland (PKN) geführt hat. Mit dieser Interimskirchenordnung umgeht man das Problem, dass einige Regionalsynoden der DRC bisher kaum Beweglichkeit in Richtung Anerkennung von Belhar und Vereinigung zeigen. Ich freue mich über die Entscheidung und bin gespannt, zu welchen Ergebnissen sie jetzt führt.
Zum Verhältnis von Kirche und Gesellschaft: Die URCSA war lange Zeit eine Kirche, die sich einmischt und ihr Wächteramt deutlich wahrgenommen hat, zurzeit von Apartheid und auf dem Weg in die Demokratie. Wie positioniert sich die Kirche heute, angesichts der massiven politischen Krise in Südafrika und angesichts einer scheinbar fest zementierten Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft?
H.J. Die URCSA als Gesamtkirche hat sich auf der Synode mit einer Vielzahl von gesellschaftspolitischen Themen beschäftigt, wie Armut und gesellschaftliche Ausgrenzung, Homosexualität oder Nutzung von Kernenergie.
Insgesamt wurde deutlich, dass die Suche nach Gerechtigkeit im Land ein wichtiges Thema für die URCSA ist und bleibt. Gerade die immer stärker werden Spaltung im Land und die Korruption bestimmter Eliten stoßen auf Widerstand.
Zugleich hatte ich den Eindruck, dass die URCSA auch auf der Suche nach ihrer Position und ihren Themen ist. Zu Zeiten der Apartheit gab es nur ein einziges beherrschendes politisches und gesellschaftliches Thema. Die Apartheit ist – rechtlich gesehen – überwunden. Im Nachgang tauchen aber unzählige Einzelthemen auf, die es zu bearbeiten gilt. Zugleich hat eine Generation von Pastorinnen und Pastoren den Dienst begonnen, die die Apartheit und somit das über Generationen beherrschende politische Thema nur noch als Kleinstkinder erlebt haben. Diese Generation bewertet das Nach-Apartheitssystem nicht mehr im Vergleich zur Apartheitszeit, sondern vergleicht es mit anderen politischen Systemen weltweit und bewertet es daher wesentlich kritischer als die etwas ältere Generation tut. Dies stellt auch die URCSA selbst vor große innere Herausforderungen.
Das Belhar-Bekenntnis wurde zu seinem 30. Jubiläum entsprechend gewürdigt Welche Rolle spielt Ihrer Wahrnehmung nach das Bekenntnis im Alltag der südafrikanischen Kirche heute?
V.H.-N.: Das Belhar-Bekenntnis ist nach wie vor grundlegend für die URCSA und an Bedeutung kaum zu überschätzen. Dennoch wurde auf der Synode schon thematisiert, dass man sich jahrelang zu sehr damit beschäftigt habe, dass die anderen Kirchen der DRC-Familie das Bekenntnis annehmen sollen, vor allem die DRC selber. Dabei habe man vernachlässigt, sich wirklich um die Inhalte des Bekenntnisses zu kümmern, also um geglaubte und gelebte Einheit, Gerechtigkeit und Versöhnung innerhalb der URCSA, innerhalb der Gemeinden und Gremien.
H.J. Die Synode hat das 30jährige Bestehen des Bekenntnisses gefeiert, es stand in den Tagen eindeutig im Mittelpunkt. Klar wurde auch, dass seine Anerkennung nach wie vor Voraussetzung für einen weiteren Prozess des Zusammenwachsens mit der Dutch Reformed Church ist.
Andererseits wurde in Randgesprächen, z.B. im Hinblick auf das von der reformierten und der Lippischen Kirche sowie dem reformierten Bund herausgegebene Belhar-Magazin, immer wieder festgestellt, dass das Belhar-Bekenntnis in der täglichen Arbeit in Südafrika selbst womöglich keine so große Rolle spielt, wie in den europäischen Partnerkirchen. Wie das Bekenntnis im Alltag mit Leben gefüllt wird, scheint also in den einzelnen Kirchengemeinden unterschiedlich zu sein. Deutlich zu spüren war aber, dass das Bekenntnis eine wichtige Rolle für die eigene Identität der Kirche spielt.
Haben Sie Ideen oder Aufträge mitgebracht, wie wir zukünftig unsere Partnerschaft deutlicher und konkreter gestalten können?
V.H.-N.: Deutlich wurde der Wunsch von Seiten der Kirchenleitung geäußert, die Beziehungen auf landeskirchlicher Ebene zu stärken und auch stärker von den Partnerschaften mitzubekommen, die auf gemeindlicher Ebene stattfinden. Gesprochen haben wir deshalb darüber, ob es möglich ist, wieder regelmäßige Treffen gemeinsam mit den anderen Partnerkirchen der URCSA in den Niederlanden und in Belgien, stattfinden zu lassen. Dabei soll es einerseits um die Intensivierung der Partnerschaften gehen und andererseits wollen wir gemeinsam mit dem Belhar-Bekenntnis arbeiten.
Eine weitere, drängende Frage ist natürlich die Frage, wie wir als Partnerkirche zum Belhar-Bekenntnis stehen. Wie sehen wir das Bekenntnis theologisch? Wie antworten wir darauf? Werden wir Belhar auch als unser Bekenntnis übernehmen? Ich denke, dieser Frage sollte sich unsere Landeskirche ernsthaft annehmen.
Leer, den 26. Oktober 2016
Fragen: Sabine Dreßler/Ulf Preuß
Mit dem Bekenntnis von Belhar wurden Ablehnung und Überwindung der Apartheit zur Bekenntnisfrage - acht Jahre vor der formellen staatlichen Überwindung der Apartheit 1994.
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