Provokation
Herausforderung
Provokation
Ein Papst, der Frauen für per se problematisch hält, schafft es trotzdem, in rechten Kreisen als „woke“ betitelt zu werden. Die Make-America-Great-Again-Bewegung schäumt vor Wut darüber, dass der erste gebürtige US-amerikanische Papst ausgerechnet einer ist, der für Arme und Verfolgte eintritt. Und ausgerechnet Bischof Robert Prevost war es, der Vizepräsident Vance darauf aufmerksam gemacht hat, dass Jesus keine Abstufung in der Liebe zwischen Menschen vorgesehen hat.
Was wird erst passieren, wenn diese Leute merken, dass das Evangelium – nein, die ganze Bibel – vor allem davon handelt, dass Menschen gut miteinander umgehen! Auch in der Bibel ist es ein immerwährender Lernprozess mit deutlichen Rückschritten und Fehltritten. Und in unserem Leben schaffen wir es nicht – schon gar nicht der Papst – niemandem auf die Füße zu treten. Rücksichtnahme (wokeness), Respekt und Empathie sind immer nur Versuche von uns Menschen, es Gott recht zu machen. Aber zu diesen Versuchen gibt es keine Alternative.
Georg Rieger RefApp
Nun ist es also raus: Wir haben eine Partei mit über 20 Prozent im Bundestag, die gegen u unsere Verfassung arbeitet. Zumindest sieht das der Verfassungsschutz so, der ein solche Urteil sicher nicht leichtfertig fällt. Von politischem Druck kann auch nicht die Rede sein, denn es gab bis vor kurzem nicht einmal annähernd eine Mehrheit für einen Verbotsantrag.
Wie mit dieser Einschätzung des Verfassungsschutzes politisch umzugehen ist, wird in den nächsten Wochen eine spannende Diskussion. Die als ‚Lügenpresse‘ angepöbelten öffentlich-rechtlichen Medien scheinen sich schon einmal dafür entschieden zu haben, die Repräsentanten dieser verfassungsfeindlichen Partei weiter als normale Gesprächspartner anzusehen.
Dass sie sich somit vor deren Karren spannen lassen, ist vielleicht zu hart ausgedrückt. Aber sie lassen sich weiter einschüchtern, statt ihrem demokratiefördernden Auftrag gerecht zu werden. Die Abbildung aller Meinungen – auch demokratiefeindlicher und menschenverachtender – ist nicht ihre Aufgabe.
Georg Rieger, Nürnberg
Julia Klöckner will keine Kirchensteuer mehr zahlen, wenn sich „die Kirche“ weiter für ein Tempolimit einsetzt. Markus Söder droht sogar mit dem Entzug jeder Unterstützung, wenn sich die Kirchen weiter gegen die Zusammenarbeit mit Rechtsextremen aussprechen.
Noch härter als die finanzielle Drohgebärde trifft aber der Vorwurf Klöckners, die Kirchen würden sich „austauschbar“ machen wie NGOs. Nun ist es einerseits einfach richtig, dass die Kirchen Nicht-Regierungs-Organistationen sind. Aber es kommt noch besser: Sie sollten von ihrem evangelischen Auftrag her auch gar nicht den Anspruch haben „etwas Besseres“ zu sein.
Vielmehr sollte Frau Klöckner erklären, warum ihre Partei das „Christliche“ im Namen trägt, wenn das Christentum doch angeblich nicht politisch sein soll. Oder gilt das nur in eine Richtung?
Georg Rieger, Nürnberg
Vier propalästinensische Aktivisten sollen auf Geheiß des Berliner Senats des Landes verwiesen werden: ein US-Bürger und drei aus der Europäischen Union. Sie genießen laut EU-Recht Freizügigkeit. Sie sind von keinem Gericht verurteilt. Ob ihre Aktionen antisemitisch einzuordnen sind, ist immerhin umstritten.
Wir sehen in den USA, wie dort inzwischen mit Menschen umgegangen wird, die antiisraelische Meinungen vertreten oder die anderweitig missliebig sind. Der Berliner Senat scheint sich hier ein Beispiel nehmen zu wollen und rechtsstaatliche Prinzipien in den Wind zu schießen.
Es sind eben diese fast unbemerkten kleinen Grenzüberschreitungen, die nach und nach Grundgesetz und Menschenrechte aushöhlen wollen. Vor solchen Aktionen schrecken inzwischen bürgerliche Parteien nicht mehr zurück. Hoffentlich machen Gerichte dem ein Ende.
Georg Rieger RefApp
Der Koalitionsvertrag der schwarz-roten Koalition beabsichtigt, den Familiennachzug für zwei Jahre auszusetzen. Die jungen Männer, die zum Beispiel davor geflohen sind, in einem Bürgerkrieg verheizt zu werden, aber natürlich Angst um ihre daheimgebliebenen Familien haben, bleiben nun alleine hier. Migrationsforscher*innen sind entsetzt, weil die Entscheidung keinen Sinn macht.
Der Zuzug von Familien wäre eine Form von geregelter Migration. Sie wird penibel vorbereitet und lässt Zeit zu Überprüfung. Es ist schon jetzt geregelt, dass der Mann einer geregelten Arbeit nachgehen und also seine Familie ernähren können muss. Kinder, die hier in Deutschland aufgezogen und gebildet werden, sind ein wichtiges Potential für unsere Gesellschaft. Frauen und Kinder sind praktisch kein Sicherheitsrisiko. Verzweifelte Männer, die keine Perspektive für ihre Familie sehen, allerdings schon.
Der Sicherheit dient das alles nicht, sondern es zahlt einzig und alleine zahlt auf die plumpe Forderung der AfD ein, die lautet: „Keine neuen Ausländer ins Land“.
Georg Rieger, Nürnberg
Juristisch wird das Urteil gegen Marine Le Pen von kaum jemand kritisiert. Sie hat systematisch EU-Gelder veruntreut, indem sie diese in ihre Parteiarbeit umgeleitet hat. Politisch sei es aber ungeschickt bis verheerend, heißt es nun. Denn es sei Wasser auf die Mühlen der Rechten. Sie fühlen sich durch solche Urteile in ihrer Opferrolle bestätigt. Mit genau dieser Begründung wird auch ein AfD-Verbot von vielen für kontraproduktiv erachtet.
Aus zwei Gründen ist diese Argumentationsweise fatal:
Ein gerichtliches Urteil, das auf politische Strategien Rücksicht nimmt, stellt die Gewaltenteilung in Frage – also genau eines der wichtigsten demokratischen Güter. Im Fall von Le Pen ist das Gesetz mit Zustimmung ihrer Partei zustande gekommen. Es nun nicht anzuwenden, würde jede Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit ad absurdum führen.
Sich als Opfer zu beschreiben, gehört zur Strategie der Faschisten. Nichts holt sie aus dieser Ecke, in die sie sich aus Berechnung selbst stellen. Diese Opferrolle legitimiert ihre Verachtung und Rücksichtslosigkeit. Selbst Donald Trump, der mächtigste Mann der Welt und Präsident der stärksten Wirtschaftsmacht, redet ständig davon, wie schlecht er und sein Land behandelt werden. Der Versuch, sie durch Legitimierung aus dieser Ecke zu holen, ist zum Scheitern verurteilt.
Georg Rieger, Nürnberg
Erstmals seit vielen Jahren sind wieder mehr Protestanten aus der Kirche ausgetreten als Katholiken. 345.000 sollen es 2024 gewesen sein – gegenüber 322.000 auf katholischer Seite. Abgesehen von dem neuen Ranking ist das keine neue Nachricht, sondern ein jährliches Ritual. Die Berichte werden immer hämischer, aber auch das ist bei der allgemeinen Tonlage im Moment nicht wirklich verwunderlich.
Den Verlust an Mitgliedern und Bedeutung können sich die Kirchen nicht schönreden. Viele Veränderungen und Einsparungen stehen an und es herrscht eine Stimmung wie auf einem langsam sinkenden Boot. Allerdings glaubt doch niemand im Ernst, dass dieses Schiff, das sich Gemeinde nennt, wirklich untergeht. Nicht einmal die ärgsten Verächter der Religion gehen davon aus.
Diese Gewissheit sollte einen entscheidenden Unterschied für die Einstellung zu dem Prozess ausmachen, den wir gerade erleben. Eine gewisse Gelassenheit und Dankbarkeit für das, was ist. Mit dieser Haltung lassen sich Veränderungsprozesse weniger erleiden und mehr gestalten.
Quelle: ZDF heute vom 26.4.25
Georg Rieger, Nürnberg