Die reformierte Familie wird gestärkt

Hamburg, Göttingen und Braunschweig treten der Evangelisch-reformierten Kirche bei

Die evangelisch-reformierten Stadtgemeinden haben ihre Selbständigkeit aufgegeben und sich der einzigen rein reformierten Landeskirche angeschlossen. Die ErK erhofft sich davon eine Stabilisierung ihrer Mitgliederzahl. Die Gemeinden gehören erstmals zur EKD.

Die Evangelisch-reformierte Synode beschloss am 17. November auf ihrer Tagung in Emden die Aufnahme der drei bisher selbständigen evangelisch-reformierten Gemeinden in Braunschweig, Göttingen und Hamburg. Am vorangegangenen Wochenende hatten in allen drei Gemeinden Abstimmungen stattgefunden, die jeweils mit großer Mehrheit von über 70 Prozent dem Beitritt zustimmten.

Den Zusammenschluss bezeichnete der leitende Kirchenjurist der Evangelisch-reformierten Kirche (ErK) Dr. Johann Weusmann als "historischen Moment". In weiteren Wortmeldungen fiel desöfteren die Formulierung, es komme nun zusammen, was zusammen gehöre. Kirchenpräsident Jann Schmidt hatte zu Beginn seiner Amtszeit die Einladung an alle "freien" reformierten Gemeinden und Kirchen ausgesprochen, in Verhandlungen über einen Zusammenschluss einzusteigen.

Die Verhandlungen mit den Gemeinden liefen dann viele Jahre mit mehreren Unterbrechungen. Einen erneuten Anschub gaben zuletzt die geplanten trennscharfen Kirchensteuermerkmale. Reformierte, die in eine der Städte umziehen, würden das Merkmal "rf" verlieren und damit der ErK wie auch unter Umständen der Gemeinde verloren gehen. Auf diesem Weg gehen allein durch den Umzug nach Hamburg jährlich 100 bis 200 Kirchenmitglieder verloren. Aber auch die Alterstruktur oder die finanzielle Situation waren Motive dafür, sich einer Landeskirche anzuschließen.

Kirchenpräsident Schmidt betonte, dass die städtischen Gemeinden für die ansonsten eher ländlich strukturierte Landeskirche eine Bereicherung seien. Auch der Präses des Bundes Evangelisch-reformierter Kirchen in Deutschland, Ingo Sengebusch, dem die drei Gemeinden verloren gehen, zeigte sich erfreut über die "Stärkung der reformierten Familie". Dem Bund bleiben nun noch die Gemeinden Bückeburg, Stadthagen und Dresden.

Die Bedingungen des Beitritts sind für die Gemeinden unterschiedlich, was an deren unterschiedlicher Tradition und Organisationsform liegt. Vizepräsident Weusmann betonte aber, dass auf lange Sicht alle drei Gemeinden "normale" Gemeinden der Landeskirche werden und sich auf keine Sonderstellung berufen können. Im Gegenzug übernimmt die ErK zum Teil hohe Kosten für die Umstellung und zum Teil von Altlasten.

Hamburg

Die Gemeinde in der Hansstadt ist mit fast 3200 Mitgliedern groß, hat aber gleichwohl das Problem, dass ihre Altersstruktur einen starken Mitgliederschwund vorhersehen lässt. So machen die unter 23-Jährigen in der Gemeinde nur sieben Prozent aus, in der ErK sind es 20 Prozent. Zuziehende reformierte Kirchenmitglieder kämen selten wirklich in der Gemeinde an, da sie durch das Meldewesen automatisch der Lutherischen Kirche Nordelbiens zugeschlagen werden.

Braunschweig

Die Gemeinde umfasst das gesamte Gebiet des Herzogtums Braunschweig. Die dortige Evangelisch-lutherische Kirche hatte im Frühjahr die bisherige Vereinbarung aufgekündigt, die Kirchensteuer für die Gemeinde mit einzuziehen. Damit hätte die Gemeinde vor dem Problem gestanden, ein eigenständiges Einzugssystem einzuführen. Die bisher zwei Pfarrstellen wird die Gemeinde langfristig auf eine reduzieren und mit der deutlich kleineren reformierten Gemeinde in Wolfsburg eng zusammenarbeiten.

Eine Besonderheit der Gemeinde Braunschweig war ein Passus in der bisherigen Gemeindeordnung über die Gleichberechtigung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Dieser war schon Mitte der neunziger Jahre formuliert worden, als eine solche Positionierung außergewöhnlich war. In den Verhandlungen konnte klargestellt werden, dass die tolerante Haltung in dieser Frage in der Verfassung der ErK zwar nicht ausdrücklich erwähnt wird, aber in der Sache entsprechend enthalten ist.

Göttingen

Die reformierte Gemeinde in der Universitätsstadt hat etwa 2300 Mitglieder und ist mit einem eigenständigen Profil fest in der Stadt verwurzelt. Die Lebendigkeit der Gemeinde zeige sich an der Beteiligung am Verfahren. 656 Gemeindeglieder hatten sich an der Abstimmung beteiligt und mit einer Dreiviertelmehrheit zugestimmt.

Laut Vizepräsident Weusmann hat die Gemeinde eine wichtige strategische Bedeutung. Der Synodalverband (Kirchenkreis), dem sie assoziiert bereits zugehörte, umfasst bislang nur wenige Gemeinden mit einem ausgewiesen reformierten Profil. Mit Göttingen bekäme die ErK eine echte Stütze für das Gebiet der Plesse. Der Vertrag mit Göttingen wird erst 2013 vollumfänglich wirksam, wird aber dank einer zusätzlichen Vereinbarung schon ab 2012 "gelebt".

"Wir wollen eine einladende Kirche sein und freuen uns, dass die Gemeinden Hamburg, Braunschweig und Göttingen unserer Einladung gefolgt sind", resümierte Schmidt und lud die Beteiligten zur Unterzeichnung der Verträge ein:

Hamburg: Der Präses-Älteste Dietrich Budack und Kirchenältester Jens Holtz unterschreiben den Kirchenvertrag (im Hintergrund: Schmidt, Duin, Weusmann)
Braunschweig: Dr. Ilse P. Dolinschek, Pastor Klaus Kuhlmann, Annegret Rasche (im Hintergrund Weusmann, Schmidt, Duin)
Göttingen: Weusmann, Pastor Christoph Rehbein, Schmidt, Dr. Hans Peltner, Duin

Georg Rieger