Erlauchte Geister
»Die Reformatoren (.) wurden, besonders wenn etwa gerade wieder ein Jubiläum fällig war, eifrig zitiert und emporgehoben, ihre Gräber tüchtig gebaut und geschmückt und wie Samuels Geist bei der Hexe zu Endor erschien hier wirklich Luther, dort wirklich Calvin inmitten der festlichen Beschwörungen. Aber es war dann jeweilen nicht zu verkennen, wie froh jedermann war, wenn das Verschwinden dieser erlauchten Geister es erlaubte, wieder zur Tagesordnung zurückzukehren. Das wirkliche Leben der Kirche, wie es besonders in ihrer öffentlichen Verkündigung sichtbar wird, hatte eben, so weit es durch die herrschende Bewegung bestimmt war, jeweilen doch eine ganz, ganz andere Richtung. Es konnte nicht anders sein, als dass es sich in allen diesen merkwürdigen Zeiten als mehr oder weniger fraglich erwies, ob die Kirche in Wahrheit noch das sei, als was sie sich nach wie vor bezeichnete: evangelische Kirche?« (Karl Barth, Reformation als Entscheidung (1933), in: Der Götze wackelt, 81)