''Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.''

Gottesdienst zur Jahreslosung 2011: Römer 12,21

Von Martin Filitz, Halle

Gottesdienst am Donnerstag, dem 13. Januar 2011 um 12.15 Uhr in der Ev.-Hochschule für Kirchenmusik in Halle (Saale)

Predigttext: Römer 12,21
Schriftlesung: Matthäus 3, 13-17
Wochenpsalm: Psalm 72
Wochenlied: EG 68 O Lieber Herre Jesu Christ
Wochenspruch: Römer 8,14

Wochenspruch
Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Römer 8,14

Psalm 73
Ein Psalm Asafs.
Gott ist dennoch Israels Trost für alle, die reinen Herzens sind.
Ich aber wäre fast gestrauchelt mit meinen Füßen; mein Tritt wäre beinahe geglitten.
Denn ich ereiferte mich über die Ruhmredigen, als ich sah, dass es den Gottlosen so gut ging.
Denn für sie gibt es keine Qualen, gesund und feist ist ihr Leib.
Sie sind nicht in Mühsal wie sonst die Leute und werden nicht wie andere Menschen geplagt.
Darum prangen sie in Hoffart und hüllen sich in Frevel.
Sie brüsten sich wie ein fetter Wanst, sie tun, was ihnen einfällt.
Sie achten alles für nichts und reden böse, sie reden und lästern hoch her.
Was sie reden, das soll vom Himmel herab geredet sein; was sie sagen, das soll gelten auf Erden.
Darum fällt ihnen der Pöbel zu und läuft ihnen zu in Haufen wie Wasser.
Sie sprechen: Wie sollte Gott es wissen? Wie sollte der Höchste etwas merken?
Siehe, das sind die Gottlosen; die sind glücklich in der Welt und werden reich.
Soll es denn umsonst sein, dass ich mein Herz rein hielt und meine Hände in Unschuld wasche?
Ich bin doch täglich geplagt, und meine Züchtigung ist alle Morgen da.
Hätte ich gedacht: Ich will reden wie sie, siehe, dann hätte ich das Geschlecht deiner Kinder verleugnet.
So sann ich nach, ob ich’s begreifen könnte, aber es war mir zu schwer,
bis ich ging in das Heiligtum Gottes und merkte auf ihr Ende.
Ja, du stellst sie auf schlüpfrigen Grund und stürzest sie zu Boden.
Wie werden sie so plötzlich zunichte! Sie gehen unter und nehmen ein Ende mit Schrecken.
Wie ein Traum verschmäht wird, wenn man erwacht, so verschmähst du, Herr, ihr Bild, wenn du dich erhebst.

Als es mir wehe tat im Herzen und mich stach in meinen Nieren,
da war ich ein Narr und wusste nichts, ich war wie ein Tier vor dir.
Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand,
du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an.
Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde.

Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.
Denn siehe, die von dir weichen, werden umkommen; du bringst um alle, die dir die Treue brechen.
Aber das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte / und meine Zuversicht setze auf Gott, den Herrn, dass ich verkündige all dein Tun.

Schriftlesung
Und er verließ Nazareth, kam und wohnte in Kapernaum, das am See liegt im Gebiet von Sebulon und Naftali,
damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten Jesaja, der da spricht:
»Das Land Sebulon und das Land Naftali, das Land am Meer, das Land jenseits des Jordans, das heidnische Galiläa,
das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen.«
Seit der Zeit fing Jesus an zu predigen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!

Auslegung
Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.
Das Gute - dieser Satz steht fest - ist stets das Böse, was man läßt.
(Wilhelm Busch – Die fromme Helene) – Ein merkwürdiger Kommentar zur Jahreslosung. Ist das Gute schon dann gegeben, wenn man das Böse sein läßt? Es wäre ja schön, wenn das so einfach wäre: Gut sein durch Unterlassung. Einfach nicht tun, was in die Irre führt. Keine Waffen herstellen – dann kann auch niemand damit schießen. Wenn so der Weltfriede herzustellen wäre! Gut sein durch Unterlassung – für die Fromme Helene mag das ja zutreffen. Hätte sie das Glas mit dem Hochprozentigen stehen lassen (es ist ein Spruch von alters her: Wer Sorgen hat, hat auch Likör!“) – dann wäre die Hütte auch nicht abgebrannt und der Teufel hätte nicht über den Engel gesiegt und ihre Seele stracks in die Hölle geleitet.

Nun funktioniert das Leben nicht nach den Lebensregeln von Wilhelm Busch. Aber auch schon im Mittelalter hat die Theologie formuliert: Das Böse ist der Mangel an Gutem – Privatio boni. Das wäre in dieselbe Richtung gedacht: Wo das Gute keine Durchsetzungskraft hat, da siegt das Böse. Man muss sich dabei gut und Böse jeweils am Ende einer Strecke vorstellen, und der Mensch bestimmt durch sein Handeln und Denken seine Entfernung vom Bösen und vom Guten.
Und wenn man die Welt so einteilt, dann kann man auch sauber unterscheiden zwischen Guten und Bösen – wie im Western. Die Bösen tragen schwarze Hüte, die guten weiße Hüte. Die Cartwright – Familie trägt selbstverständlich weiß – meistens jedenfalls. Dann sortiert man die Menschen nach gut und böse, nach Licht und Finsternis: die guten Bürger und die bösen Terroristen, die guten Christen und die bösen Moslems, die guten Republikaner und die bösen Demokraten. Und wir haben es gesehen, dass im Fernsehen eine Landkarte der USA gezeigt wurde, auf der demokratische Kongressabgeordnete mit einem Fadenkreuz markiert waren. Und man meint, das Böse aus der Welt auszurotten, wenn man den Verbrecher hängt und für den Kinderschänder die Todesstrafe fordert.

Es kommt menschlichem Empfinden wohl sehr nahe, so zu denken. Diktaturen denken so, Fundamentalisten aller Religionen und Weltanschauungen denken so. Und eines ist dabei nicht zu vergessen: Ich selbst bin selbstverständlich immer auf der Seite der Guten. Mein Hut ist weiß. Ich habe das Lebensrecht und die Gesetze auf meiner Seite. Der Böse mit dem schwarzen Hut ist zum Abschuss freigegeben.

Manichäismus nennt man diese Haltung in der Theologie der frühen Kirche. Die Einteilung der Welt in Gute und Böse, die unweigerlich zum Kampf des Lichtes gegen die Finsternis führt.
Es gibt noch eine andere Art und Weise, mit dem Bösen umzugehen: Man diskutiert es einfach weg. Man leugnet das Böse. „Ich glaube an das Gute im Menschen!“ – schrieb das 13jährige Mädchen Anne Frank in ihr Tagebuch und allzu viele Menschen, die eigentlich mehr Lebenserfahrung haben sollten, plappern das einfach nach. Als ob das Böse aus der Welt verschwinden würde, wenn man es einfach nicht beachtet oder einfach nicht wahrhaben will. Dann ist der Holocaust nur ein Betriebsunfall der Weltgeschichte? Hiroshima eine Stadt, die es bedauerlicherweise getroffen hat, als die Guten den Krieg im Pazifik beenden wollten.

Paulus leugnet das Böse nicht, noch dramatisiert er es. Er weiß: das Böse ist eine Macht – unerklärlich, aber real existierend. Und er selbst hat seine Erfahrungen mit dem Bösen: Er schreibt: Das Gute, das ich will, das tue ich nicht. Aber das Böse, das ich nicht will, das tu ich! (Römer 7,19). Man muss nicht gleich den Teufel an die Wand malen. Aber es ist immerhin deutlich, dass mein Wollen und mein Handeln oft meilenweit auseinanderliegen und dass ich nicht erklären kann, warum das so ist. Also die erste Feststellung: Paulus stellt fest, dass die Grenze zwischen gut und böse quer durch ihn selbst hindurchgeht. Paulus ist gut und böse. Oder anders gesagt: Wer meint, dass er an das Gute im Menschen glaubt, der muss im gleichen Atemzug auch sagen, dass er dem Menschen durchaus auch das Böse zutraut.

Also: das Böse aus der Welt ausrotten? Keinesfalls! Paulus schreibt auch nicht: Überwinde das Böse mit dem Guten. Der bestimmte Artikel fehlt. Es geht nicht darum, dass wir den Kampf zwischen Licht und Finsternis auszufechten hätten – das ist auf Golgatha geschehen, und  das muss niemand von uns leisten. Entscheidend ist, dass wir dem Bösen Gutes entgegensetzen. Dass wir auf dem falschen Weg, Schritte in die richtige Richtung einschlagen, dass wir die Macht der Lüge brechen, indem wir die Wahrheit sagen. Es kommt darauf an, dass wir dem Bösen nicht unsererseits durch die Böse Tat antworten. Wir sind anfällig, aber wir sind dem Bösen nicht hilflos ausgeliefert. Wir sind nicht gezwungen, die Melodie des Bösen mitzuspielen, nach ihrer Pfeife zu tanzen. Wir sind nicht verpflichtet, den falschen Weg bis zum Ende mitzugehen. Und wir sind auch nicht angehalten, zu tun was alle tun und so dem Bösen freien Lauf zu lassen.

Das Böse mit Gutem überwinden. Mit guten Taten und guten Gedanken. Nicht mit einer perfekten guten Weltanschauung und einem Plan, wie das Böse zu vernichten sein. Gutes Denken, tun und dichten...

Von Erich Kästner stammt der hilfreiche Satz:

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Amen

Gebet
Guter, freundlicher Gott
Auf deiner Erde leben Gute und Böse
Fromme und Unfromme
Menschen, die wir leiden können und solche, die wir nicht leiden können
Du willst dass alle in Gerechtigkeit und Frieden leben

Wir bitten dich für die Menschen, die Ungerechtigkeit am eigenen Leibe erfahren
Für die Christen in Ägypten und im Sudan
In China und in Nordkorea
Gib ihnen die Kraft, den Anfeindungen zu widerstehen
Und Zeugen deines Friedens zu bleiben.

Wir bitten dich für die Menschen,
denen das Wasser bis zum Hals steht
die in den schmutzigen Fluten alles verloren haben
die nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll.

Wir bitten dich für die Menschen,
die ihre Lebenskraft aus dem Hass auf andere ziehen
die nur gelten lassen können, wen sie gelten lassen,
die keinen Frieden finden – weder mit dir noch mit sich selbst

Wir bitten dich für uns selbst
Gute und böse Menschen zugleich
Und doch von dir geliebt und geachtet
Gib uns gute Gedanken
Den Mut, das Gute zu tun
Und hilf uns, dass uns das Böse nicht überwindet

Wir rufen dich an mit den Worten, die Jesus uns lehrte.

Unser Vater im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Segen
Herr, segne uns und behüte uns.
Herr, laß dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig.
Herr, erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns Frieden.

 


Domprediger Pfr. Martin Filitz, Halle