Herrenlose Gewalten
»Wir betrachten (...) sorgenvoll unsere durch so viele obdachlose Autos immer mehr eingeengten Gassen und Wege, betrachten auch die oft langsam genug sich fortbewegenden abendlichen ›Verkehrsschlangen‹ auf den Aus- und Einfallsstraßen unserer Städte – und fragen uns schüchtern: ob nicht der zunehmende Verkehr selbst (...) endlich und zuletzt zum gewaltigsten Verkehrshindernis werden könnte und wie es in dieser Hinsicht in vielleicht nicht zu ferner Zeit auch in der Luft aussehen und zugehen möchte? Und wie könnten wir es unterlassen, die täglich erscheinenden Listen der sogenannten ›Verkehrsunfälle‹ und ihrer Opfer zu betrachten, deren Zahlen in ihrer Gesamtheit da und dort (1960 in Europa 65.000 ›Verkehrstote‹) die Verlustlisten des Krieges erreicht und schon überschritten haben? [Wir] (...) betrachten übrigens nebenbei auch die Verwüstung der Landschaft durch die Ackergrund, Weideboden und ganze Dörfer rücksichtslos durchschneidenden Autostraßen – und fragen: ob die dem motorisierten Menschen erlaubte Schnelligkeit mit ihrem weithin offenkundig lebensfeindlichen Charakter nicht doch sehr teuer erkauft sein möchte?« (Karl Barth, Die herrenlosen Gewalten, GA II.7, S. 395, 1959-1961)