Aktuelles
Aktuelles aus den Landeskirchen >>>
Aktuelles aus den Gemeinden >>>
Kolumne >>>
Buchtipps >>>
from... - die reformierte App
Newsletter
Wir auf Facebook
Hoffnung aus Wellblech und aus Sperrholz
Bildandacht zum Ukrainekrieg
Sie werden Nägel in das Holz schlagen müssen. Sie tun es nicht gerne. Aber es muss sein, wenn sie das Wellblech und die Sperrholzplatten anbringen wollen. Ob es etwas nützen wird, wissen sie nicht. Denn wenn es einen Angriff und einen Treffer gibt, dann wird die kleine Kapelle mit ihrem Dach aus Holzschindeln im Feuer vergehen. Noch ist es nicht soweit. Der Krieg ist weiter weg im Osten. Trotzdem sind die Männer übereingekommen, hierher zu gehen. Sie wollen Jesus holen. Sie nehmen ihn ab vom Kreuz.
Vor 2000 Jahren haben das andere getan, auf dem Hügel Golgatha vor der Stadt. Wie sie jetzt, taten die damals es wohl ohne viele Worte, taten, was man eben tun muss nach einen Tod. Ein letzter Dienst, eine letzte Liebe. Und das Einzige, was gegen ihre Ohnmacht half.
Vor ihnen haben es andere getan, vor 2000 Jahren. Und vor 80 Jahren, als der Krieg schon einmal über ihr Land gekommen war, aus dem Westen. Damals, als ihre Stadt noch Lemberg hieß. Von denen, die es miterlebt haben, lebt ja längst keiner mehr. Doch erzählt haben sie sich die Geschichte noch lange in der Stadt. Wie der Jesus im Bunker den Krieg überlebt hat. Wie sie ihn zurückgebracht haben, im frühen Sommer 1945, als es noch einmal Ostern war. Und dass er dann dort hängen durfte in den grauen Jahren der Sowjetunion, unter den längst auch grau gewordenen Holzschindeln. Manchmal brachten alte Frauen ein paar Blumen und legten sie zu seinen Füßen ab. Die Kirche war zu einem Museum sakraler Gegenstände geworden. Bis endlich ein richtiger Frühling kam.
Jesus weigert sich, zum Museumsstück zu werden. Er bleibt einfach dort hängen, still und trotzig zugleich in dieser Welt. Er bildet ab, was keiner sehen will und keiner fühlen. Die ausgebreiteten Arme, die Wunden und das Leid. Als hätte er auf sie gewartet, so hing er da all die Jahre. Und lässt sich mitnehmen, jetzt, wo wieder Krieg ist bei ihnen, eine Zeit der Wunden und des Leidens in ihrem Land. Als wollte er zu ihnen sagen: Ich kenne das. Ich habe es doch erlebt, auf Golgatha. Und überall dort, wo ihr Menschen die Welt zu einem Golgatha, zu einer Schädelstätte macht.
Ich möchte die stille, trotzige Hoffnung dieser Männer haben, die Jesus holen. Es ist eine Hoffnung aus Wellblech und aus Sperrholz. Eine Hoffnung, die das Leiden anfasst, die sich abmüht damit, die es trägt und in Sicherheit bringt. Weil sie glauben, dass es weitergehen wird, mit all dem Leiden und durch all das Leiden hindurch. Weil einmal ein Frühling sein wird. Und ein Frieden.
Kathrin Oxen