Im Elfenbeinturm

Nes Ammim - aus dem Alltag in einem nicht-alltäglichen Dorf in Israel. 76. Kapitel


Von Tobias Kriener

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Letzte Woche bin ich erstmals  - ganz oben - im Uniturm von Haifa gewesen - dem 30-stöckigen Hochhaus oben auf dem Carmel, das in alle Richtungen weithin sichtbar ist (ein rechter akademischer "Elfenbeinturm"!) - und von dem aus ein fantastischer Blick nach Süden bis mindestens Hadera, nach Osten bis zum Tabor und darüber hinaus, sowie nach Norden bis Rosh Hanikra möglich ist - wenn das Wetter mitspielt. Und das tat es ausgerechnet am letzten Donnerstag nicht. Sondern es war unglaublich dunstig und schwül - man konnte von da oben kaum bis zum Mittelmeer gucken - ach, wie schade ...

Ich war vom Center for European and German Studies im Rahmen einer Konferenz zum Thema "Religion and Politics" zu einem workshop mit dem Titel "Religious Coexistence in Israel "eingeladen worden, Nes Ammim vorzustellen.  Als Gesprächspartner waren vorgesehen Azar Ajaj vom Nazareth Bible College und Rabbi Or Zohar. Wie so oft war es nicht gelungen, einen muslimischen Gesprächspartner zu gewinnen.

Organisatorisch ging so ziemlich alles schief, was schief gehen konnte: Der Workshop sollte am Nachmittag stattfinden - aber Azar hatte die Zeiten verwechselt und war schon am Vormittag da. Da konnte er immerhin eine Lücke füllen, die sich in einem anderen Workshop ergeben hatte ..  Or hatte den Termin verschwitzt. Als ich ihn anrief um zu fragen, wo er denn bleibt, setzte er sich immerhin schnellstens ins Auto und kam eine Stunde verspätet noch dazu. Auch die ursprünglich für den ersten Teil des Workshops geplanten Referate von Studierenden fielen aus. Dem Stereotyp über europäische oder gar deutsche Organisationsgründlichkeit entsprach das in keinster Weise, sondern man fühlte sich sehr authentisch nahöstlich ...

Immerhin hatte das alles für mich bzw. Nes Ammim den positiven Effekt, dass ich mich ausführlich über unsere Arbeit und unsere Vorstellungen vom Miteinander der Religionen verbreiten konnte. Und dass mir natürlich der allerwärmste Dank der Organisator_innen sicher war, weil der Workshop überhaupt stattfand ...

Anschließend genossen Katja und ich noch die Eröffnung des akademischen Jahres des Zentrums und das anschließende Buffet, bei dem wir die neue deutsche Botschafterin und den Europäischen Botschafter auf Nes Ammim aufmerksam machen konnten. Also alles in allem doch keine vergeudete Zeit.

Und was den Blick aus dem Elfenbeinturm auf's Land angeht, hoffe ich einfach auf eine neue Chance ...


Tobias Kriener