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Hochamt, Wächteramt, Kirchensteueramt?
Begriff beinhaltet mehr als das ministerium ecclesiasticum
1. Sprachgebrauch und vorläufige Begriffsbestimmung
Amt (lat. ministerium, officium, munus) ist ein frühes keltisches Lehnwort, dessen ursprüngliche Bedeutung maskulinisch war: ambactus = Vasall, Dienstmann. In den germanischen Sprachen wurde es bald auch neutrisch im Sinne von Dienstleistung gebraucht, und zwar zunächst für Dienstleistungen der Unfreien gegenüber ihren Herren, später auch zum Namen einer ständigen Verpflichtung von Freien. Den Begriff der staatsrechtlichen Bindung bringt allerdings erst die Neuzeit dazu.
Jetzt bezeichnet A. u. a. die öffentlich-rechtliche Stellung, aus welcher der Dienst als Verpflichtung hergeleitet wird, und in Zusammenhang damit das Dienstgebäude (Postamt u. dgl.) und den territorialen Dienstbereich. Diese hier nur kurz angedeutete Bedeutungsgeschichte spiegelt sich zum guten Teil im heutigen kirchlichen Sprachgebrauch. Man spricht vom dreifachen A. Christi (munus, officium triplex), vom Hochamt (A. = Dienst, Gottesdienst), Wächteramt der Kirche, Kirchensteuer- oder Rentamt, von den verschiedenen Kirchen- und Gemeindeämtern und vom A. der Kirche schlechthin (ministerium ecclesiasticum). Fragt man dogmengeschichtlich und dogmatisch nach dem »A.«, so denkt man zuerst an das ministerium ecclesiasticum. Aber die andern Anwendungen des A.sbegriffs färben immer auf »das« A. ab, wie auch umgekehrt von diesem her jene mit mehr oder weniger Recht interpretiert werden. Diese Wechselbeziehung ist im Auge zu behalten.
2. Dogmengeschichtlich
Bei einem so wenig scharf definierten Begriff wie A. empfiehlt es sich, die dogmengeschichtliche Untersuchung nicht am Anfangs-, sondern am Endpunkt der Entwicklung einsetzen zu lassen, um nicht von vorneherein ins Uferlose zu geraten. Was versteht man heute unter der Lehre vom A.? Oder da dieser Lehrpunkt mehr als viele andere zwischen den Konfessionen kontrovers ist: Welches ist in dieser Frage der römisch-katholische, der orientalisch-orthodoxe, der anglikanische, der calvinistische, der lutherische Standpunkt? Und wie ist es zur Ausbildung der konfessionell verschiedenen A.sbegriffe gekommen?
Bei dieser Problemstellung machen wir alsbald die merkwürdige Beobachtung, daß die Rede vom »A.« sich nicht in allen Konfessionen in gleicher Weise findet, ja daß strenggenommen nur die Lutheraner eine Lehre vom A. haben, während an der entsprechenden Stelle die Calvinisten von Ämtern, die römischen Katholiken und die Orthodoxen, in ihrer Weise auch die Anglikaner, von der Hierarchie handeln.
Die römische Kirche (ð Hierarchie) unterscheidet auf Grund göttlichen Rechts zwischen Weihehierarchie (Diakon, Presbyter-Priester, Bischof) und Jurisdiktions-(Ämter-)hierarchie (Bischöfe, Papst). Beide sind einander zugeordnet; denn die Weihe schafft den Personenkreis, aus dem die Ämterhierarchie sich ergänzt, und die Jurisdiktion regelt die rechtmäßige Ausübung der Weihegewalt. Darum unterscheidet das kanonische Recht zwischen gültiger und erlaubter Ausübung der Weihegewalt, besonders bei der Spendung der Sakramente
Die Gültigkeit (Validität) kann auch dort gegeben sein, wo die jurisdiktionellen Vorschriften übertreten wurden, Erlaubtheit also fehlt. Andererseits ist die Unterwerfung unter die kirchliche Jurisdiktion heilsnotwendig. Bei dieser verwickelten Rechtslage ist es unmöglich, hier von »dem« A. zu sprechen. Am ehesten könnte man dabei noch an das A. des Papstes denken. Denn seit dem ð Vatikanum hat der Papst eine ordentliche eigenberechtigte unmittelbare Gewalt über alle Gläubigen.
Er kann »von seiner Weihe- und Hirtengewalt überall in der ganzen Kirche Gebrauch machen, er hat eine mit der Gewalt des Einzelbischofs konkurrierende und dieser übergeordnete Bischofsgewalt in jedem Bistum. Die Gläubigen können ihre Rechtssachen unter Umgehn des ordentlichen Rechtsweges unmittelbar an den Papst bringen... Der Papst ist der Bischof für alle« (E. Eichmann, Lehrbuch des Kirchenrechts, neu hg. v. K. Mörsdorf, I, 19537, 344).
- Die orthodoxe Kirche ähnelt der römisch-katholischen im hierarchischen Aufbau, jedoch gibt es einige wesentliche Unterschiede. Erstens streitet sie dem römischen Papst den im Vatikanum dogmatisierten Jurisdiktionsprimat entschieden ab, obwohl sie bereit ist, dem Bischof von Rom, falls er seine weitergehenden Ansprüche aufgibt, einen Ehrenprimat (primus inter pares) zuzugestehen. Die orthodoxe Kirche kennt ihrerseits keinen Papst, sondern nur die Rangstufen der römischen Weihehierarchie: Diakonat, der hier noch eine regelmäßige gottesdienstliche Funktion hat, Presbyterat, Episkopat.
Die Bischöfe sind untereinander bis auf einige Ehrenvorrechte der Patriarchen, besonders dessen von ð Konstantinopel, rangmäßig gleich. Zweitens ist die kirchliche Jurisdiktion hier nicht so ausschließlich zum Privileg der Hierarchie geworden wie in der römischen Kirche, vielmehr wird die Bedeutung der Laien mit Nachdruck herausgestellt.
Die orthodoxe Kirche legt Wert darauf, in dieser Hinsicht die gesunde Mitte zwischen Protestantismus und Romanismus einzuhalten: »Die Laien sind im Kirchenorganismus nicht das Ganze wie... in den protestantischen Kirchen..., aber auch nicht eine bloße Segen empfangende Masse wie... in der römischen Kirche..., sondern sie behaupten eine außerordentlich bedeutungsvolle Position..., die zur Beteiligung an allen drei Erscheinungen der Priestergewalt der Geistlichen (sc. Lehre, A.-Gottesdienst, Administration) reicht... Die Geistlichen können in der orthodoxen Kirche nicht ohne die Laien amtieren... (Den Laien obliegt die) Wahl der Geistlichen, die Verwaltung der Kirchengemeinden und des Kirchengutes und besonders... die Herausbildung des Kirchengewissens..., das sogar über die Ökumenizität der Synoden entscheiden kann« (H. S. Alivisatos, Das kanonische Recht der orthodoxen Kirche, S. 84 [in: Ekklesia X, 1939; 75ff]).
Man stelle dagegen die Aussage des Vatikanum, daß die endgültigen Festsetzungen (definitiones) des Papstes durch sich selber, nicht aber durch die Zustimmung der Kirche unabänderlich seien (ex sese, non autem ex consensu ecclesiae irreformabiles)! Oder den Kampf der mittelalterlichen Kirche gegen die Laieninvestitur der Bischöfe (ð Investitur) und die im modernen Katholizismus erreichte fast restlose Ausschaltung der Laien aus der Leitung der Kirche (der »Laizismus« wurde wiederholt von Rom verdammt)!
- Die anglikanische Kirche unterscheidet sich trotz Wertlegen auf die apostolische Sukzession von der römischen und orthodoxen grundlegend durch die Verwerfung des Weihesakraments, schreibt auch keinen Zölibat (, 2) vor wie die orthodoxe für die Bischöfe und die römische für die Majoristen des lateinischen Ritus (Majoristen-Geistliche höherer Weihen, nach römischer Rechnung vom Subdiakon an).
- Im Calvinismus will E. F. Karl Müller (Symbolik, 1896, 387 f.) die rechte Mitte zwischen Katholizismus - falsche Äußerlichkeit - und Luthertum - einseitige Innerlichkeit - sehen. Unter diesem Gesichtspunkt bekommt die Mehrzahl der Ämter (»Pastoren« für Predigt und Seelsorge, »Lehrer« für Erforschung und Auslegung der Schrift, »Älteste« als Wächter und als Richter in Sachen der Zucht, »Diakonen« für die Armenpflege) besonderes Gewicht.
Die Ämter sind in ihren Funktionen einander zugeordnet und sollen dazu dienen, das Regiment Christi in der Gemeinde zu befestigen (Niesel, Symb 201 ff.). - Das Luthertum unterstreicht mit seiner Lehre vom Predigtamt (ca. 5) als »dem« A. kräftig die Stellung des Evangeliums als belebende Mitte der Gemeinde, ohne sich dadurch gegenüber den wechselnden Notwendigkeiten der Durchgliederung der gemeindlichen und kirchlichen Organisation zu verschließen. - Neben diesen Haupttypen gab es immer auch (kleinere) Gruppen, die mindestens zeitweise jede Form von A. und Ämtern verwarfen.
Dem bunten Bild, das die notwendig unvollständige Bestandsaufnahme zeigt, entspricht die dogmengeschichtliche Entwicklung. Einen ersten Markstein bedeuten im Abendland Cyprian, im Morgenland Origenes. Beide sehen die Grundlage der Kirche im Bischofsamt; denn der Bischof spricht an Christi Statt das richtende und rettende Urteil über den Sünder, er hat die »Gewalt der Sündenvergebung«.
Origenes versteht diese Gewalt mehr pneumatisch-charismatisch, Cyprian mehr sakral-juristisch, ein Unterschied, der für die östliche und die westliche Auffassung bezeichnend geblieben ist. Das Abendland hat in einer wechselvollen Geschichte (Papsttum) die Papatsidee ausgebildet, durchgesetzt und schließlich dogmatisiert (Vatikanum). Das Morgenland dagegen hat unter einigen Schwankungen im wesentlichen den Standpunkt des 3. Jh.s festgehalten und präzisiert.
Ganz anders die Reformation: die neu aufbrechende Erkenntnis, daß die Sündenvergebung dem Glauben durch das Evangelium zuteil wird, mußte auch den A.sbegriff von Grund aus wandeln. Der Spender der Sündenvergebung ist nicht geistlicher Richter und Herrscher, sondern Herold des Evangeliums. Unter diesem Aspekt steht das A. mehr oder weniger deutlich in allen von der Reformation geprägten Kirchen, so groß auch die Unterschiede zwischen anglikanischer Bischofskirche, calvinistischer Ämterordnung und lutherischem Predigtamt im einzelnen sind.
sind.
3. Dogmatisch
Eine evangelische Lehre vom A. muß davon ausgehen, daß Gott den Glauben und den Heiligen Geist durch sein Wort schenkt. Darum ist die Wortverkündigung nicht unserm Belieben oder dem Zufall überlassen, sondern Gott hat »das Wort von der Versöhnung unter uns aufgerichtet« (2Kor 5, 19), hat den Aposteln den »Dienst an der Versöhnung gegeben« (V. 18). Das A. ist also Verkündigungsamt, Dienst an der Versöhnungsbotschaft durch ev. Predigt und ev. Sakramentsverwaltung.
Auf diesem Mandat beruhen Würde und Grenze des A.s: Würde, weil der Bote die Botschaft seines Herrn ausrichtet, der Mund seines Herrn ist (Lk 10, 16); Grenze, weil die Botschaft dem A. vorgegeben ist und die Predigt des Boten an der Botschaft gemessen werden kann und muß (Gal 1, 8). Wenn aber das A. nur von der Botschaft her begründet werden kann, so muß das Sakrament der Priesterweihe fallen, durch das ein bestimmter Personenkreis aus der Gesamtgemeinde als der für das A. allein qualifizierte ausgesondert wird.
Das A. beruht nicht auf der (geweihten) Person, sondern auf der Botschaft: darum sagt Luther: »... alle Christen sind wahrhaftig geistlichen Stands, und ist außer ihnen kein Unterschied denn des A.s halben allein« (WA 6, 407 = BoA 1, 366). D. h.: Alle Christen gehören dem geistlichen Stand an, aber nicht alle haben das geistliche A. Nichts anderes besagt die vielfach mißdeutete Stelle: »... was aus der Taufe gekrochen ist, das mag sich rühmen, daß es schon zum Priester, Bischof und Papst geweiht sei, obwohl nicht einem jeglichen ziemt, solch A. zu üben« (a. a. O. 408 bzw 367).
Weihe und A.sübertragung sind nach kanonischem Recht nicht identisch und liegen zeitlich oft weit auseinander. Luthers Polemik richtet sich gegen die römische Lehre, die ein besonderes Weihesakrament zur Voraussetzung für die A.sübertragung macht, nicht aber überhaupt gegen die Notwendigkeit einer A.sübertragung auf bestimmte Personen in der Gemeinde. Der Getaufte ist nach Luther zwar zum Bischof geweiht, erfüllt also in sakramentaler Hinsicht die Voraussetzungen zur Erlangung des Bischofsamts, ist aber darum längst noch nicht Inhaber eines solchen A.s.
So sind zwar alle Getauften Priester (der Weihe nach), aber nur die haben ein Priester- (Pfarr-)A., denen es eigens übertragen ist. Auf diese Übertragung, die vocatio (CA 14; ð Ordination: V), wird großer Wert gelegt. Sie ist sowohl für den A.sträger, der sich in Anfechtungen seiner Berufung getrösten soll, wie auch für die Gemeinde, die an ihn gewiesen ist, von Bedeutung: »Die vocatio tut dem Teufel sehr wehe« (WATR 1, 90).
Diese von Luther aufgezeigte Linie wird auch heute innezuhalten sein, sowohl gegenüber Bestrebungen, das Weihesakrament zu erneuern oder in anderer Weise das A. einem besonderen »geistlichen« Personenkreis in der Gemeinde vorzubehalten, es also hierarchisch zu deuten, wie auch gegenüber Versuchen, es in Verkennung seiner Einsetzung durch Gott (2Kor 5, 19) zu einer Funktion der Gemeinde abzuwerten. Die Gemeinde bestellt wohl die A.sträger, aber die Botschaft, und damit das A., ist höheren Ursprungs.
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Aus: Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, Bd. 1, S. 337ff. Mit freundlicher genehmigung des Verlages veröffentlicht.
B. Schott