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12. Sonntag nach Trinitatis: Markus 7,31-37 – Die Heilung eines Taubstummen
von Johannes Calvin
Markus 7,31-37
31 Und da er wieder fortging aus der Gegend von Tyrus, kam er durch Sidon an das Galiläische Meer, mitten in das Gebiet der Zehn Städte. 32 Und sie brachten zu ihm einen, der taub und stumm war, und sie baten ihn, daß er die Hand auf ihn legte. 33 Und er nahm ihn von dem Volk besonders und lege ihm die Finger in die Ohren und berührte mit Speichel seine Zunge 34 und sah auf gen Himmel, seufzte und sprach zu ihm: Hephata! das ist: Tu dich auf! 35 Und alsbald taten sich seine Ohren auf, und das Band seiner Zunge wurde los, und er redete recht. 36 Und er gebot ihnen, sie sollten`s niemand sagen. Je mehr er aber verbot, desto mehr breiteten sie es aus. 37 Und sie wunderten sich über die Maßen und sprachen: Er hat alles wohl gemacht: die Tauben macht er hören und die Sprachlosen reden.
Matth. 15, 28. „Und Jesus ging von dannen.“ Zweifellos erzählen beide, Matthäus und Markus, die Rückkehr Christi aus der Gegend von Sidon. Doch in einigen Punkten unterscheiden sie sich. Daß der eine behauptet, er sei in das Gebiet von Magdala gegangen, der andere aber, in die Gegend von Dalmanutha, erklärt sich leicht. Die beiden Städte lagen nebeneinander oberhalb des Sees Genezareth gegen den Berg Thabor hin. Darum ist es weiter kein Wunder, daß das Gebiet dazwischen nach beiden Städten heißt. Das Gebiet der Zehn Städte hatte seinen Namen von der Anzahl der Städte dort, und da es nahe bei Phönizien und nahe dem Küstenstrich von Galiläa war, mußte Christus dort durch, um von Phönizien in das jüdische Galiläa zurückzukehren. Auch darin liegt ein Unterschied, daß Matthäus erzählt, Christus habe mehrere Kranke geheilt mit den unterschiedlichsten Leiden, und Markus nur einen einzigen Tauben erwähnt. Aber auch das ist leicht zu erklären: Markus hat sich für seine Erzählung ein Wunder ausgesucht, das sich schon auf dem Weg zugetragen hatte und dessen Kunde die Einwohner jenes Landes überall so sehr in Staunen setzte, daß sie Christus noch mehr Kranke brachten. Wir wissen ja, daß sich die Evangelisten gar nicht so sehr darum kümmern, was Christus alles getan hat; im Gegenteil, sie sind bei der Erzählung von Wundern so sparsam, daß sie nur auf wenige Beispiele eingehen. Markus hielt darum ein Beispiel für genügend, in dem Christi Macht genauso deutlich wird wie in all den übrigen dieser Art, die wenig später folgten.
Mark. 7, 32. „Und sie brachten zu ihm einen, der taub und stumm war.“ Warum die Leute Christus baten, daß er die Hand auf den Kranken legte, läßt sich aus vorangegangenen Stellen entnehmen. Das Handauflegen war ein feierliches Zeichen der Weihe, durch das auch die Gaben des Heiligen Geistes mitgeteilt wurden (vgl. z.B. Apg. 13, 3). Sicher hat Christus diese Form oft angewandt, so daß die Leute um nichts Außergewöhnliches baten. Daneben wendet Christus noch andere Zeichen an: Er befeuchtet die Zunge des Stummen mit seinem Speichel und legt ihm den Finger ins Ohr. Zwar wäre das bloße Handauflegen völlig hinreichend gewesen, ja, Christus hätte nicht einmal einen Finger zu rühren brauchen und mit einem bloßen Wink dasselbe vollbringen können; doch er benutzte gern äußere Zeichen, wenn er den Menschen damit dienen konnte. So wollte er jetzt durch das Befeuchten der Zunge mit Speichel zeigen, daß die Fähigkeit zu sprechen allein von ihm ausgeht, und wenn er den Finger in die Ohren legte, so erklärte er damit, daß es sein eigentlicher Auftrag ist, taube Ohren gewissermaßen zu durchbohren. In phantasievolle Ausdeutungen brauchen wir uns dabei gar nicht zu flüchten, zumal wir sehen, welch überaus gelehrtes Spiel damit getrieben wurde, um doch nichts Handfestes beizubringen; im Gegenteil, die Schrift wurde dabei nur zum Gespött. Dem nüchternen Leser wird darum das eine genügen, daß wir auf unser Bitten von Christus Sprache und Gehör bekommen, wenn er mit seiner Kraft unsere Zunge belebt und mit seinem Finger in unsere Ohren dringt. Wenn er den Tauben von dem Volk „besonders" nimmt (vgl. 7, 33), tut er das zum Teil mit der Absicht, den unreifen Leuten, die er noch nicht als seine Zeugen brauchen konnte, die Herrlichkeit seiner Gottheit nur aus der Ferne zu zeigen, zum Teil aber auch, um größere Freiheit zu haben zu inbrünstigem Gebet. Denn das Hinaufblicken zum Himmel und sein Seufzen war ein Zeichen für seine heftige Bewegung. Hier erkennen wir, wie unvergleichlich seine Liebe zu den Menschen sein muß, daß .er an ihren Leiden solchen Anteil nimmt. Wenn er Speichel aus seinem Mund in den Mund des Kranken überträgt und seine Finger in die Ohren einlege, wollte er zweifellos ebendiese Liebe zu den Menschen bezeugen und zum Ausdruck bringen. Zugleich beweist er, daß er die unumschränkte Vollmacht hat, alle Schäden zu heilen und die Gesundheit wiederzugeben, indem er nur befiehlt, Zunge und Ohren sollten sich öffnen. Denn Markus führt das chaldäische Wort „Hephata“ nicht von ungefähr an: es sollte Zeugnis geben von der göttlichen Macht Christi.
Mark. 7, 36. „Und er gebot ihnen, sie sollten's niemand sagen.“ Manche Ausleger meinen, Christus habe durch solche Verbote das Volk zum Gegenteil reizen wollen, er hätte sie also absichtlich dazu angetrieben, die Kunde von dem Wunder zu verbreiten. Ich halte jedoch für natürlicher, was ich anderwärts schon gesagt habe, daß Christus das Bekanntmachen des Wunders nur auf eine spätere, geeignetere und reifere Zeit verschieben wollte. Darum war es sicher nur der unbedachte Eifer der Leute, wenn sie trotz des Verbots nichts Eiligeres zu tun hatten, als das Wunder weiterzuerzählen. Es ist ja bezeichnend, daß Menschen, die an Christi Lehre nicht gewöhnt sind, sich von einem übermäßigen Eifer treiben lassen, der jedoch nicht am Platz ist. Doch was jene Leute in unkluger Weise anfingen, wendet Christus doch zu seinem Ruhm; denn das Wunder wurde bekannt, und jene ganze Gegend nahm sich damit die Entschuldigung, wenn sie den Geber der himmlischen Gaben verschmähte.
Mark. 7, 37. „Er hat alles wohl gemacht.“ Matthäus schließt seinen Bericht über eine ganze Anzahl von Wundern mit der Bemerkung (15, 31), daß die Menge sich wunderte und dem Gott Israels die Ehre gab, der auf wunderbare Weise seine Macht zeigte und damit die Erinnerung an seinen Bund erneuerte. Den Worten des Markus jedoch liegt ein Gegensatz zugrunde: Da verschiedene Gerüchte über Christus in Umlauf waren, zeigt die Menge ihre Ansicht: Wer seine Taten verkleinert, ist gottlos und böswillig; denn seine Werke verdienen das höchste Lob und müssen vor Verleumdungen geschützt werden. Schon dem natürlichen Gefühl erscheint ja nichts ungerechter, als daß ein Mensch für Wohltaten Rügen und Mißgunst erntet.
Aus: Otto Weber, Calvins Auslegung der Heiligen Schrift. Dreizehnter Band: Die Evangelien-Harmonie 2. Teil, Neukirchener Verlag, 1974, S.47ff.