Einfriedung antisemitischer Schmähplastik

EKM: Evangelische Gemeinde in Calbe präsentiert Entwurf für neues Kunstwerk an St.-Stephani-Kirche


© Fotomontage/Thomas Leu

An der judenfeindlichen Figur an der Fassade soll ein Kunstwerk installiert werden.

Die Kirchengemeinde Calbe setzt ein deutliches Zeichen gegen christlich motivierten Antisemitismus: An der St.-Stephani-Kirche soll eine dauerhaft künstlerische Verhüllung eine judenfeindliche Chimäre überdecken, die im 19. Jahrhundert als Wasserspeier geschaffen wurde. Die Figur, die womöglich auf ein mittelalterliches Vorbild zurückgeht, war lange umstritten. Seit 2019 setzt sich der Gemeindekirchenrat aktiv für eine kritische Auseinandersetzung mit diesem belasteten Erbe ein.

Während der Sanierung des Gebäudes wurde die Figur zwischenzeitlich entfernt, später jedoch aus denkmalrechtlichen Gründen wieder angebracht – jedoch symbolisch „gefesselt“ mit Netzen und Stricken. „Der Hass, den diese Figur birgt, soll gebunden werden“, erklärt Liane Hilfert, Vorsitzende des Gemeindekirchenrates.

Nach langen Gesprächen zwischen Kirche und Denkmalschutz wurde 2023 ein künstlerischer Wettbewerb unter dem Titel „Installation des Anstoßes“ gestartet. Der Hallenser Künstler Thomas Leu entwickelte den Entwurf „Einfriedung“: Ein Korb aus Edelstahl in Form von Ölzweigen wird die Figur teilweise umschließen und den Blick auf sie einschränken. Die Ölzweige stehen symbolisch für Frieden und Demut – auch in Anlehnung an das biblische Ölbaumgleichnis, das Christinnen mahnt, sich nicht über das Judentum zu erheben. Der Entwurf entstand im Austausch mit Vertreterinnen der jüdischen Gemeinde.

Die Umsetzung wird durch Fördermittel der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, des Landes Sachsen-Anhalt und kirchlicher Stellen ermöglicht.

Landesbischof Friedrich Kramer lobt die Entscheidung der Gemeinde als sensibel und weitsichtig: Die Verhüllung gehe über reine Kontextualisierung hinaus und balanciere die Verantwortung der Kirche – zwischen Schuldaufarbeitung und klarem Widerspruch gegen heutigen Antisemitismus. Gerade jetzt sei es wichtig, öffentlich Haltung zu zeigen.

Auch Dr. Christian Staffa, Antisemitismusbeauftragter der EKD, sieht in dem Projekt ein bislang einzigartiges und richtungsweisendes Beispiel für den würdigen Umgang mit antisemitischen Bildwerken. Die „Einfriedung“ steht damit für eine Haltung, die sich der Geschichte stellt und gleichzeitig in die Zukunft weist: friedlich, selbstkritisch und dialogbereit.


Quelle: EKM