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Impuls

Kurzer theologischer Impuls

Täglich finden Sie hier eine Anregung, ausgesucht von Matthias Krieg (MK): am So Fotos reformierter Kirchen (MK / ref), am Mo Gedichte der 100jährigen Eva Zeller (25.1.23 / luth), am Di Holzschnitte Hans Holbeins des Jüngeren in der Zürcher Bibel von 1531 (Gen 2 – Num 21 / ref), am Mi Zitate des 100jährigen Walter Jens (8.3.23 / luth), am Do Gedichte der 100jährigen Wisława Szymborska (2.7.23 / kath), am Fr Kurzgeschichten von MK (ref), am Sa Zitate des 300jährigen Adam Smith (Juni 1723 / ref). Fremdtexte stammen aus Eva Zeller, Auf dem Wasser gehen, DVA, Stuttgart 1979; Eva Zeller, Stellprobe, DVA, Stuttgart 1989; Walter Jens, Republikanische Reden, Kindler, München 1976; Wisława Szymborska, Die Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt 1997; Wisława Szymborska, Glückliche Liebe, Suhrkamp, Berlin 2017. Holzschnitte und Smith-Zitate aus Theory of moral Sentiments VI (1759) sind dem Netz entnommen (am 28.9.22). Wir danken und laden ein, sich bei Fragen zu melden.

Impuls

Fotos reformierter Kirchen
Münster / Bern, Schweiz
Zitate des 300jährigen Adam Smith Nature, which formed men for that mutual kindness, so necessary for their happiness, renders every man the peculiar object of kindness, to the persons to whom he himself has been kind. Though their gratitude should not always correspond to his beneficence, yet the sense of his merit, the sympathetic gratitude of the impartial spectator, will always correspond to it.
Virtue, Individuals to our Care
Kurzgeschichten

Sechs Stunden für hundertfünfunddreissig Kilometer. Sie fühlen sich ge­schüt­telt, gebeu­telt, gefoltert.
Der Bus ist alt und eng, verbraucht und stickig. Alle sitzen sehr eng und wie in Schock­starre, Einheimische und Fremde, solche auf Besuch und solche, die et­­was über die Grenze verkaufen wollen. Auch das Dach des Gefährts ist über­la­den. Es holpert über klägliche Reste dessen, was mal Route nationale hiess. Es muss jetzt bald soweit sein, stöhnt er, mir tun alle Knochen weh.

Sein Sohn nimmt es gelassener, eher als ein weiteres Abenteuer. Er hinge­gen mit Fensterplatz muss ständig aufpassen, dass er mit dem Kopf nicht hart an die Scheibe schlägt. Der Fahrer zirkelt schwitzend um Löcher herum. Die Grenze wird zum weiteren Erlebnis. Am kambodschanischen Posten müssen sie an­stehen, bis sie endlich den Ausreisezettel im Pass haben, brutal mit Blechklammern hineinge­heftet.

Der gehört der Eidgenossenschaft und darf nicht beschädigt werden, ent­fährt es ihm auf Deutsch. Der Beamte stiert stoisch drein. Weiter! Sie müssen jetzt mit dem Koffer über die Brücke. Auf der anderen Seite des klei­nen Flusses liegt Thailand. Hoch aufgetürmt ragt eingeschweisstes Clopa­pier weit über das Dach eines Lastwagens hinaus, der es ins Touristengebiet von Angkor bringen wird. Für Einheimische unerschwingliche Luxusware.

Direkt an den Mäuerchen der vielbegangenen Brücke sitzen nahezu nackte Bu­ben bettelnd auf dem Trottoir. Beine, Waden, Schuhe, alles zieht unmittel­bar vor ihnen vorbei, Koffer, Säcke, Ballen. Sein Sohn ist konsterniert. Alle gehen vorüber, als wären sie nicht da, siehst du? Niemand schaut sie nur schon an. Davon, ihnen etwas zu geben, gar nicht zu reden. Er glaubt es kaum. Ja, ich finde es auch furchtbar. Vermutlich hat es, für uns kaum vorstellbar, mit ihrem Glauben zu tun, mit ihrem Buddhismus. Für sie sind diese maus­­ar­men Buben wahrscheinlich Inkarnationen von Leuten mit faulem kar­ma. Im vor­­herigen Leben haben sie böse gehandelt, schlecht, egoistisch, was weiss ich, wie. Jedenfalls ist ihr Schicksal selbstverschuldet.

Schauderhaft. Nun geht er zum Kleinsten und Nacktesten. Kambodschanische Scheine, die sie hier nicht mehr brauchen, verschwinden in flinken Kinderhänden und die­­se wie der Wind im Gewühl. Sie aber besteigen mit dem Stempel der Thais im Pass einen Luxusliner, der sie ruhig summend über geteerte Strassen zur Autobahn bringt und bald ein­mal nach Bangkok.

2006
Matthias Krieg, Zürich
Gedichte der 100jährigen Wisława Szymborska Das Gute und Böse – / sie wussten wenig davon, aber alles: / Siegt das Böse, verbirgt sich das Gute. / Kommt das Gute zum Vorschein, dann lauert das Böse im Hinterhalt. / Das eine wie andre ist nicht zu bezwingen, / noch von sich zu weisen in eine endgültige Ferne. / Deshalb, wenn Freude, dann mit einem Zusatz von Bange. / Und wenn Verzweiflung, dann nie ohne stille Hoffnung. / Das Leben, sei es auch lang, wird immer kurz sein. / Zu kurz, um ihm etwas hinzuzufügen.
Das kurze Leben unserer Ahnen (A), Gedichte 241
Zitate des 100jährigen Walter Jens Der aristotelische Satz, dass die Literatur, mit der Geschichtsschreibung verglichen, philosophischer und bedeutender sei, weil sie, vom Allgemeinen redend, das Mögliche zur Darstellung bringe, während die Historiographie, beschränkt auf das Besondere, sich lediglich ans Wirkliche halte: auf die Beschreibung des ‘so und nicht anders’ bedacht und nicht auf die Interpretation des ‘vielleicht und womöglich’ … dieses Diktum gilt auch heute noch.
Literatur: Möglichkeiten und Grenzen 1976, Reden 64
Holzschnitte Hans Holbein d. J.
Exodus 8,1-3
Gedichte der 100jährigen Eva Zeller

Dein Name / ist gefallen / Dein Name / fällt // Und ist kein / anderer Name / auf den sich mein / weggeschnittener / Atem reimt // Und er heisst / Wunderbar Rat / Stecken und Stab / Begehbarer Weg / Eis / über meinen Bodensee // Geheiligt werde / dein zugefrorener Name


Winterpsalm, Wasser 47